Kopf
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer, Beschwerdesache Stallinger und Kuso gegen Österreich, Urteil vom 23.4.1997, Bsw. 14696/89 und Bsw. 14697/89.
Spruch
Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 64 Abs. 1 EMRK, § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Landesagrarsenate (LAS) - Recht auf eine mündliche Verhandlung.Artikel 6, Absatz eins, EMRK, Artikel 64, Absatz eins, EMRK, Paragraph 39, Absatz 2, Ziffer 6, VwGG - Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Landesagrarsenate (LAS) - Recht auf eine mündliche Verhandlung.
Keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig).Keine Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK (einstimmig).
Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig).Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK (einstimmig).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Die Bf. sind Landwirte in Ober- bzw. Niederösterreich. Einige ihrer Parzellen waren in den 70er bzw. 80er Jahren von einem Zusammenlegungsverfahren betroffen. Gegen die von den Agrarbezirksbehörden erstellten Zusammenlegungspläne (ZlPläne) legten die Bf. bei den LAS Rechtsmittel ein. Die ZlPläne wurden aufgehoben und in abgeänderter Form neu erlassen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Die Bf. wandten sich darauf mit einer Bsw. an den VfGH. Dieser lehnte eine Behandlung der Bsw. mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab. Der von den Bf. angerufene VwGH gab ihren Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis auf § 39 (2) Z. 6 VwGG nicht statt und wies die Bsw. ab. Beide Gerichtshöfe hatten sich in ihren Entscheidungen ua. auf das Urteil des EGMR vom 23.4.1987 im Fall Ettl ua./A (A/117 § 37) berufen, wonach die Beteiligung sachverständiger Beisitzer an den Entscheidungen der LAS nach der Konvention unbedenklich sei.Die Bf. sind Landwirte in Ober- bzw. Niederösterreich. Einige ihrer Parzellen waren in den 70er bzw. 80er Jahren von einem Zusammenlegungsverfahren betroffen. Gegen die von den Agrarbezirksbehörden erstellten Zusammenlegungspläne (ZlPläne) legten die Bf. bei den LAS Rechtsmittel ein. Die ZlPläne wurden aufgehoben und in abgeänderter Form neu erlassen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Die Bf. wandten sich darauf mit einer Bsw. an den VfGH. Dieser lehnte eine Behandlung der Bsw. mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab. Der von den Bf. angerufene VwGH gab ihren Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis auf Paragraph 39, (2) Ziffer 6, VwGG nicht statt und wies die Bsw. ab. Beide Gerichtshöfe hatten sich in ihren Entscheidungen ua. auf das Urteil des EGMR vom 23.4.1987 im Fall Ettl ua./A (A/117 Paragraph 37,) berufen, wonach die Beteiligung sachverständiger Beisitzer an den Entscheidungen der LAS nach der Konvention unbedenklich sei.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Die Bf. behaupten, die LAS wären keine unabhängigen und unparteiischen Tribunale iSd. Art. 6 (1) EMRK. Sie rügen eine Verletzung ihres Rechts auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht.Die Bf. behaupten, die LAS wären keine unabhängigen und unparteiischen Tribunale iSd. Artikel 6, (1) EMRK. Sie rügen eine Verletzung ihres Rechts auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht.
Der GH sieht keinen Grund dafür, warum er von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Ettl ua./A, A 117 § 40) abgehen und den Tribunalcharakter wie auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der LAS in Frage stellen sollte. Keine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig).Der GH sieht keinen Grund dafür, warum er von seiner bisherigen Rechtsprechung vergleiche Ettl ua./A, A 117 Paragraph 40,) abgehen und den Tribunalcharakter wie auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der LAS in Frage stellen sollte. Keine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (einstimmig).
Die Bf. behaupten weiters eine Verletzung ihres Rechts auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 6 (1) EMRK, da der VwGH ihnen eine solche verweigert habe.Die Bf. behaupten weiters eine Verletzung ihres Rechts auf eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 6, (1) EMRK, da der VwGH ihnen eine solche verweigert habe.
Die Reg. wendet ein, der österr. Vorbehalt zu Art. 6 EMRK ist auf Verfahren vor dem VwGH anwendbar, da dieser auch über zivilrechtliche Ansprüche entscheide.Die Reg. wendet ein, der österr. Vorbehalt zu Artikel 6, EMRK ist auf Verfahren vor dem VwGH anwendbar, da dieser auch über zivilrechtliche Ansprüche entscheide.
Der GH bejaht dies mit dem Hinweis auf seine st. Rspr. Zu prüfen ist nun, ob der österr. Vorbehalt zu Art. 6 EMRK zur Anwendung kommt. Im ggst. Fall wurden die Anträge der Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 (2) Z. 6 VwGG abgelehnt. Diese Vorschrift trat 1982 in Kraft. Österreich hat die Konvention 1958 ratifiziert und dabei zu Art. 6 EMRK den besagten Vorbehalt gemacht. Gemäß Art. 64 (1) EMRK können nur Gesetze, die zum Zeitpunkt des Vorbehalts in Geltung gestanden haben, Gegenstand eines solchen Vorbehalts sein. Dies ist hier nicht der Fall, der österr. Vorbehalt ist daher nicht anwendbar.Der GH bejaht dies mit dem Hinweis auf seine st. Rspr. Zu prüfen ist nun, ob der österr. Vorbehalt zu Artikel 6, EMRK zur Anwendung kommt. Im ggst. Fall wurden die Anträge der Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Paragraph 39, (2) Ziffer 6, VwGG abgelehnt. Diese Vorschrift trat 1982 in Kraft. Österreich hat die Konvention 1958 ratifiziert und dabei zu Artikel 6, EMRK den besagten Vorbehalt gemacht. Gemäß Artikel 64, (1) EMRK können nur Gesetze, die zum Zeitpunkt des Vorbehalts in Geltung gestanden haben, Gegenstand eines solchen Vorbehalts sein. Dies ist hier nicht der Fall, der österr. Vorbehalt ist daher nicht anwendbar.
Die Anträge der Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung waren vom VwGH mit der Begründung abgelehnt worden, eine mündliche Erörterung würde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten (§ 39 (2) Z. 6 VwGG). Die Reg. konnte keine überzeugenden Gründe darlegen, warum eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt werden hätte sollen. Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig).Die Anträge der Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung waren vom VwGH mit der Begründung abgelehnt worden, eine mündliche Erörterung würde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten (Paragraph 39, (2) Ziffer 6, VwGG). Die Reg. konnte keine überzeugenden Gründe darlegen, warum eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt werden hätte sollen. Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (einstimmig).
Anm.: Vgl. insb. die - vom GH zitierten - ähnlich gelagerten Fälle Ettl ua./A, Urteil v. 23.4.1987, A/117, Ortenberg/A, Urteil v. 25.11.1994, A/295-B (= NL 94/6/4) und Fischer/A, Urteil vom 26.4.1995, A/312 (= NL 95/2/10).Anmerkung, Vgl. insb. die - vom GH zitierten - ähnlich gelagerten Fälle Ettl ua./A, Urteil v. 23.4.1987, A/117, Ortenberg/A, Urteil v. 25.11.1994, A/295-B (= NL 94/6/4) und Fischer/A, Urteil vom 26.4.1995, A/312 (= NL 95/2/10).
Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 7.2.1995 (= NL 96/2/1) keine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK im ersten Beschwerdepunkt, jedoch eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK im zweiten Beschwerdepunkt festgestellt (einstimmig).Anmerkung, Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 7.2.1995 (= NL 96/2/1) keine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK im ersten Beschwerdepunkt, jedoch eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK im zweiten Beschwerdepunkt festgestellt (einstimmig).
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 23.4.1997, Bsw. 14696/89, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 89) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/97_3/Stallinger.pdf
Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.
Textnummer
EGM00132Im RIS seit
10.04.2017Zuletzt aktualisiert am
10.04.2017