TE OGH 1997/4/2 1R126/97v

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Veröffentlicht am 02.04.1997
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Kopf

Das Handelsgericht hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Mag. Dr. Wanke-Czerwenka und Dr. Hinek in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wider die beklagte Partei L*****, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in 4600 Wels, wegen S 41.520,-- samt Nebengebühren über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 18.2.1997, GZ 7 C 3556/96h-8, in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Zustellung des am 17.12.1996 erlassenen Zahlungsbefehls wurde an der Anschrift 1030 Wien, K*****straße 9 vorgenommen. Die Übernahmsbestätigung laut Rückschein erfolgte unter Verwendung der Firmenstampiglie der Beklagten durch Petra P***** mit Datum 20.12.1996, wobei das Verhältnis zum Adressaten mit "Postbevollmächtigter für Rsa-Briefe" angegeben wurde.

Mit Eingabe vom 15.1.1997 beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie brachte dazu vor, daß sie davon ausgehen müsse, daß eine wirksame Zustellung des Zahlungsbefehls nicht erfolgt sei, weil die Zustellung nicht an einen der Geschäftsführer oder Prokuristen der Beklagten vorgenommen worden sei. Sollte man aber von einer wirksamen Zustellung ausgehen, so sei die Frist aufgrund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses versäumt worden. Der Zahlungsbefehl sei von der Filiale in Wien an die Zentrale in Wels zur Bearbeitung weitergeleitet worden. Die dafür zuständige Angestellte Ingrid N***** habe die entsprechenden Vorarbeiten durchgeführt, wozu auch gehört habe, den Zahlungsbefehl samt Unterlagen in den Ordner zu geben, damit die Einspruchsfrist eingehalten werden könne. Aus Versehen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Weihnachtstrubel habe sie die Unterlagen nicht in den Ordner für die noch im Dezember zu erledigenden Angelegenheiten gegeben, sondern in denjenigen für die dritte Woche 1997. In dieser finde unter anderem eine Gewerberechtsverhandlung statt, für die Ingrid N***** die entsprechenden Unterlagen vorzubereiten und daher ordnungsgemäß in den Vorordner einzulegen hatte. Als der zuständige Sachbearbeiter der beklagten Partei die Unterlagen in diesem Vorordner am 14.1.1997 durchgesehen habe, habe er festgestellt, daß sich darin auch der gegenständliche Zahlungsbefehl samt Unterlagen befunden habe. Sofort sei der ausgewiesene Vertreter der Beklagten verständigt worden. Die Angestellte Ingrid N***** sei seit längerer Zeit bei der Beklagten tätige verläßliche Fachkraft, wobei es bisher keine Beanstandungen gegeben habe. Sie habe derartige Angelegenheiten immer ordnungsgemäß erledigt, sodaß auch keine Fristversäumnisse oder dergleichen erfolgten. Wenn überhaupt, so sei nur von einem minderen Grad des Versehens auszugehen, wobei dies sicherlich auf die Hektik im Zusammenhang mit der Vorweihnachtszeit zurückzuführen sei.

Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich die Beklagte auf die beigelegte eidesstättische Erklärung der Ingrid N***** vom 14.1.1997 sowie auf die Vernehmung der Auskunftspersonen Ingrid N***** und Georg K*****.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens ab, dies im wesentlichen mit der Begründung, daß ein Vorbringen zum Bestehen von Organisations- oder Überwachungsmaßnahmen im Unternehmen der Beklagten nicht erstattet worden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß dem Wiedereinsetzungsantrag Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Rekurswerberin erklärt, die Feststellung zu bekämpfen, wonach der Zahlungsbefehl am 20.12.1996 an den Postbevollmächtigten für Rsa-Briefe zugestellt wurde. Dies mit der Behauptung, daß Petra P***** zur Entgegennahme von Zustellungen nicht bevollmächtigt gewesen sei. Sollte man dennoch davon ausgehen, daß die Zustellung rechtswirksam erfolgt sei, so liege ein gerechtfertigter Wiedereinsetzungsgrund vor. Von einem Organisationsverschulden könne keine Rede sein. Es handle sich lediglich um ein Mißgeschick, jedenfalls sei höchstens von einem minderen Grad des Versehens auszugehen. Schließlich erblickt die Rekurswerberin einen Verfahrensmangel darin, die Zeugen K***** und N***** nicht einvernommen wurden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Rekurswerberin die Gesetzwidrigkeit des Zustellvorgangs geltend macht und hiezu im Rekurs ausführt, daß Petra P***** zur Entgegennahme von Rsa-Briefen nicht bevollmächtigt gewesen ist, ist ihr entgegen zu halten, daß wegen eines gesetzwidrigen Zustellvorgangs die Wiedereinsetzung nicht beantragt werden kann (MGA ZPO E. 8 zu § 146).Soweit die Rekurswerberin die Gesetzwidrigkeit des Zustellvorgangs geltend macht und hiezu im Rekurs ausführt, daß Petra P***** zur Entgegennahme von Rsa-Briefen nicht bevollmächtigt gewesen ist, ist ihr entgegen zu halten, daß wegen eines gesetzwidrigen Zustellvorgangs die Wiedereinsetzung nicht beantragt werden kann (MGA ZPO E. 8 zu Paragraph 146,).

Zu den übrigen von der Beklagten geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen ist vorauszuschicken, daß es auf das Verschulden Dritter, somit der Angestellten Ingrid N*****, generell nicht ankommt, vielmehr lediglich auf das Verschulden der Partei selbst (Frauenberger, Wiedereinsetzung in ÖJZ 1992, 116). Das Versehen eines Dienstnehmers, der nicht Organ ist, kann jedoch dann auf die Partei durchschlagen, wenn diese bei der Auswahl ihres Mitarbeiters für den konkreten Aufgabenbereich grob fahrlässig vorgegangen ist oder wenn die Partei ihre Überwachungspflicht grob fahrlässig vernachlässigt hat (hg 1 R 569/93, 1 R 252/93 mwN). Im Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten fehlt jedoch jegliches Vorbringen darüber, inwieweit die Organe der Beklagten durch Überwachung sichergestellt haben, daß die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen zum Zwecke der fristgerechten Erledigung von behördlichen Angelegenheiten, hier der Einhaltung von Einspruchsfristen auch beachtet und eingehalten werden (vgl. hg 1 R 569/93, 1 R 252/93). Offen bleibt auch, ob und inwieweit die Angestellte Ingrid N***** über die Bedeutung von Zahlungsbefehlen und die Maßgeblichkeit der Fristwahrung instruiert wurde. Dies wäre um so wesentlicher gewesen, als es nach dem dargestellten Organisationssystem der Beklagten der Angestellten oblag, die zu bearbeitenden Unterlagen in entsprechende "Vorordner" zu geben, somit selbst die Einspruchsfrist zu beachten. Gerade der Umstand, daß es geschehen konnte, daß der Zahlungsbefehl samt Unterlagen mit ganz anderen, verwaltungsbehördliche Unterlagen in einen hiefür nicht bestimmten Vorordner eingelegt wurde, läßt darauf schließen, daß die Angestellte die wesentlichste Maßnahme zur Fristwahrung allein ergreifen mußte. Der Wiedereinsetzungsantrag läßt nämlich ein Vorbringen betreffend die Unterwerfung der Angestellten unter geeignete Kontrollmechanismen (vgl. hg 1 R 333/94) vermissen.Zu den übrigen von der Beklagten geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen ist vorauszuschicken, daß es auf das Verschulden Dritter, somit der Angestellten Ingrid N*****, generell nicht ankommt, vielmehr lediglich auf das Verschulden der Partei selbst (Frauenberger, Wiedereinsetzung in ÖJZ 1992, 116). Das Versehen eines Dienstnehmers, der nicht Organ ist, kann jedoch dann auf die Partei durchschlagen, wenn diese bei der Auswahl ihres Mitarbeiters für den konkreten Aufgabenbereich grob fahrlässig vorgegangen ist oder wenn die Partei ihre Überwachungspflicht grob fahrlässig vernachlässigt hat (hg 1 R 569/93, 1 R 252/93 mwN). Im Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten fehlt jedoch jegliches Vorbringen darüber, inwieweit die Organe der Beklagten durch Überwachung sichergestellt haben, daß die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen zum Zwecke der fristgerechten Erledigung von behördlichen Angelegenheiten, hier der Einhaltung von Einspruchsfristen auch beachtet und eingehalten werden vergleiche hg 1 R 569/93, 1 R 252/93). Offen bleibt auch, ob und inwieweit die Angestellte Ingrid N***** über die Bedeutung von Zahlungsbefehlen und die Maßgeblichkeit der Fristwahrung instruiert wurde. Dies wäre um so wesentlicher gewesen, als es nach dem dargestellten Organisationssystem der Beklagten der Angestellten oblag, die zu bearbeitenden Unterlagen in entsprechende "Vorordner" zu geben, somit selbst die Einspruchsfrist zu beachten. Gerade der Umstand, daß es geschehen konnte, daß der Zahlungsbefehl samt Unterlagen mit ganz anderen, verwaltungsbehördliche Unterlagen in einen hiefür nicht bestimmten Vorordner eingelegt wurde, läßt darauf schließen, daß die Angestellte die wesentlichste Maßnahme zur Fristwahrung allein ergreifen mußte. Der Wiedereinsetzungsantrag läßt nämlich ein Vorbringen betreffend die Unterwerfung der Angestellten unter geeignete Kontrollmechanismen vergleiche hg 1 R 333/94) vermissen.

Auch mit ihrem Hinweis auf die vorweihnachtliche Hektik ist der Beklagten nicht geholfen, hat doch die Organisation und das Kontrollsystem der Beklagten sicherzustellen, daß gerade auch in der Zeit des in einem Handelsbetrieb zu erwartenden Weihnachtstrubels maßgebliche Fristen gewahrt werden.

Das Erstgericht ist folglich zutreffend davon ausgegangen, daß ein hinlängliches Vorbringen der Beklagten zu einer Organisations- und Kontrollstruktur, die die Wahrung auch gerichtlicher Fristen durch entsprechende Einschulung, Kontrolle und Überwachung der Mitarbeiter gewährleistet und somit geeignet ist, Fristversäumungen wie die gegenständliche zu vermeiden, nicht erstattet wurde. Die Behauptung eines Organisationssystems, das der Angestellten auch bei gerichtlichen Schriftstücken allein die Berechnung und Beachtung der entsprechenden Fristen, sowie die Einordnung in den entsprechenden Vorordner überläßt, ist nicht hinreichend, wenn nicht zugleich eine entsprechende Kontrolle und Überwachung der Tätigkeit der Mitarbeiter, etwa durch Einrichtung eines Terminkalenders und dessen regelmäßige Kontrolle behauptet wird.

Ist aber dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen, daß der Beklagten überhaupt das Bestehen seiner diesbezüglichen Pflichten erkannt und entsprechende Vorkehrungen getroffen hat, ist der Antrag sofort abzuweisen, ohne daß entsprechende Erhebungen durchzuführen gewesen wären (hg 1 R 429/92). Es wäre Sache der Beklagten gewesen, im Antrag alle denselben begründenden Umstände anzuführen (hg 1 R 328/92). Im Antrag ungenannt bleibende Umstände sind nicht zu beachten und können auch nicht durch die Aussage von Auskunftspersonen nachgeholt werden (hg 1 R 703/94; 1 R 563/94). In der unterbliebenen Einvernahme des Georg K***** und der Ingrid N***** als Auskunftspersonen ist somit auch kein Verfahrensmangel zu erblicken.

Soweit das Vorbringen der Beklagten in ihrem Rekurs über jenes im Wiedereinsetzungsantrag hinausgeht, widerspricht es dem auch im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbot (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 Vor § 461).Soweit das Vorbringen der Beklagten in ihrem Rekurs über jenes im Wiedereinsetzungsantrag hinausgeht, widerspricht es dem auch im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbot (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 Vor Paragraph 461,).

Ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Einspruchsfrist vor Zustellung des Zahlungsbefehls müßte zur Zurückweisung des Antrages führen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 2 vor § 146; MietSlg 21.797). Da dem Rekurs - wie oben dargestellt - der Erfolg jedenfalls zu verwehren war, erübrigt es sich jedoch, im Zuge des Rechtsmittelverfahrens die Behauptungen der Beklagten, wonach entgegen vorliegender Postauskunft eine Postvollmacht der Übernehmerin für Rsa-Briefe nicht gegeben ist, einer weiteren Überprüfung zu unterziehen; dies auch im Hinblick darauf, daß die Rekurswerberin den mit ihrem Rekurs erhobenen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls lediglich eventualiter gestellt hat.Ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Einspruchsfrist vor Zustellung des Zahlungsbefehls müßte zur Zurückweisung des Antrages führen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 2 vor Paragraph 146 ;, MietSlg 21.797). Da dem Rekurs - wie oben dargestellt - der Erfolg jedenfalls zu verwehren war, erübrigt es sich jedoch, im Zuge des Rechtsmittelverfahrens die Behauptungen der Beklagten, wonach entgegen vorliegender Postauskunft eine Postvollmacht der Übernehmerin für Rsa-Briefe nicht gegeben ist, einer weiteren Überprüfung zu unterziehen; dies auch im Hinblick darauf, daß die Rekurswerberin den mit ihrem Rekurs erhobenen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls lediglich eventualiter gestellt hat.

Die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung obliegt dem Erstgericht (§ 7 Abs 3 EO).Die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung obliegt dem Erstgericht (Paragraph 7, Absatz 3, EO).

Rekurskosten wurden zutreffend nicht verzeichnet (§ 154 ZPO).Rekurskosten wurden zutreffend nicht verzeichnet (Paragraph 154, ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO.Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer eins und 2 ZPO.

Anmerkung

EWH00011 01R01267

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00007:1997:00100R00126.97V.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19970402_LG00007_00100R00126_97V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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