TE Vfgh Beschluss 2002/3/13 A8/01

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
ASVG §447f
Sbg KAG 2000 §88
Sbg Krankenanstalten-FinanzierungsfondsG (SAKRAF-Gesetz) §25a, §30

Leitsatz

Zurückweisung der Klage der Betreiberin eines privaten Ordensspitals gegen das Land Salzburg - Krankenanstalten-Finanzierungsfonds (SAKRAF) auf Auszahlung einbehaltener Einnahmenüberschüsse wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes; Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde (Schiedskommission) für Streitigkeiten zwischen den Trägern landesfondsfinanzierter Krankenanstalten und dem Fonds

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die klagende Gesellschaft (Alleingesellschafterin ist die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul) betreibt im Land Salzburg (Schwarzach/Pongau) ein Ordensspital als gemeinnützige private Krankenanstalt.

Gemäß Art1 Abs1 Z1 der auf Art15a Abs1 B-VG gestützten Bund-Länder-Vereinbarung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000, BGBl. I Nr. 111/1997 = LGBl. für Salzburg Nr. 12/1997 (künftig: Vereinbarung), kommen die Vertragsparteien überein, den Trägern sog. Fondskrankenanstalten auf Rechnung von Landesfonds im Namen der Träger der Sozialversicherung leistungsorientiert Zahlungen für die Behandlung von Patienten, für die eine sozialversicherungsrechtliche Leistungspflicht besteht, zu gewähren. Als anspruchsberechtigte "Fondskrankenanstalten" gelten die öffentlichen sowie die gemeinnützigen privaten Krankenanstalten (vgl. Art2 Vereinbarung sowie §10 Abs1 des hiezu ergangenen Gesetzes vom 12.12.1996 über den Salzburger Krankenanstalten-Finanzierungsfonds, Krankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz - SAKRAF-Gesetz, LGBl. Nr. 13/1997). Die von der klagenden Gesellschaft betriebene Ordenskrankenanstalt ist eine Fondskrankenanstalt iS des §10 Abs1 SAKRAF-Gesetz.

2. Mit Schreiben vom 28. November 2000 teilte der Salzburger Krankenanstalten-Finanzierungsfonds (künftig: SAKRAF) der klagenden Partei mit, daß der von ihr im Jahr 1999 erzielte nachhaltige Einnahmenüberschuß in Höhe von S 10,917.061,-- einbehalten werde.

3. Die klagende Gesellschaft begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge eine mündliche Verhandlung durchführen und gemäß Art137 B-VG erkennen, daß das Land Salzburg als beklagte Partei schuldig sei, der klagenden Partei den Betrag von

S 10,917.061,-- samt 4 vH Zinsen ab Klagstag zu bezahlen und die Prozeßkosten zu ersetzen, alles binnen 14 Tagen bei Exekution.

Inhaltlich greift die Klage im wesentlichen jene Regelung des SAKRAF-Gesetzes (§25a idF LGBl. Nr. 48/1999, in Kraft getreten am 1.1.1999) als verfassungswidrig an, wonach ein Betriebsüberschuß einer Fondskrankenanstalt soweit abzuschöpfen sei, als er die bereinigten Betriebsabgänge der letzten drei Jahre übersteigt. Es wird angeregt, der Verfassungsgerichtshof möge die genannte Bestimmung gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen.

4. Das beklagte Land Salzburg hat eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, die Klage kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

5. Die klagende Partei hat hiezu eine Replik (samt Beweisantrag) erstattet, der das beklagte Land mit einer weiteren schriftlichen Äußerung entgegengetreten ist.

II. Die Klage ist unzulässig.

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Im vorliegenden Fall steht der klagenden Partei indes ein derartiges Verwaltungsverfahren offen, in dem sie den von ihr behaupteten Anspruch geltend machen kann:

2.1.1. Nach jenem Krankenanstaltenfinanzierungssystem, das durch die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) abgelöst wurde, wurde die Honorierung der von den Krankenanstalten an sozialversicherte Pfleglinge erbrachten Leistungen in Verträgen geregelt, die die Krankenversicherungsträger - vertreten durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - mit dem jeweiligen Krankenanstaltenträger abschlossen. Gegenstand derartiger Verträge war insbesondere die Höhe der von den Krankenversicherungsträgern zu entrichtenden Verpflegskosten (vgl. §148 Z7 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955).

Nach ständiger - auf das Erkenntnis VfSlg. 7889/1976 zurückgehender - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs waren Streitigkeiten, die sich aus derartigen Verträgen ergaben, bürgerliche Rechtssachen im Sinne des §1 JN und demnach im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, soweit sie nicht vom zuständigen (Landes-)Krankenanstaltengesetzgeber ausdrücklich einer Verwaltungsbehörde, wie zB einer Schiedskommission nach einem Landes-Krankenanstaltengesetz, zugewiesen wurden (vgl. OGH 20.10.1981, 2 Ob 119/81; 24.5.1989, 9 Ob A84/89 = SZ 62/100; 25.2.1992, 4 Ob 519/92; 26.4.2000, 7 Ob 17/00a; 2.10.2001, 2 Ob 215/01h).

2.1.2. Nunmehr - seit 1.1.1997 - ist die Leistungsabgeltung dem jeweiligen Landesfonds übertragen, der ua. aus von den Krankenversicherungsträgern geleisteten Pauschalbeiträgen alimentiert wird (vgl. Art9 Vereinbarung und näher der hiezu ergangene §447f ASVG idF BGBl. I Nr. 5/2001); darüber hinausgehende Abgeltungsansprüche des Krankenanstaltenträgers bestehen - ausgenommen für bestimmte Leistungen - nicht (vgl. Art11 Abs1 Vereinbarung und der hiezu ergangene §148 Z3 ASVG sowie §59 Abs1 Salzburger Krankenanstaltengesetz 2000 - S-KAG 2000, LGBl. Nr. 24/2000). Der Landesfonds übernimmt damit (weitgehend) jene Funktion, die nach dem bisherigen Finanzierungssystem von den Krankenversicherungsträgern wahrgenommen wurde. Die Beziehungen letzterer zu den Krankenanstalten werden zwar weiterhin durch privatrechtliche Verträge geregelt, doch bleibt bei landesfondsfinanzierten Krankenanstalten ("Fondskrankenanstalten") für derartige Verträge als Regelungsinstrument insoweit nicht mehr viel Raum, als ein erheblicher Teil der zu regelnden Fragen bereits gesetzlich gelöst und damit der Disposition der Parteien entzogen ist (vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 9. Erg.-Lfg., Pkt. 5.5.1.2.). Insbesondere bestimmt §148 Z10 ASVG, daß Ansprüche auf Zahlungen durch derartige Verträge nicht rechtsgültig begründet werden können (es sei denn, es handelt sich um Leistungen iS des Art11 Abs3 Vereinbarung bzw. §148 Z3 ASVG).

2.2. Zur Entscheidung von Streitigkeiten, die sich aus dem LKF-System ergeben, beruft §88 S-KAG 2000 (ebenso wie Art12 Abs1 Vereinbarung) eine Schiedskommission, die als Kollegialbehörde iS des Art20 Abs2 bzw. des Art133 Z4 B-VG eingerichtet ist (vgl. VfGH 9.10.2000, B1824/99) und über folgende Kompetenzen verfügt (vgl. §88 Abs1 S-KAG 2000 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 63/2001):

"1. Entscheidung über den Abschluss von Verträgen zwischen jenen Trägern öffentlicher Krankenanstalten, die zum Zeitpunkt 31. Dezember 1996 bereits bestanden haben, aber keine Fondskrankenanstalten (§10 Abs1 SAKRAF-Gesetz) sind, und dem Hauptverband;

2. Entscheidung über Streitigkeiten aus Verträgen, die zwischen den Trägern der Fondskrankenanstalten (§10 Abs1 SAKRAF-Gesetz) und dem Hauptverband (oder einem Träger der sozialen Krankenversicherung) abgeschlossen worden sind, einschließlich der Entscheidung über die aus diesen Verträgen erwachsenden Ansprüche gegenüber Trägern der Sozialversicherung oder gegenüber dem SAKRAF;

3. Entscheidung über Streitigkeiten zwischen dem Hauptverband oder einem Träger der sozialen Krankenversicherung und dem SAKRAF über die wechselseitigen Verpflichtungen und Ansprüche aus der Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000;

4. Entscheidung über Ansprüche, die sich auf den Sanktionsmechanismus gemäß §30 Abs2 bis 4 SAKRAF-Gesetz gründen."

§88 Abs1 Z2 S-KAG 2000 erklärt die Schiedskommission somit ua. für zuständig zur Entscheidung von Streitigkeiten aus zwischen den Trägern landesfondsfinanzierter Krankenanstalten und dem Hauptverband (oder einem Krankenversicherungsträger) abgeschlossenen Verträgen, einschließlich der Entscheidung über aus derartigen Verträgen erfließende Ansprüche gegenüber Sozialversicherungsträgern oder gegenüber dem SAKRAF.

Nun wird zwar nicht verkannt, daß die vorliegende Klage nicht etwa gegen einen Krankenversicherungsträger, sondern (materiell betrachtet) gegen den SAKRAF gerichtet ist. Da dieser jedoch - wie soeben dargelegt (Pkt. II.2.1.) - in Fragen der Abgeltung der von landesfondsfinanzierten Krankenanstalten erbrachten Leistungen (die vormals vertraglich geregelt waren) die Funktion der Krankenversicherungsträger wahrzunehmen berufen ist, ist zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch die Schiedskommission zuständig. Der SAKRAF "repräsentiert" dabei die Krankenversicherungsträger; dies ergibt sich ausdrücklich auch aus §86 S-KAG 2000, der (idF vor der Novelle LGBl. Nr. 63/2001) samt Überschrift wie folgt lautet:

"Stellung des SAKRAF als Versicherungsträger

Bei der Leistungsabrechnung gegenüber den Fondskrankenanstalten und in jenen Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden, welche die Verrechnung von Leistungen gemäß §16 SAKRAF-Gesetz gegenüber den Rechtsträgern der Fondskrankenanstalten betreffen, gilt der SAKRAF als Versicherungsträger. Handlungen, die den Aufwand der Versicherungsträger erhöhen würden, kann der SAKRAF rechtsgültig nur im Einvernehmen mit dem Hauptverband vornehmen. Dieses Einvernehmen kann rechtsgültig nur schriftlich hergestellt werden."

2.3. Die Annahme, die Schiedskommission sei zur Entscheidung über die vorliegende Streitigkeit zuständig, liegt im übrigen umso näher, als §88 Abs1 Z4 S-KAG 2000 (auch) für Streitigkeiten zwischen den Trägern landesfondsfinanzierter Krankenanstalten und dem SAKRAF, die sich aus dem sog. "Sanktionsmechanismus" ergeben, die Entscheidungskompetenz der Schiedskommission vorsieht:

Gemäß §30 Abs2 SAKRAF-Gesetz hat die Landeskommission (das leitende Organ des SAKRAF) bei erheblichen Verstößen einer Fondskrankenanstalt gegen den Österreichischen Krankenanstaltenplan oder gegen den Großgeräteplan "wirksame Maßnahmen zur Herstellung des plankonformen Zustandes einzuleiten". Leistet die Krankenanstalt der Aufforderung der Landeskommission nicht Folge, so hat diese die angedrohte Kürzung oder den angedrohten Einzug von Finanzierungsmitteln vorzunehmen; über allfällige Ansprüche aus einem derartigen Beschluß der Landeskommission entscheidet die Schiedskommission. Ein ähnliches Verfahren ist in §30 Abs3 SAKRAF-Gesetz (zB im Fall eines Verstoßes gegen bestimmte Dokumentationspflichten) vorgesehen; dort wird auch bestimmt, daß die Schiedskommission über die Frage zu entscheiden habe, ob und inwieweit der Träger der landesfondsfinanzierten Krankenanstalt widmungswidrig verwendete oder sonst zu Unrecht erhaltene Finanzierungsmittel dem SAKRAF zu erstatten verpflichtet sei.

2.4. Die vorliegende Streitigkeit ist somit in einem Verfahren vor der Schiedskommission nach dem S-KAG 2000 auszutragen. Ein derartiges Verfahren wird es auch erlauben, das von der klagenden Partei vorgebrachte Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §25a SAKRAF-Gesetz an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Da sohin über den geltend gemachten Anspruch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, ist eine der Prozeßvoraussetzungen des Art137 B-VG nicht gegeben, weshalb die Klage wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen war (zB VfSlg. 15.444, 15.514/1999; VfGH 11.6.2001, A10/99).

Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob - wie die klagende Partei angenommen hat - der SAKRAF bloß als "Sondervermögen des Landes Salzburg" anzusehen sei, weshalb das Land Salzburg bei gegen den SAKRAF gerichteten Ansprüchen in einem Verfahren gemäß Art137 B-VG passiv klagslegitimiert sei.

3. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil das beklagte Land Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (zB VfSlg. 10.161/1984, 10.968/1986).

4. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Krankenanstalten, Kosten, Finanzierung, Krankenanstaltenfinanzierung, VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:A8.2001

Dokumentnummer

JFT_09979687_01A00008_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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