TE OGH 1997/4/22 14Os35/97

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG, AZ 12 Vr 219/96 des Landesgerichtes Wels, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin S***** wegen des Verbrechens nach Paragraph 12, Absatz eins,, Absatz 2 und Absatz 3, Ziffer 3, SGG, AZ 12 römisch fünf r 219/96 des Landesgerichtes Wels, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, verletzt in der Begründung, wonach ungeachtet des Entfalls der zeitlichen Beschränkungen der Untersuchungshaft mit Beginn der Hauptverhandlung bei Überschreiten der Grenze von sechs Monaten in jedem Stadium des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld des Angeklagten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 194 Abs 3 StPO zu prüfen sei, das Gesetz in den Bestimmungen des § 194 Abs 2 und Abs 3 StPO.Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, verletzt in der Begründung, wonach ungeachtet des Entfalls der zeitlichen Beschränkungen der Untersuchungshaft mit Beginn der Hauptverhandlung bei Überschreiten der Grenze von sechs Monaten in jedem Stadium des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld des Angeklagten das Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraph 194, Absatz 3, StPO zu prüfen sei, das Gesetz in den Bestimmungen des Paragraph 194, Absatz 2 und Absatz 3, StPO.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, wurde der Beschwerde des Angeklagten Martin S***** gegen den die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a und b StPO anordnenden Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 14. Jänner 1997, GZ 12 Vr 219/96-151, nicht Folge gegeben.Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 1997, AZ 7 Bs 17/97, wurde der Beschwerde des Angeklagten Martin S***** gegen den die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß Paragraph 180, Absatz eins und Absatz 2, Ziffer 3, Litera a und b StPO anordnenden Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 14. Jänner 1997, GZ 12 römisch fünf r 219/96-151, nicht Folge gegeben.

In der Begründung der Beschwerdeentscheidung wird ua ausgeführt:

"Wenngleich zufolge der Bestimmung des § 194 Abs 2 letzter Halbsatz StPO mit Beginn der Hauptverhandlung die zeitlichen Beschränkungen der (Untersuchungs-)Haftfristen wegfallen, ist bei Überschreiten der Grenze von sechs Monaten in jedem Stadium des Verfahrens - somit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld des Angeklagten - ... das Vorliegen der Voraussetzungen des § 194 Abs 3 StPO zu prüfen ..."."Wenngleich zufolge der Bestimmung des Paragraph 194, Absatz 2, letzter Halbsatz StPO mit Beginn der Hauptverhandlung die zeitlichen Beschränkungen der (Untersuchungs-)Haftfristen wegfallen, ist bei Überschreiten der Grenze von sechs Monaten in jedem Stadium des Verfahrens - somit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld des Angeklagten - ... das Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraph 194, Absatz 3, StPO zu prüfen ...".

Rechtliche Beurteilung

Diese Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Linz steht - wie der Generalprokurator in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 194 StPO idF nach dem StPÄG 1993, BGBl 1993/526, darf die nur wegen Verdunkelungsgefahr verhängte Untersuchungshaft zwei Monate niemals überschreiten (Abs 1). Im übrigen ist der Beschuldigte jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon sechs Monate, bei Verbrechen schon ein Jahr, bei Verbrechen mit einer Strafdrohung von mehr als fünf Jahren schon zwei Jahre in Untersuchungshaft befindet, ohne daß die Hauptverhandlung begonnen hat (Abs 2). Über sechs Monate hinaus darf die Untersuchungshaft nur dann aufrechterhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist (Abs 3).Gemäß Paragraph 194, StPO in der Fassung nach dem StPÄG 1993, BGBl 1993/526, darf die nur wegen Verdunkelungsgefahr verhängte Untersuchungshaft zwei Monate niemals überschreiten (Absatz eins,). Im übrigen ist der Beschuldigte jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon sechs Monate, bei Verbrechen schon ein Jahr, bei Verbrechen mit einer Strafdrohung von mehr als fünf Jahren schon zwei Jahre in Untersuchungshaft befindet, ohne daß die Hauptverhandlung begonnen hat (Absatz 2,). Über sechs Monate hinaus darf die Untersuchungshaft nur dann aufrechterhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist (Absatz 3,).

Eine Überschreitung der Sechsmonatsgrenze - bis zu den in § 194 Abs 2 StPO festgelegten Höchstgrenzen - darf demnach nur unter den in § 194 Abs 3 StPO angeführten Bedingungen erfolgen. Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Haftfortsetzung durch § 194 Abs 3 StPO stellt eine inhaltliche Ergänzung des Abs 2 dar und ist im Zusammenhang mit dieser Bestimmung zu lesen, nach der die zeitliche Beschränkung der Untersuchungshaft mit dem Beginn der Hauptverhandlung wegfällt. Mit dem Eintritt dieses Verfahrensstadiums endet - vom Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer (§ 193 Abs 2 StPO) abgesehen - die zeitliche Beschränkung der Untersuchungshaft (§ 194 Abs 2 StPO) und damit auch die Bindung der Haftfortsetzung an zusätzliche - im § 194 Abs 3 StPO aufgestellte - Erfordernisse. Die Prüfung der hafteinschränkenden Bedingungen letzterer Gesetzesstelle ist nach den Intentionen des Gesetzgebers (siehe AB 1157 BlgNR 18.GP 15 Punkt 2) auf das Vorverfahren beschränkt, wofür - der Wortinterpretation des Oberlandesgerichtes Linz zuwider - gerade auch die Verwendung des Begriffes "Untersuchung" (vgl §§ 100, 101, 116, 139 Abs 1, 143 Abs 1 StPO) spricht.Eine Überschreitung der Sechsmonatsgrenze - bis zu den in Paragraph 194, Absatz 2, StPO festgelegten Höchstgrenzen - darf demnach nur unter den in Paragraph 194, Absatz 3, StPO angeführten Bedingungen erfolgen. Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Haftfortsetzung durch Paragraph 194, Absatz 3, StPO stellt eine inhaltliche Ergänzung des Absatz 2, dar und ist im Zusammenhang mit dieser Bestimmung zu lesen, nach der die zeitliche Beschränkung der Untersuchungshaft mit dem Beginn der Hauptverhandlung wegfällt. Mit dem Eintritt dieses Verfahrensstadiums endet - vom Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer (Paragraph 193, Absatz 2, StPO) abgesehen - die zeitliche Beschränkung der Untersuchungshaft (Paragraph 194, Absatz 2, StPO) und damit auch die Bindung der Haftfortsetzung an zusätzliche - im Paragraph 194, Absatz 3, StPO aufgestellte - Erfordernisse. Die Prüfung der hafteinschränkenden Bedingungen letzterer Gesetzesstelle ist nach den Intentionen des Gesetzgebers (siehe AB 1157 BlgNR 18.GP 15 Punkt 2) auf das Vorverfahren beschränkt, wofür - der Wortinterpretation des Oberlandesgerichtes Linz zuwider - gerade auch die Verwendung des Begriffes "Untersuchung" vergleiche Paragraphen 100,, 101, 116, 139 Absatz eins,, 143 Absatz eins, StPO) spricht.

Mit noch größerer Deutlichkeit geht der Zusammenhang zwischen den die Höchstdauer der Untersuchungshaft vor Beginn der Hauptverhandlung regelnden Vorschriften und der Aufstellung besonderer Erfordernisse für die Aufrechterhaltung einer solchen Haft über mehr als sechs Monate aus der gleichfalls durch das StPÄG 1993 (Art II Z 1 lit c) erfolgten Änderung des § 35 Abs 3 JGG hervor: Darnach ist ein jugendlicher Beschuldigter jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon drei Monate, handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, das in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder des Geschworenengerichtes fällt, schon ein Jahr in Untersuchungshaft befindet, ohne daß die Hauptverhandlung begonnen hat. Im zuletzt genannten Fall (dh also: bis zum Beginn der Hauptverhandlung) darf die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten oder fortgesetzt werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist. Der Gesetzgeber - welcher das System des § 194 StPO in § 35 Abs 3 JGG übrnahm (JA 1157 BlgNR 18.GP 18) - will somit die Aufrechterhaltung der Haft nach Beginn der Hauptverhandlung in § 194 Abs 3 StPO nicht strengeren Einschränkungen unterwerfen als im formellen Jugendstrafrecht (arg ex § 35 Abs 3 JGG: "Im zuletzt genannten Fall ..."). Die gegenteilige (anscheinend auch von Wedrac, Das Vorverfahren in der StPO, S 272 vertretene) Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Linz, wonach die Voraussetzungen des § 194 Abs 3 StPO in jedem Verfahrensstadium bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld vorliegen müssen, findet weder in der von ihm angeführten Kommentarstelle (Foregger/Kodek6, Erl I zu § 194 StPO) noch in den zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen (11 Os 20/93, 15 Os 100/94) eine argumentative Stütze. In der bezeichneten Kommentarstelle wird nur klargestellt, daß die Grenze von sechs Monaten auch bei einem Verbrechen nur unter den Bedingungen des § 194 Abs 3 StPO überschritten werden darf; daß dies auch für die Fortsetzung der Haft nach Beginn der Hauptverhandlung gelte, wird dort nicht gesagt. In den zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes hinwieder findet der Umfang der Untersuchung nur im Zusammenhang mit dem sich daraus ergebenden Gewicht des Tatvorwurfs und der Verhältnismäßigkeitsprüfung in bezug auf die zu erwartende Strafe eine Erwähnung; die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Untersuchung wird aber keineswegs als eigenständiges Kriterium für die Zulässigkeit einer Überschreitung der Sechsmonatefrist auch noch im Stadium der Hauptverhandlung postuliert.Mit noch größerer Deutlichkeit geht der Zusammenhang zwischen den die Höchstdauer der Untersuchungshaft vor Beginn der Hauptverhandlung regelnden Vorschriften und der Aufstellung besonderer Erfordernisse für die Aufrechterhaltung einer solchen Haft über mehr als sechs Monate aus der gleichfalls durch das StPÄG 1993 (Art römisch II Ziffer eins, Litera c,) erfolgten Änderung des Paragraph 35, Absatz 3, JGG hervor: Darnach ist ein jugendlicher Beschuldigter jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon drei Monate, handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, das in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder des Geschworenengerichtes fällt, schon ein Jahr in Untersuchungshaft befindet, ohne daß die Hauptverhandlung begonnen hat. Im zuletzt genannten Fall (dh also: bis zum Beginn der Hauptverhandlung) darf die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten oder fortgesetzt werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist. Der Gesetzgeber - welcher das System des Paragraph 194, StPO in Paragraph 35, Absatz 3, JGG übrnahm (JA 1157 BlgNR 18.GP 18) - will somit die Aufrechterhaltung der Haft nach Beginn der Hauptverhandlung in Paragraph 194, Absatz 3, StPO nicht strengeren Einschränkungen unterwerfen als im formellen Jugendstrafrecht (arg ex Paragraph 35, Absatz 3, JGG: "Im zuletzt genannten Fall ..."). Die gegenteilige (anscheinend auch von Wedrac, Das Vorverfahren in der StPO, S 272 vertretene) Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Linz, wonach die Voraussetzungen des Paragraph 194, Absatz 3, StPO in jedem Verfahrensstadium bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Schuld vorliegen müssen, findet weder in der von ihm angeführten Kommentarstelle (Foregger/Kodek6, Erl römisch eins zu Paragraph 194, StPO) noch in den zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen (11 Os 20/93, 15 Os 100/94) eine argumentative Stütze. In der bezeichneten Kommentarstelle wird nur klargestellt, daß die Grenze von sechs Monaten auch bei einem Verbrechen nur unter den Bedingungen des Paragraph 194, Absatz 3, StPO überschritten werden darf; daß dies auch für die Fortsetzung der Haft nach Beginn der Hauptverhandlung gelte, wird dort nicht gesagt. In den zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes hinwieder findet der Umfang der Untersuchung nur im Zusammenhang mit dem sich daraus ergebenden Gewicht des Tatvorwurfs und der Verhältnismäßigkeitsprüfung in bezug auf die zu erwartende Strafe eine Erwähnung; die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Untersuchung wird aber keineswegs als eigenständiges Kriterium für die Zulässigkeit einer Überschreitung der Sechsmonatefrist auch noch im Stadium der Hauptverhandlung postuliert.

Da die Entscheidungsbegründung des Oberlandesgerichtes Linz dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, hat es mit der bloßen Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden.

Anmerkung

E46066 14D00357

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0140OS00035.97.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19970422_OGH0002_0140OS00035_9700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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