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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des Ing. H S in M, vertreten durch Ferner Hornung und Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Niederösterreich vom 20. Juni 2005, Senat-KO-04-0014, betreffend Übertretung nach dem AWG 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher und abfallrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH mit Sitz in xxxx P im Verwaltungsbezirk S.
Diese Gesellschaft ist u.a. zur Entsorgung gefährlicher Abfälle befugt und hat von 2001 bis 2003 für die C-GmbH den Transport von Trockenbatterien vom RWA-Lager in Korneuburg nach Wien-Simmering durchgeführt. Die Transporte erfolgten durch die Verwendung flüssigkeitsdichter und mit einer Abdeckplane verschlossener Absetzmulden, wobei die Beladung der Mulden nicht von der S-GmbH selbst durchgeführt wurde, sondern diese lediglich bereits beladene abgedeckte Absetzmulden über vorherige Anforderung der C-GmbH nach Wien transportierte. Die meisten dieser Transporte wurden von Bruno L., einem Mitarbeiter der S-GmbH, durchgeführt.
Nach eigenen Angaben hat Bruno L. den Inhalt der beladenen Mulden niemals selbst kontrolliert, sondern die Abdeckplanen immer erst am Zielort aufgeschnitten und entsorgt, da aufgrund der festen Verzurrung ein beschädigungsloses Öffnen und Wiederverschließen der Planen am Abholort in Korneuburg nur unter erheblichem Aufwand möglich gewesen wäre.
Am 30. April 2003 hat Bruno L. zwei bereits vollständig befüllte und mit Planen abgedeckte Absetzmulden vom Lager in Korneuburg zur Beförderung nach Wien-Simmering abgeholt. Da die Abdeckplanen undicht waren, hatten sich die beiden Mulden knapp unter die Oberkante mit Regenwasser gefüllt, was beim Transport zu einem Überschwappen des Wassers auf die Fahrbahn führte. Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde der LKW auf der A 22 angehalten und anschließend auf dem Parkplatz bei der Betriebsumkehr Langenzersdorf, bei Straßenkilometer 11,930 vorläufig abgestellt.
Aus dem Bericht des beigezogenen Organs der Gewässeraufsicht ergibt sich dass das überschwappende Wasser einen pH-Wert von 10,0 bei 23 Grad C und eine Leitfähigkeit von 80 ms/cm aufwies und mit sehr hohen Schwermetallkonzentrationen im Wasser zu rechnen sei. Eine Weiterfahrt durfte daher erst nach Abpumpung des Wassers erfolgen.
Nachdem das zunächst gegen Bruno L. eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 2003 eingestellt worden war, weil Bruno L. als Lenker nicht unmittelbarer Täter sei, sondern der zur Vertretung nach außen Berufene der juristischen Person, die als Transporteur aufscheine, wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH) vom 17. November 2003 aufgefordert, sich zu dem oben beschriebenen Vorfall zu rechtfertigen.
Mit Straferkenntnis der BH vom 21. April 2004 wurde dem Beschwerdeführer sodann zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH zu verantworten, dass mit einem näher bezeichneten LKW-Zug am 30. April 2003 um 11:30 Uhr in den Gemeindegebieten Korneuburg und Langenzersdorf auf der A 22 in Fahrtrichtung Wien bis Straßenkilometer 11,930 gefährliche Abfälle (ca. 12.000 kg Batterien, Schlüsselnummer 35338) entgegen § 15 Abs. 1 AWG 2002 befördert worden seien, indem die mit Trockenbatterien beladene Mulde bis ca. 10 cm unter der Oberkante mit Wasser gefüllt gewesen sei, welches einen pH-Wert von 10,0 bei 23 Grad C und eine Leitfähigkeit von 80 ms/cm aufgewiesen habe und während des Transportes auf die Fahrbahn geschwappt sei. Er habe daher gegen § 79 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 AWG 2002 verstoßen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 79 Abs. 1 AWG 2002 eine Geldstrafe von EUR 3.630,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) verhängt.
Der Beschwerdeführer berief.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe selbst gegenüber den eingesetzten Fahrern keine Anordnungen und Kontrollen vorgenommen. Am Standort P sei Herbert R. Gefahrgutbeauftragter gewesen, zu dessen Aufgabengebiet auch die Unterweisung der Lenker hinsichtlich der einzuhaltenden Bestimmungen und Verhaltensweisen zähle. Entsprechende schriftliche und mündliche Anweisungen seien halbjährlich erteilt worden; zusätzlich habe es auch Fahrerbesprechungen gegeben. Hauptdienstort des Herbert R. im maßgeblichen Zeitraum sei ein weiterer Unternehmensstandort in W gewesen, wo er fallweise die vorschriftsmäßige Ladungssicherung bei der Anlieferung nicht gefährlicher Abfälle zum W Unternehmensstandort kontrolliert habe.
Einmal pro Jahr und bei Einstellung eines neuen Fahrers seien alle Dokumente (Führerschein, Gefahrengutlenkerausweis, etc.) kopiert und aufbewahrt worden. Ein neuer Fahrer werde etwa eine Woche von einem erfahrenen Kraftfahrer begleitet, der ihn über alle Belange der Fahrzeughandhabung, Ausfüllung der Frachtpapiere und Firmenabläufe informiere. Weiters befinde sich in jedem Fahrzeug eine eigene Mappe, in der die Rechte und Pflichten des Lenkers, der Umgang mit Kunden und fahrzeugspezifische Unterlagen enthalten seien. Im Falle der Nichtbefolgung von Anordnungen würden mündliche oder schriftliche Ermahnungen, bei schwerwiegenden Verstößen die Entlassung ausgesprochen.
Hinweise, dass seitens der Unternehmensleitung eine Anordnung an die Fahrer dahingehend bestanden habe, bei der Abholung der Mulden den Inhalt zu kontrollieren, gebe es nicht.
Rechtlich zog die belangte Behörde den Schluss, beim Überschwappen von verunreinigtem Wasser aus den transportierten Mulden auf die Fahrbahn handle es sich um eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sämtliche Fahrer seien im Besitz der ADR-Lenkerberechtigung und durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sei sichergestellt, dass alle Fahrer hinsichtlich der einzuhaltenden Vorschriften ausreichend unterwiesen und kontrolliert seien, erweise sich als nicht berechtigt.
Von einer wirksamen Exkulpierung des Beschwerdeführers könne nur dann gesprochen werden , wenn die Fahrer die Anweisung gehabt hätten, trotz fertig verzurrter Planen eine Kontrolle dahingehend durchzuführen, ob tatsächlich nur die in den Transportunterlagen angeführten Gegenstände in der Mulde enthalten seien oder allfälliges zusätzliches und unzulässiges Material. Überdies wäre die Einrichtung eines Kontrollsystems erforderlich gewesen, auf Grund dessen erwartet hätte werden dürfen, dass sämtliche Fahrer diese Anweisung tatsächlich befolgten und auf Grund der praktischen Gegebenheiten auch befolgen könnten.
Ausgehend von den Aussagen des Zeugen Bruno L., die stark verzurrten Planen immer erst am Zielort aufgeschnitten zu haben, und des Herbert R., sich nicht zu erinnern, ob eine Anordnung an die Fahrer dahingehend bestanden habe, beim Abholen der Mulden die Plane zu öffnen und den Inhalt zu kontrollieren, sei klar gestellt, dass kein Nachweis für eine derartige Anordnung an die Fahrer vorliege, geschweige denn ein wirksames Kontrollsystem für das Verhalten bei der Übernahme der Mulden.
Zum Berufungsvorbringen, dass der Beschwerdeführer entgegen § 44 a VStG als handelsrechtlicher und nicht als abfallrechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen worden sei, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die Eigenschaft, in der jemand verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werde, auf Grund des unmissverständlichen Gesetzestextes kein Tatbestandsmerkmal sei und daher auch nach Ablauf der Strafverfolgungsverjährungfrist korrigiert werden dürfe.
Die von der Berufung in Frage gestellte Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafbehörde bejahte die belangte Behörde schließlich damit, dass es sich bei § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 um ein Begehungsdelikt handle, im gegenständlichen Fall die Mulden von einem Lagerplatz in Korneuburg abgeholt worden seien und sich auch das Überschwappen des Wassers aus den Mulden auf die Fahrbahn im Sprengel des Verwaltungsbezirkes Korneuburg ereignet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt eingangs seiner Beschwerde vor, die ihm zur Last gelegte Tat sei nicht unter die Bestimmungen des AWG 2002 zu subsumieren, da gegen das AWG 2002 nur derjenige verstoße, der Abfall nicht befördere, obwohl die Beförderung im öffentlichen Interesse gelegen sei. Dies leitet der Beschwerdeführer insbesondere aus § 1 Abs. 3 AWG 2002 ab.
Diese Ausführungen sind nicht nachvollziehbar.
Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 angelastet.
Diese Bestimmungen lauten:
"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer
§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind
1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und
2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.
Strafhöhe
§ 79. (1) Wer
1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,
.....
begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 EUR bis 36 340 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 EUR bedroht."
§ 1 Abs. 3 AWG 2002 enthält in Z 1 bis 9 einen Katalog öffentlicher Interessen, zu deren Wahrung die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist.
Aus § 15 Abs. 1 AWG 2002 ergibt sich, dass bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 leg. cit. einzuhalten sind und die Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 3 Z 1 bis 9 AWG 2002 aufgezählten öffentlichen Interessen zu vermeiden ist. Werden daher bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen die in § 1 Abs. 3 Z 1 bis 9 AWG 2002 angeführten öffentlichen Interessen beeinträchtigt, liegt ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 AWG 2002 vor, der durch § 79 Abs.1 Z 1 leg. cit sanktioniert wird.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, beim Transport gefährlicher Abfälle durch das Überschwappen verunreinigten Wassers öffentliche Interessen beeinträchtigt zu haben bzw. die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 entgegen § 15 Abs. 1 leg. cit. nicht vermieden und damit den aus § 1 Abs. 3 AWG 2002 erfließenden Sorgfaltmaßstab nicht eingehalten zu haben. Eine solcher Tatvorwurf stellte - bei Zutreffen - entsprechend der obigen Ausführungen aber jedenfalls einen Verstoß gegen die Bestimmungen des AWG 2002 dar.
2. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die Erstbehörde sei örtlich unzuständig gewesen, da als Tatort bei Heranziehung eines zur Vertretung nach außen berufenen Organs zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sei. Tatort sei hier der Sitz der S-GmbH in P gewesen.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.
Die belangte Behörde bejahte die Zuständigkeit der Erstbehörde damit, dass es sich bei § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 um ein Begehungsdelikt handle und sich im gegenständlichen Fall die Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 1 AWG 2002 in Form des Überschwappens von verunreinigtem Wasser im Sprengel des Verwaltungsbezirkes Korneuburg ereignet habe.
Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein. Auf das betreffende Tatbild ist hiebei stets Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1998, 97/07/0137).
Der Beschwerdeführer ist sowohl handels- als auch abfallrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH; mit dem angefochtenen Bescheid wurde er in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Verantwortung gezogen.
Im Fall eines abfallrechtlichen Geschäftsführers, der zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung gezogen wurde, weil zwei Dienstnehmer des von ihm vertretenen Sammelunternehmens Abfälle übernommen hatten, die nicht von der Sammelerlaubnis des Unternehmens erfasst waren, sprach der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis aus, dass der Tatort dort liege, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Dies sei bei einem abfallrechtlichen Geschäftsführer, welchem zur Last gelegt werde, dass der von ihm repräsentierte Inhaber einer abfallrechtlichen Erlaubnis durch seine von ihm beauftragten Dienstnehmer die ihm auferlegten Erlaubnisbeschränkungen überschritten habe, grundsätzlich der Sitz des Unternehmens (vgl. dazu auch das zum gewerberechtlichen Geschäftsführer ergangene hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, 92/04/0131).
Auch im hier vorliegenden Zusammenhang hätte der Beschwerdeführer Dispositionen und Anweisungen bzw. die Einrichtung eines angemessenen Kontrollsystems zur Vermeidung des Überschwappens von verunreinigtem Wasser beim Transport der Absetzmulden allenfalls vom Unternehmenssitz der S-GmbH aus veranlassen müssen, weshalb der Tatort im Beschwerdefall nicht die in dem von der belangten Behörde aufrechterhaltenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeführte Stelle auf der A 22 sein kann.
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist zur Strafverfolgung die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Wie bereits erwähnt, befindet sich der Sitz der S-GmbH und damit auch der allfällige Tatort in xxxx P im Verwaltungsbezirk S. Die in erster Instanz eingeschrittene BH Korneuburg war zur Erlassung des erstbehördlichen Straferkenntnisses daher nicht zuständig.
Dadurch, dass die belangte Behörde diese Unzuständigkeit nicht aufgriff, sondern die Berufung meritorisch erledigte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1987, 87/04/0003).
3. Für das fortzusetzende Verfahren ist Folgendes zu bemerken:
Der Beschwerdeführer bringt vor, durch den angefochtenen Bescheid würde er in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer als zur Vertretung nach außen befugtes Organ und nicht als abfallrechtlicher Geschäftsführer bestraft. Gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002 i.V.m. § 9 VStG habe jedoch der abfallrechtliche Geschäftsführer gegebenenfalls die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach dem AWG 2002 zu vertreten. § 44 a VStG verlange eine Bezeichnung jener Merkmale, aufgrund deren eine Person die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung treffe.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Eigenschaft, in der jemand verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werde, auf Grund des unmissverständlichen Gesetzestextes kein Tatbestandsmerkmal sei und daher auch nach Ablauf der Strafverfolgungsverjährungsfrist korrigiert werden dürfe. Eine Korrektur des erstinstanzlichen Bescheides wurde jedoch weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer daher unverändert als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als nach außen zur Vertretung befugtes Organ nach § 9 Abs. 1 VStG zur Verantwortung gezogen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss in der Tatumschreibung gemäß § 44 a Z 1 VStG zum Ausdruck kommen, ob ein bestimmter Beschuldigter die Tat in eigener Verantwortung oder als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich Verantwortliche begangen hat. So genügt in den Fällen, in denen es nach der Verwaltungsvorschrift darauf ankommt, ob eine Person als handelsrechtlicher oder gewerberechtlicher Geschäftsführer bestraft werden soll, eine undifferenzierte Bezeichnung als "Geschäftsführer" im Spruch den Anforderungen des § 44 a Z 1 VStG nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1990, 89/17/0139). Eine unzutreffende Bezeichnung der Organfunktion würde dem aus § 44 a Z 1 VStG erfließenden Konkretisierungsgebot widersprechen.
In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde dazu die Meinung, dass gemäß § 26 Abs. 1 AWG 2002 lediglich für die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen ein abfallrechtlicher Geschäftsführer zu bestellen sei. Im gegenständlichen Fall werde dem Beschwerdeführer aber ein Verstoß gegen § 15 AWG 2002 durch die Beförderung von Abfällen vorgeworfen, weshalb die Heranziehung des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer zutreffend sei.
Die diesbezüglich relevanten Bestimmungen des AWG 2002 lauten:
"§ 25. (1) Wer gefährliche Abfälle sammelt oder behandelt, bedarf einer Erlaubnis des Landeshauptmannes.
(2) Der Erlaubnispflicht unterliegen nicht
1.
...
3.
Transporteure, soweit sie Abfälle im Auftrag des Abfallbesitzers nur befördern,
4. ...
§ 26. (1) Wenn die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen nicht von einer natürlichen Person ausgeübt werden soll oder der Erlaubniswerber die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist, ist eine hauptberuflich tätige Person als abfallrechtlicher Geschäftsführer zu bestellen. Die Bestellung mehrerer hauptberuflich tätiger Personen als abfallrechtlicher Geschäftsführer mit eindeutig abgegrenzten Tätigkeitsbereichen ist zulässig. Zum abfallrechtlichen Geschäftsführer darf nur bestellt werden, wer
1. die Verlässlichkeit in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit und die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Sammlung und Behandlung der Abfälle, für welche die Erlaubnis erteilt wird, besitzt,
2. die Voraussetzungen eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52, erfüllt und
3. in der Lage ist, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.
(2) ..
(3) Der abfallrechtliche Geschäftsführer ist verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit gemäß Abs. 1 und die Einhaltung der diesbezüglichen abfallrechtlichen Vorschriften verantwortlich."
Diese Bestimmung trifft also eine besondere Regelung für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit.
Die im vorliegenden Fall durch die S-GmbH ausgeübte Tätigkeit besteht darin, mit unternehmenseigenen Fahrzeugen für die C-GmbH gefährliche Abfälle von einem Lager in Korneuburg abzuholen, um sie von dort zu einem Wiener Entsorgungsbetrieb zu transportieren.
Aus § 25 Abs. 1 und 2 AWG 2002 ergibt sich, dass die in Z 3 genannte Tätigkeit eines Transporteurs, der - wie im gegenständlichen Fall - Abfälle im Auftrag des Abfallbesitzers befördert, zur Sammlung und Behandlung von Abfällen zählt; wäre dies nicht der Fall, hätte sich die Anführung dieser Tätigkeit in der Z 3 dieser Bestimmung als Ausnahme von der Erlaubnispflicht erübrigt.
§ 26 Abs. 1 AWG 2002 steht in engem Zusammenhang mit § 25 Abs. 1 leg. cit. So ist aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Erlaubniswerber, der für den Fall, dass er die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist, einen abfallrechtlichen Geschäftsführer zu bestellen hat, zu schließen, dass sich die Bestellung eines abfallrechtlichen Geschäftsführers nur auf diejenigen Tätigkeiten des Sammelns und Behandelns von Abfällen bezieht, die ihrerseits einer Erlaubnispflicht unterliegen.
Nach § 26 Abs. 3 AWG 2002 ist der abfallrechtliche Geschäftsführer für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit gemäß Abs. 1 und die Einhaltung der diesbezüglichen abfallrechtlichen Vorschriften verantwortlich.
Transporteurtätigkeiten zählen nicht zu den Tätigkeiten gemäß Abs. 1; der Beschwerdeführer war daher nicht als abfallrechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung zu ziehen. Aus diesem Grund verfängt auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte, auf die innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht erfolgte Bezeichnung als abfallrechtlicher Geschäftsführer gestützte Verjährungseinrede nicht.
4. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es sei mangels Konkretisierung in örtlicher Hinsicht keine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorgelegen und es sei die vorgeworfene Tathandlung in zeitlicher Hinsicht nicht ausreichend konkret bezeichnet worden.
Eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG setzt unter anderem grundsätzlich die Nennung des Tatortes voraus. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen unter den oben dargelegten Rechtsschutzgesichtspunkten dann in Betracht, wenn im Zweifel der Sitz des Unternehmens als Tatort anzusehen ist und mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibt, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird (vgl. zu alldem das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, 94/10/0017 und die darin zitierte Vorjudikatur).
In diesem Sinne tut es der ausreichenden Konkretisierung der Tat im Beschwerdefall keinen Abbruch, wenn der Sitz des Unternehmens als Tatort nicht ausdrücklich in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. November 2003 angeführt ist. Es genügt vielmehr, dass mit der S-GmbH das vom Beschwerdeführer zu vertretende Unternehmen in der Verfolgungshandlung angeführt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, 2003/03/0094). Auch ansonsten lässt die Aufforderung vom 17. November 2003 keine Zweifel übrig, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird.
Aus dem Vorhalt vom 17. November 2003 ergibt sich ferner in eindeutiger Weise, dass der Beschwerdeführer für das Überschwappen von verunreinigtem Wasser während jener Transportfahrt zur Verantwortung gezogen werden soll, die mit einem näher bezeichneten unternehmenseigenen LKW am 30. April 2003 um 11:30 Uhr auf der A 22 im Gemeindegebiet Korneuburg und Langenzersdorf bis Straßenkilometer 11,930 in Fahrtrichtung Wien durchgeführt wurde. Die Tatzeit des verfahrensgegenständlichen Transportes ist mit der Angabe dieses Zeitpunktes ausreichend konkretisiert.
Dass die BH zur Setzung von Verfolgungshandlungen örtlich unzuständig war, schadet nicht, da nach § 32 Abs. 2 VStG eine Verfolgungshandlung auch dann vorliegt, wenn die Behörde für diese Amtshandlung nicht zuständig war.
Entgegen den Beschwerdeausführungen wurde daher mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. November 2003 die Verfolgungsfrist gewahrt.
5. Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, dem von der belangten Behörde aufrechterhaltenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht zu entnehmen, wann er die vermeintliche Verwaltungsübertretung begangen habe; für den Vorwurf der Unterlassung von Kontrollmaßnahmen müsste zumindest der Zeitpunkt des Fahrtantrittes angegeben werden, so ist auf die diesbezüglichen unter 4. vorgenommenen Ausführungen zu verweisen, wonach die Tatzeit in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. November 2003 ausreichend konkretisiert wurde. Diese Ausführungen gelten auch für den insoweit wortidenten erstinstanzlichen Bescheidspruch.
Schon aus den obigen (unter Punkt 2. angestellten) Erwägungen folgt jedoch, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtwidrigkeit belastet hat, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Angesichts dessen erübrigte sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob im vorliegenden Fall allenfalls mangels der Einrichtung eines angemessenen Kontrollsystems durch den Beschwerdeführer § 15 Abs. 1 AWG 2002 verletzt wurde.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 6. Juli 2006
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatortInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Verfahrensbestimmungen"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Verantwortlichkeit (VStG §9)Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005070118.X00Im RIS seit
31.07.2006Zuletzt aktualisiert am
30.10.2013