TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/15 B699/00

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Veröffentlicht am 15.03.2002
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art4 Abs2
B-VG Art139 Abs6
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
FahrverbotsV der BH Kitzbühel vom 10.06.99 für LKW über 7.5 t auf der B 161 Paß Thurn
VfGG §88

Leitsatz

Abweisung der Beschwerden im Anlaßfall wegen Bestrafung infolge der Übertretung eines Fahrverbots (LKW-Fahrverbot am Paß Thurn); weitere Anwendbarkeit des Grundtatbestandes des Fahrverbotes auch nach Feststellung der Gesetzwidrigkeit zweier Ausnahmebestimmungen; Kostenzuspruch

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit seiner Beschwerde gemäß Art144 B-VG macht der Beschwerdeführer geltend, daß ihn der angefochtene Berufungsbescheid, mit dem er wegen Übertretung eines Fahrverbots bestraft wurde, in seinen Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletze. Der angefochtene Bescheid stütze sich auf die seiner Meinung nach gesetzwidrige Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 10. Juni 1999, mit der ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t auf der B 161 Paß Thurn Bundesstraße erlassen wurde. Die Verordnung sei insbesondere aufgrund der unsachlichen Ausgestaltung der Ausnahmebestimmungen gesetzwidrig.

Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters durch den angefochtenen Bescheid dadurch im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil die Behörde die angewendete Verordnung in gleichheitswidriger Weise angewendet habe, weil die belangte Behörde nicht darauf eingegangen sei, daß er dadurch benachteiligt sei, daß er aufgrund des Standortes seines LKW in Kärnten nicht von der Bestrafung ausgenommen sei.

Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel verteidigt in der über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes erstatteten Äußerung die Gesetzmäßigkeit der von ihr erlassenen Verordnung.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 20. Juni 2001 beschlossen, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 20. Juni 1999, Z4a-1100/1, kundgemacht im Boten für Tirol Nr. 666/1999, mit der auf der B 161 Paß Thurn Bundesstraße ein Fahrverbot für LKW mit höchstzulässigem Gesamtgewicht über 7,5 t erlassen wurde, von Amts wegen zu prüfen.

Mit Erkenntnis vom 2. März 2002, V69/01, V70/01, hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der Ausnahmebestimmungen der §2 lite und §2 litf der in Prüfung gezogenen Verordnung festgestellt.

III. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Ausnahmebestimmungen hat offenkundig nichts daran geändert, daß auf den Beschwerdeführer der Grundtatbestand des Fahrverbotes anwendbar ist. Gemäß Art139 Abs6 B-VG sind nämlich jene Bestimmungen, deren Gesetzwidrigkeit der Verfassungsgerichtshof feststellte, im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Bescheid ist somit an Hand der Rechtslage zu beurteilen, wie sie sich ohne Bestand der als gesetzwidrig festgestellten Verordnungsteile darstellt. Nach der Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Ausnahmebestimmungen ist der Beschwerdefall daher so zu beurteilen, als ob der Grundtatbestand des Fahrverbotes ohne jene Einschränkungen gilt. Der Beschwerdeführer ist also ungeachtet der festgestellten Gesetzwidrigkeit durch die Bestrafung aufgrund der Verordnung nicht in seinen Rechten verletzt worden (vgl. VfSlg. 13900/1994).

Darüber hinaus bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine rechtlichen Bedenken.

Auch im Bereich der Vollziehung kann der Verfassungsgerichtshof keinen Mangel finden, der in die Verfassungssphäre reichen würde, zumal der Beschwerdeführer die Übertretung als solche nicht bestritten hat.

2. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Ungeachtet des Umstands, daß die Beschwerde im vorliegenden Verfahren nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides geführt hat, war dem Beschwerdeführer der Ersatz der Prozeßkosten zuzusprechen: In der Beschwerde wurde nämlich mit Erfolg ein Verordnungsprüfungsverfahren angeregt (vgl. ua. VfSlg. 9449/1982, 9584/1982, 13404/1993). Im zugesprochenen Betrag sind € 327,- an Umsatzsteuer enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und Z2 VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Verordnung, Verhältnis Ausnahmeregelung - Regel, Straßenpolizei, Fahrverbot, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Feststellung Wirkung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B699.2000

Dokumentnummer

JFT_09979685_00B00699_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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