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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der B, vertreten durch Mag. W, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 14. März 2006, Zl. Senat-AB-05-0150, betreffend Betriebsanlagengenehmigung (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. A H,
vertreten durch H S & Partner Rechtsanwälte GmbH; 2. Dr. W H,
vertreten durch H S & Partner Rechtsanwälte GmbH; 3. P A; 4. B A;
5.
A B; 6. F B; 7. H B; 8. E B; 9. B B; 10. G B; 11. K B; 12. M B;
13.
N B; 14. S B; 15. R B; 16. L D; 17. S D; 18. H F; 19. E F;
20.
J F; 21. D F; 22. R G; 23. J G; 24. A G; 25. des L G, vertreten durch Mag. J, Rechtsanwalt ; 26. E K; 27. W K; 28. E K jun.; 29. W N; 30. I K; 31. B K; 32. C K; 33. I K; 34. U K; 35. R K; 36. K M; 37. M M; 38. B M; 39. O M; 40. M X; 41. A N; 42. G N;
43.
W P; 44. K R; 45. F R; 46. H R; 47. K S; 48. E S; 49. H S;
50.
W B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt), erhobenen und zur hg. Zl. 2006/04/0067 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom 20. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführerin die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage an einem näher bezeichneten Standort erteilt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erstinstanzliche Behörde zurück. Begründend führte sie (zusammengefasst) aus, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Mitbeteiligten Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 seien, weil sie jedenfalls innerhalb einer Entfernung von 2 km wohnhaft seien. Sie hätten jedoch keine Einwendungen bis zum Tag vor der mündlichen Verhandlung bei der Behörde oder bei der Verhandlung selbst erhoben, sodass zunächst die Frage zu klären sei, ob sie nicht bereits die Parteistellung auf Grund der Präklusionswirkung des § 42 AVG verloren hätten. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den 29. November 2004 sei an der Amtstafel der Gemeinde Waidhofen an der Thaya kundgemacht, und zwar am 22. November 2004 angeschlagen und am 29. November 2004, dem Tag der Verhandlung abgenommen worden. Die Kundmachung sei somit lediglich sieben Tage erfolgt. Die Dauer der Kundmachung erscheine der belangten Behörde als nicht ausreichend lang, um die Präklusionsfolgen im Sinne des § 42 AVG auszulösen, weshalb die Mitbeteiligten nach wie vor Parteien des Verfahrens und ihre Berufungen daher zulässig seien. Im Beschwerdefall sei nach Ansicht der belangten Behörde jedenfalls die Notwendigkeit zu einer neuerlichen mündlichen Verhandlung gegeben, weil es im fortgesetzten Verfahren - bei Aufrechterhaltung des Antrages im derzeitigen Umfang - notwendig sein werde, dass seitens des luftreinhaltetechnischen Amtsachverständigen eine Beurteilung der gesamten Anlage und deren Auswirkungen erfolge. Ebenso werde seitens der erstinstanzlichen Behörde ein lärmtechnischer Amtsachverständiger zur Prüfung der Schlüssigkeit des Projektes beizuziehen sein. Sodann werde eine abschließende humanmedizinische Beurteilung des Projektes und dessen Auswirkungen auf die Wohnnachbarschaft zu erfolgen haben. Wegen der Erforderlichkeit der Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung unter Beiziehung der genannten Sachverständigen und der Parteien sei daher nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen gewesen.
2. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Darin wird vorgebracht, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Auf Grund der vorliegenden Amtsgutachten werde die Genehmigung für die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage jedenfalls erteilt werden. Durch die nunmehrige ersatzlose Behebung würde sich dies so lange Zeit hinauszögern, dass die Beschwerdeführerin um Subventionen in der Höhe von 1 bis 1,3 Mio. Euro umfallen und die aufgelaufenen Projektkosten in Höhe von ca. EUR 150.000,-- nutzlos würden. Diese Einbuße wäre für das Unternehmen der Beschwerdeführerin ruinös. Auch fiele für die Landwirtschaft in dieser Region eine gesicherte Einnahmequelle hinsichtlich eines Teiles ihrer Produktion weg. Das Ökostromgesetz sehe für Anlagen, die bis Ende 2004 genehmigt worden seien und bis Ende 2007 in Betrieb gingen, vor, dass diese in den Genuss der "alten" Einspeiseregelung kämen. Seit 1. Jänner 2005 gebe es keine gültige Einspeiseregelung.
Die belangte Behörde spricht sich in ihrer Gegenschrift gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung aus, eine inhaltliche Beurteilung der tatsächlichen Gefährdung bzw. Belästigung der Parteien sei nicht erfolgt.
Der Erst- und die Zweitmitbeteiligte sowie der Fünfundzwanzigst- und der Fünfzigstmitbeteiligte sprechen sich in ihren Stellungnahmen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und bringen mit näherer Begründung vor, der bekämpfte Bescheid sei einer aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich und es könne mit der aufschiebenden Wirkung nach ständiger Rechtsprechung niemals mehr erreicht werden als mit der Beschwerde selbst.
3. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof einer an ihn gerichteten Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Bei der Entscheidung über einen auf § 30 Abs. 2 VwGG gestützten Antrag einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch nicht zu prüfen. Vielmehr ist in diesem Stadium des Verfahrens auf der Grundlage des Bescheides zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegeben sind.
4. Entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Parteien ist der angefochtene Bescheid einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich:
Gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Bescheides über die Berufung gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber.
Mit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hatte die Beschwerdeführerin demnach das Recht, die Anlage entsprechend dem noch nicht rechtskräftigen Genehmigungsbescheid zu errichten und zu betreiben. Dieses Recht hat mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides geendet. Mit diesem Bescheid sind daher Wirkungen verbunden, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden können. Die Vollzugstauglichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG ist daher zu bejahen.
Auch durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird die Beschwerdeführerin nicht besser gestellt als im Falle des Obsiegens im Beschwerdeverfahren, befindet sich doch nach Aufhebung des Berufungsbescheides die Rechtssache wieder im Stadium des Berufungsverfahrens, in dem sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Errichtung und des Betriebes wiederum auf § 78 Abs. 1 GewO 1994 berufen kann.
Da ein unverhältnismäßiger Nachteil der Beschwerdeführerin nach dem Antragsvorbringen anzunehmen ist, war dem Antrag stattzugeben.
Wien, am 29. Juni 2006
Schlagworte
Begriff der aufschiebenden Wirkung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht Entscheidung über den Anspruch Unverhältnismäßiger Nachteil VollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:AW2006040020.A00Im RIS seit
29.08.2006