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21/03 GesmbH-Recht;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Mag. Dieter Ebner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 10. Mai 2004, GZ. RV/0448- W/04, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum vom 2. Oktober 1995 bis 28. August 1998 handelsrechtlicher Geschäftsführer und (zu 50% beteiligter) Gesellschafter der F-GmbH. Weitere Geschäftsführer waren nicht bestellt. Am 18. August 1998 wurde über das Vermögen der F-GmbH der Konkurs eröffnet.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer nach den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Ausmaß eines Betrages von EUR 49.780,78 heran. Die aushaftende Abgabenschuld setzte sich aus Beträgen an Umsatzsteuer für die Kalendermonate Jänner bis Juni 1998, aus einem Jahresbetrag an Umsatzsteuer 1997 samt Säumniszuschlag sowie aus Beträgen an Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen für die Jahre 1996, 1997 und die Kalendermonate Jänner bis Juli 1998 zusammen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, dass er nur "formell als Geschäftsführer" im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Tatsächlich sei er lediglich für die technischen Einrichtungen des von der Gesellschaft unterhaltenen gastgewerblichen Betriebes zuständig gewesen. Intern sei ihm jegliche Einsicht bzw. Möglichkeit, die Buchhaltung zu führen bzw. öffentliche Abgaben abzuführen und Kontakt mit dem Steuerberater zu halten, entzogen worden. Der Beschwerdeführer sei auch auf Grund seiner Ausbildung nicht in der Lage gewesen, die Verantwortung eines Geschäftsführers wahrzunehmen. "Unter Heranziehung des § 21 BAO" sei aus wirtschaftlicher Betrachtung eindeutig der "tatsächliche Inhaber" Dr. Wolfgang M. "und dessen Beauftragter" verantwortlich. Bis April 1997 habe auch Kurt M. als leitender Angestellter maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft gehabt. Auch im Bericht der Masseverwalterin werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer "kaum auf die wirtschaftlichen Geschicke der Gemeinschuldner einen Einfluss gehabt haben dürfte". Tatsächlich Verantwortlicher sei Dr. Wolfgang M., der einen Teil der Geschäftsführertätigkeiten "einem Herrn Josef G." (per Adresse einer Wirtschaftstreuhandkanzlei) im Zeitraum von November 1996 bis 10. März 1998 übertragen habe. Es werde beantragt, Josef G. als Zeugen zu vernehmen.
Der Beschwerdeführer habe hinsichtlich Lohn- und Umsatzsteuerberechnung keinerlei Einsicht gehabt und nicht einmal gewusst, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung durchgeführt worden sei. Erst anlässlich strafgerichtlicher Vorerhebungen habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer aus formellen Gründen vorgeschoben worden sei. "Mangels durchgeführten Beweisverfahrens" werde auch beantragt, die verantwortliche Steuerberaterin Dkfm. K. zu vernehmen. Weiters werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer auch mit der Steuerberaterkanzlei nicht zusammengearbeitet habe. Es treffe den Beschwerdeführer daher kein Verschulden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Jänner 2004 wies das Finanzamt die Berufung ab. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liege auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit Beschränkungen seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. solche Beschränkungen in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich machten.
Der Beschwerdeführer beantragte, ohne weiteres Vorbringen zu erstatten, die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Straflandesgericht Wien anhängigen Strafverfahrens.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab auch die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgebenden Gesetzesbestimmungen wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen ausgeführt, unbestritten sei, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien. Unbestritten sei auch, dass der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Als solcher sei ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten oblegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet. Der Geschäftsführer einer GmbH hafte für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stehen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet und daher die Abgabenschuldigkeit im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Bezüglich der ausständigen Lohnsteuer ergebe sich eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten schon aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mitteln nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichten, eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten darstelle. Dass der Gesellschaft für die Entrichtung der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden seien, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Abgabenbehördlichen Erhebungen zufolge habe die Gesellschaft bis 21. August 1998 "vier räumlich getrennte Lokale (Gastgewerbe)" geführt, was den Schluss zuließe, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch Einnahmen erzielt worden seien.
Dem Einwand, Dr. Wolfgang M. bzw. Kurt M. seien die tatsächlichen Machthaber der Gesellschaft gewesen und dem Beschwerdeführer sei intern jegliche Einsicht entzogen gewesen, sei zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten behindert sehe, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen habe. Auch der Hinweis auf die mangelnde Ausbildung des Beschwerdeführers gehe nach dieser Rechtsprechung ins Leere.
Infolge des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Pflichtverletzung auch die Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgaben sei. Da weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch dessen Einstellung oder ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 BAO bewirken könnten, lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung gegenständlicher Entscheidung gemäß § 281 Abs. 1 BAO nicht vor.
Von der beantragten Vernehmung der Zeugen habe gemäß § 183 Abs. 3 BAO abgesehen werden können, weil der Entscheidung ohnehin das Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt worden sei. Der Beschwerdeführer sei sohin zu Recht zur Haftung herangezogen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer begründet seine Ansicht einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere damit, dass er im Zusammenhang mit seiner Unterschriftsleistung im Notariat "arglistig getäuscht" worden sei. Auf sein ausdrückliches Befragen sei ihm erklärt worden, dass er in keinster Weise mit der Buchhaltung oder sonstigen rechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft zu tun habe. Solcherart sei er von Beginn an nur für die technischen Anlagen der Bowling-Anlage zuständig gewesen.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst zu sagen, dass der Beschwerdeführer eine "arglistige Täuschung" - durch wen diese erfolgt sein soll, wird auch in der Beschwerde nicht konkretisiert - im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, sodass darauf schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht einzugehen ist. Dass sich der Beschwerdeführer bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf genommen hat oder - worauf die Beschwerdeausführungen hindeuten - sich (auf Grund fehlender Kenntnisse) eine derartige Beschränkung sogar selbst ausbedungen hat, begründete - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - bereits ein für die Haftung relevantes Verschulden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 2002, 2001/14/0205, vom 22. Jänner 2004, 2003/14/0097, vom 15. Juni 2005, 2005/13/0035, und vom 30. März 2006, 2003/15/0080).
Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, befreit demnach nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen. Zu Recht hat schon die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass trotz gegebener Geschäftsführerfunktion gerade die Untätigkeit des Beschwerdeführers gegenüber der Gesellschaft das Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten darstellt. Aus diesem Grund geht auch der Beschwerdevorwurf ins Leere, die belangte Behörde wäre zur Durchführung der beantragten Zeugenvernehmungen verpflichtet gewesen, weil diese Aufschluss über die tatsächliche Geschäftsführung hätten geben können.
Im vorliegenden Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass entgegen den Beschwerdeausführungen gegenständlich nicht das AVG, sondern die Bundesabgabenordnung (BAO) anzuwenden war und nach der Bestimmung des § 284 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 eine mündliche Verhandlung nur stattzufinden hat, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird oder wenn es der Referent für erforderlich hält. Keiner der aufgezeigten Gründe lag im Beschwerdefall nach der Aktenlage vor.
Der Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht geprüft, inwieweit das Fehlverhalten des Beschwerdeführers "zu einer Abgabenhinterziehung bzw. Nichterfüllung der gesetzlichen Pflichten" geführt habe, verkennt, dass dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid der Vorwurf einer Hinterziehung von Abgaben nicht gemacht wurde. Vorgeworfen wurde dem Beschwerdeführer lediglich, dass er es unterlassen habe, für die rechtzeitige Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft, deren einziger Geschäftsführer er war, Sorge zu tragen. Dass sich der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen trotz Übernahme der Funktion eines handelsrechtlichen Geschäftsführers um die finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft in keiner Weise gekümmert hat, durfte die belangte Behörde zu Recht als kausal für die nunmehrige Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin beurteilen. Einwände gegen einzelne Abgabenvorschreibungen wurden im Verwaltungsverfahren nicht erhoben.
Mit den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Einwänden hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausreichend auseinandergesetzt. Welche - vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rechtslage - entscheidungsrelevanten neuen Erkenntnisse aus einer Einsichtnahme in den Strafakt zu gewinnen gewesen wären, legt die Beschwerde nicht dar. Zur Eingabe vom 24. März 2005, mit der dem Verwaltungsgerichtshof das den Beschwerdeführer vom Vorwurf der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (wegen Verjährung) freisprechende Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 15. März 2005 übermittelt wurde, ist zu bemerken, dass das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung nicht Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, 89/13/0212).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. Juli 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006150030.X00Im RIS seit
16.08.2006Zuletzt aktualisiert am
12.07.2008