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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des C (auch S) S, geboren 1974 (alias Hushang Behjati, geboren am 2. Dezember 1973) in Wien, vertreten durch Mag. Nikolaus Rosenauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 6- 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Juni 2004, Zl. 215.263/0-VII/20/00, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste seinen Angaben zufolge am 7. Juli 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 10. Juli 1999 die Gewährung von Asyl. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer bei den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 16. und 24. August 1999 im Wesentlichen an, er sei wegen Kritik am Regime am 20. April 1999 festgenommen worden, zwei Wochen unter Folter in Haft gewesen und am 5. Mai gegen Kaution (Hinterlegung einer Grundbuchsrolle) enthaftet worden. Auf Anraten seines Rechtsanwaltes, nach dessen Einschätzung das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr gewesen sei, habe er der Ladung des Revolutionsgerichtes für den 22. Mai 1999 nicht Folge geleistet, sondern den Iran verlassen. Bei einer Rückkehr habe er "als Mindeststrafe 20 bis 30 Jahre Haft zu erwarten".
Mit Bescheid vom 13. Jänner 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran für zulässig.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem ergänzend vor, er sei am 3. Februar 1999 (noch im Iran) zum Christentum konvertiert. Über die Berufung führte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) am 26. September 2002 eine mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wiederholte die in erster Instanz vorgebrachten Fluchtgründe und legte das Original der erwähnten Ladung sowie ein angeblich in seiner Abwesenheit gegen ihn ergangenes Urteil des Revolutionsgerichtes vom 20. Oktober 2000 vor. Weiters legte der Beschwerdeführer das Original der Taufurkunde vor und schilderte die näheren Umstände seines (im Iran geheimgehaltenen) Glaubenswechsels. Danach wurde die Verhandlung zur Überprüfung der vorgelegten Urkunden vertagt, wobei sich der Beschwerdeführer mit "Überprüfungen vor Ort" ausdrücklich einverstanden erklärte.
Die im Wege der Österreichischen Botschaft in Teheran von deren Vertrauensanwalt eingeholte Expertise ergab aus mehreren - sowohl die äußere Form als auch den Inhalt betreffenden - näher dargelegten Gründen, dass sowohl die vorgelegte Ladung als auch das Urteil nicht von einem Revolutionsgericht stammen können und nicht echt seien. Dem trat der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung am 14. Oktober 2003, in dem ihm dieses Erhebungsergebnis im Einzelnen vorgehalten wurde, nicht substanziiert entgegen. Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurden mit dem Beschwerdeführer noch seine mittlerweile erfolgte Taufe in Österreich und jene im Iran näher erörtert.
Im Anschluss an diese Verhandlung nahm die belangte Behörde unter Einschaltung des Erzbischöflichen Ordinariates in Wien eine Überprüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten iranischen Taufurkunde vor. Nach der Mitteilung der assyrisch-chaldäischen katholischen Erzdiözese in Teheran handle es sich bei der übermittelten "Tauf- und Firmbestätigung" um "keine authentische kirchliche Bestätigung". Eine solche Bestätigung sei niemals von der genannten Erzdiözese ausgestellt worden.
In der folgenden Berufungsverhandlung am 17. Februar 2004 wurde jener Priester, der den Beschwerdeführer am 14. April 2001 in Linz getauft hatte, über die Taufvorbereitung und zu den vom Beschwerdeführer danach besuchten weiterbildenden Kursen - internationaler Glaubenskurs der Akademie für Evangelisation, eine Akademie für "missionarische Verkündigung", und Fernkurs für Katechisten auf der theologisch philosophischen Hochschule in Heiligenkreuz, wofür der Beschwerdeführer jeweils Bestätigungen vorgelegt hatte - als Zeuge vernommen. Eine diesbezügliche Befragung des Beschwerdeführers erfolgte nicht. Auf Vorhalt des erwähnten Erhebungsergebnisses zum iranischen Taufschein gab der Beschwerdeführer an, nie behauptet zu haben, dass dieses Dokument echt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab. Sie erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Gründe für seine Ausreise angesichts der Unechtheit der vorgelegten Gerichtsurkunden für nicht glaubwürdig und traf insoweit negative Feststellungen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer im Iran habe taufen lassen, was im Wesentlichen auf die Unechtheit der als Beweismittel vorgelegten Bestätigung gegründet wurde.
Weiters stellte die belangte Behörde fest, in Österreich sei der Beschwerdeführer "zum Schein" vom Islam zum Christentum konvertiert. Iranische Staatsangehörige, die bloß zum Schein vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert seien, hätten im Falle ihrer Rückkehr "mit keinen Problemen" zu rechnen. Ein im Ausland vollzogener Glaubenswechsel werde von den iranischen Machthabern prinzipiell als "technische", auf die Asylanerkennung ausgerichtete Handlung angesehen, sofern nicht ein "wirklicher" Glaubenswechsel vorliege. Die im Iran weit verbreitete Praxis der "Taqieh", nach der die Täuschung zur Erreichung eines bestimmten Zweckes erlaubt sei, zeige sich sehr großzügig gegenüber einer Täuschung, um zum Beispiel in einem westlichen Land Asyl zu bekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Verwaltungsgerichtshof hegt keinerlei Bedenken gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Gründe für seine Ausreise aus dem Iran und seine angebliche Taufe durch die assyrisch-chaldäische Kirche in Teheran. Insoweit sich die Beschwerde gegen diese Beweiswürdigung wendet, zeigt sie keine Unstimmigkeiten auf, die zur Aufhebung des Bescheides führen könnten.
Mit Recht bemängelt die Beschwerde hinsichtlich des geltend gemachten Nachfluchtgrundes aber die Beweiswürdigung in Bezug auf die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in Österreich nur zum Schein vom Islam zum Christentum konvertiert, und kritisiert im Ergebnis zutreffend die Einschätzung, die vom Beschwerdeführer vollzogene Taufe würde auch von den iranischen Behörden als Scheinkonversion betrachtet werden und führe daher nicht zu asylrelevanter Verfolgungsgefahr.
Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass einige von ihr herangezogene Gesichtspunkte tatsächlich für das Vorliegen einer sogenannten "Scheinkonversion" sprechen könnten, so etwa dass im Hinblick auf die Unglaubwürdigkeit der Behauptungen zur Taufe im Iran auch das Vorbringen des Beschwerdeführers "zusammenbreche", wonach sein Interesse für den christlichen Glauben schon in seinem Heimatland bestanden und in eine Taufe im Iran gemündet habe, und dass der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung nur ganz allgemeine Gründe für sein (in Österreich entwickeltes) Interesse am Christentum nennen konnte. Damit allein lässt sich aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten des Beschwerdeführers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien. Für eine solche Einschätzung hätte es auch einer konkreten Auseinandersetzung mit den Angaben des erwähnten Zeugen bedurft, der schon in Bezug auf die Taufvorbereitung äußerte, dass man sehr streng sei, sehr viel verlange und diese ein Jahr gedauert, sehr intensive Arbeit (mindestens einmal in der Woche, oft auch am Wochenende) erfordert und der Beschwerdeführer "von Anfang voll mitgetan" habe. Während des erwähnten internationalen Glaubenskurses lebe man für ein Jahr in einem Haus zusammen und studiere sehr intensiv. Bei dem genannten Fernkurs für Katechisten sei der Beschwerdeführer im 4. Semester und stehe vor den Abschlussprüfungen, bei deren Absolvierung der Beschwerdeführer berechtigt sei, Erwachsene auf die Taufe vorzubereiten. Das sei ein beim Laienapostolat anzusiedelndes Ehrenamt. Der Zeuge habe einen "positiven" Eindruck vom Beschwerdeführer, er habe "immer überall mitgefeiert", habe sich sehr engagiert und seinen Glauben auch öffentlich bekannt. Die fehlende Ernsthaftigkeit in Bezug auf dieses Engagement ("... die gesamte aktive Einbindung in die Gesellschaft der röm.katholischen Kirche würde als subtile Anbiederung erscheinen, um in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erlangen") lässt sich vor dem Hintergrund dieser Beschreibung schlüssig aber auch nicht mit einem von der belangten Behörde - wegen der Berufung auf gefälschte Urkunden - konstatierten "nur gewissen Intelligenzniveau" und "negativen Charakterbild" begründen. Vielmehr hätte die belangte Behörde nicht nur - wie erwähnt - eine nähere Beurteilung der Angaben des genannten Zeugen vornehmen, sondern auch den Beschwerdeführer konkret zu seinen religiösen Aktivitäten befragen und diese Ermittlungsergebnisse in die Gesamtbetrachtung einbeziehen müssen.
Weiters ist zu bemängeln, dass sich die belangte Behörde zur Stützung der Feststellungen über die Folgenlosigkeit einer bloß zum Zwecke der Asylerlangung vorgenommenen Konversion lediglich ganz allgemein auf näher angeführte Länderberichte stützte, ohne die konkreten Stellen in den umfangreichen Konvoluten näher zu bezeichnen oder deren Inhalt wiederzugeben. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, das "angeführte Länderdokumentationsmaterial" weise in Bezug auf die "gegenständlich entscheidende Frage der Konvertierung" keine Widersprüche auf, ist an Hand der vorliegenden Bescheidbegründung nicht überprüfbar. Überdies erfolgte auch der diesbezügliche Vorhalt gegenüber dem Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Oktober 2003 nur ganz allgemein unter Hinweis auf das "Länderdokumentationsmaterial" und ohne Protokollierung einer diesbezüglichen Erklärung des Beschwerdeführers (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 2004, Zl. 2001/20/0531; siehe auch allgemein zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Verfolgungsgefahr im Iran wegen Glaubenswechsels die Nachweise in diesem Erkenntnis und im Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2003/20/0544).
Jede Begründung bleibt die belangte Behörde aber vor allem auch dafür schuldig, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass auch die iranischen Behörden den Glaubenswechsel des Beschwerdeführers - trotz des erwähnten umfangreichen Engagements in der katholischen Kirche in Österreich - als bloße "Scheinkonversion" ansehen würden. Davon, dass die iranischen Behörden vom Glaubenswechsel des Beschwerdeführers und seinem christlichen Engagement bei einer Rückkehr in den Iran keine Kenntnis erlangen werden, ist die belangte Behörde aber nicht ausgegangen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. Juni 2006
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004200288.X00Im RIS seit
04.08.2006