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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der politischen Partei "Liste Dr. H - Für echte Kontrolle in Brüssel", vertreten durch Dr. Ernst Denk und Dr. Günther Kaufmann¸ Rechtsanwälte in 1010 Wien, Teinfaltstraße 4/8, gegen die Erledigung des Bundeskanzlers vom 15. Februar 2006, Zl. BKA-610.004/0002-V/4/2006, betreffend Förderung nach dem Parteiengesetz, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen das nachstehend wiedergegebene Schreiben der belangten Behörde vom 15. Februar 2006 und wurde ihrem Inhalt nach "aus Gründen der Vorsicht" für den Fall erhoben, dass der Verwaltungsgerichtshof "wider Erwarten von der Bescheidqualität" dieses Schreibens ausgeht:
"An die politische Partei
'Liste Dr. H. ..........'
zH D. .... Rechtsanwälte GmbH
..........
1010 Wien
Per e-mail: ............
Betrifft: Politische Partei 'Liste Dr. H .......'
Rückforderung von nicht für Wahlwerbungskosten verwendeten
Fördermittel
Sehr geehrter Herr Dr. D.!
Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 15. Dezember 2005 weisen wir noch ein weiteres Mal ausdrücklich darauf hin, dass der Wahlwerbungskosten-Beitrag nur für den Zweck der Deckung der Wahlwerbungskosten der politischen Partei - im Konnex mit der Wahl stehen muss - und nicht für andere Zwecke verwendet werden darf ('widmungsgemäße Verwendung').
Mit Schreiben vom 26. September 2005 sowie ergänzend mit Schreiben vom 18. Jänner 2006 erging die Bestätigung der Wirtschaftsprüfer über die widmungsgemäße Verwendung von Fördermittel nach § 4 Abs. 2 PartG in Höhe von EUR 439.950,94 für das Jahr 2004. Der zum 31. Dezember 2004 festgestellte Saldo nicht verbrauchter Fördermittel für Wahlwerbungskosten nach § 2b PartG beträgt EUR 1.054.054,70.
Hiermit ergeht daher die Aufforderung an Ihre Mandantschaft, den verbleibenden Förderbetrag in Höhe von EUR 1.054.054,70 abzüglich eventueller noch im Jahr 2005 angefallener Kosten, die notwendigerweise im Zusammenhang mit der Wahl zum Europäischen Parlament stehen müssen (§§ 2b und 2a Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 PartG), an das Bundeskanzleramt (PSK, BLZ 60000, Kto.Nr. 5010057) unter Angabe der obigen Geschäftszahl zu überweisen.
15. Februar 2006
Für den Bundeskanzler:
........ "
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Die mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Erledigung ist nicht als Bescheid bezeichnet und ist auch nicht in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Es ist daher zunächst die Frage zu beantworten, ob trotz fehlender Bezeichnung der angefochtenen Erledigung als Bescheid vom Vorliegen eines Bescheides auszugehen ist. Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, VwSlg. Nr. 9458/A, und dem folgend etwa die Beschlüsse vom 18. November 2003, Zl. 2003/03/0085, vom 24. März 2004, Zl. 2004/12/0035, vom 20. April 2004, Zl. 2004/11/0060, und vom 21. Februar 2005, Zl. 2004/11/0132) kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. Ergibt sich aus dem Wortlaut der behördlichen Erledigung, insbesondere aus der Verwendung der verba legalia der Verfahrensgesetze und der Verwaltungsvorschriften für jedermann eindeutig, dass ein rechtsverbindlicher Abspruch vorliegt, dann ist ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid ein solcher als gegeben anzunehmen. Insbesondere in jedem Fall, in dem der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich.
Gemessen an dieser Rechtsprechung kann jedenfalls die im ersten Absatz der angefochtenen Erledigung in Form eines Hinweises zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Wahlwerbungskosten-Beitrag nur für den Zweck der Deckung der Wahlwerbungskosten verwendet werden dürfe, nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG angesehen werden.
Im letzten Absatz der vorliegenden Erledigung erging "die Aufforderung" an die Beschwerdeführerin, den verbleibenden Förderbetrag auf ein näher bezeichnetes Konto der belangte Behörde zu überweisen. Dieser Aufforderung käme im Sinne der zitierten Rechtsprechung nur dann ein normativer Inhalt zu, wenn ihr in einer für jedermann erkennbaren Weise eindeutig entnommen werden könnte, dass die Beschwerdeführerin damit zur Erbringung der geforderten Leistung verpflichtet wird. Dies trifft im vorliegenden Fall aber schon mangels Präzisierung des Leistungsgegenstandes nicht zu. Zwar wurde im in Rede stehenden Absatz der angefochtenen Erledigung ein Geldbetrag ziffernmäßig genannt, doch handelt es sich dabei nicht um den von der Beschwerdeführerin zu überweisenden Betrag, weil sich dieser erst "abzüglich eventueller noch im Jahr 2005 angefallener Kosten" (die nach dem gegenständlichen Schreiben außerdem noch auf ein weiteres Kriterium zu prüfen seien) bestimme.
Da die angefochtene, nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung nach dem Gesagten keinen rechtsverbindlichen Abspruch enthält und schon deshalb ohne Zweifel nicht als Bescheid anzusehen ist, war auf weitere gegen eine normative Willenserklärung sprechende (Form-)Merkmale dieser Erledigung (vgl. etwa zu einleitenden Höflichkeitsfloskeln den bereits zitierten hg. Beschluss Zl. 2004/12/0035) nicht mehr einzugehen.
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Vorliegens eines tauglichen Beschwerdegegenstandes zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Juni 2006
Schlagworte
Einhaltung der FormvorschriftenBescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinBescheidbegriff Mangelnder BescheidcharakterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006040041.X00Im RIS seit
29.08.2006Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011