TE OGH 1997/4/29 1Ob90/97k

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Veröffentlicht am 29.04.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Veronika K*****, vertreten durch Dr.Klaus Reisch und Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Nikolaus K*****, vertreten durch Dr.Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Herausgabe (Streitwert 701.000 S) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 7.Februar 1997, GZ 8 Cg 23/96-17 (Jv 474-1/97-1), womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr.Gernot D***** in dem zur AZ 2 R 169/96m anhängig gewesenen Berufungsverfahren zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr bestimmt bezeichnete körperliche Sachen herauszugeben. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 13.März 1993 sprach das Erstgericht über einzelne Sachen des Klagebegehrens ab. Mit Urteil vom 6.Mai 1996 gab es auch dem restlichen Klagebegehren über weitere Sachen im Gesamtwert von 701.000 S statt.

Das Berufungsgericht wies das restliche Klagebegehren dagegen nach Durchführung einer Beweiswiederholung mit Urteil vom 5.Dezember 1996 ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 50.000 S übersteige, die ordentliche Revision jedoch nicht zulässig sei. Dieses Urteil wurde den Parteien am 13.Jänner 1997 zugestellt. Die Klägerin erhob dagegen eine am 10.Februar 1997 zur Post gegebene außerordentliche Revision. Der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz gingen drei im Berufungsverfahren durchgeführte Verhandlungstagsatzungen voraus. Mit Schriftsatz vom 28.Jänner 1997 lehnte die Klägerin den Vorsitzenden des Berufungssenats als befangen ab. Sie brachte vor, dessen Urteilsvermögen sei durch eine ihr gegenüber bestehende unobjektive Einstellung getrübt gewesen. Das ergebe sich aus dessen Verhalten vor und während der Berufungsverhandlung in Verbindung mit dem Inhalt der Rechtsmittelentscheidung, beruhe doch die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auf inhaltlichen Ungereimtheiten. Überdies sei die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch persönlich einen unglaubwürdigen Eindruck gemacht, nicht näher begründet.

Der abgelehnte Richter faßte seine Äußerung schließlich dahin zusammen, „gegenüber der Klägerin in keiner Weise voreingenommen gewesen zu sein“.

Ein anderer Senat des Berufungsgerichts wies den Ablehnungsantrag zurück. Er führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein Richter könne gemäß § 21 Abs 2 JN wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden, wenn sich der Ablehnungswerber auf eine Verhandlung vor jenem eingelassen oder Anträge gestellte habe, ohne die ihm bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen. Ablehnungsgründe seien sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst dann vorzubringen, wenn es der Ablehnungswerber aus prozeßtaktischen Gründen für angezeigt halte. Die Kenntnis des Ablehnungswerbers müsse sich allerdings auf jene Tatsachen beziehen, die nach dessen Ansicht die Besorgnis der Befangenheit begründeten. Bestehe eine derartige Kenntnis und lasse sich die Partei vor dem Richter dennoch auf eine Verhandlung ohne vorherige Geltendmachung der Ablehnungsgründe ein, sei darin ein stillschweigender Verzicht auf das Ablehnungsrecht zu erblicken. Danach sei aber der Ablehnungsantrag der Klägerin verspätet. Dieser stütze sich auf das behauptete Verhalten des Senatsvorsitzenden „während bzw. sogar vor der mündlichen Berufungsverhandlung“. Die Klägerin hätte daher ihr Ablehnungsrecht „sofort nach Kenntnisnahme“ des nach ihrer Ansicht die Befangenheit des Senatsvorsitzenden indizierenden Verhaltens ausüben müssen. Sie habe sich jedoch weiter in die vom Senatsvorsitzenden geleitete Berufungsverhandlung eingelassen, ohne die angeblichen, ihr bereits bekannten Ablehnungsgründe vorzubringen. Spätestens „vor Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung und vor Einlegen des Kostenverzeichnisses durch die Parteienvertreter“, hätte sie aber „den Ablehnungsgrund in Form eines Ablehnungsantrags geltend machen müssen“, stelle doch das Einlegen der Kostennote einen Antrag auf Kostenbestimmung durch das erkennende Gericht dar. Der schließliche Ablehnungsantrag beruhe auf „taktischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen“, weil der Klägerin eine Beweisrüge im Revisionsverfahren versagt sei.Ein anderer Senat des Berufungsgerichts wies den Ablehnungsantrag zurück. Er führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein Richter könne gemäß Paragraph 21, Absatz 2, JN wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden, wenn sich der Ablehnungswerber auf eine Verhandlung vor jenem eingelassen oder Anträge gestellte habe, ohne die ihm bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen. Ablehnungsgründe seien sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst dann vorzubringen, wenn es der Ablehnungswerber aus prozeßtaktischen Gründen für angezeigt halte. Die Kenntnis des Ablehnungswerbers müsse sich allerdings auf jene Tatsachen beziehen, die nach dessen Ansicht die Besorgnis der Befangenheit begründeten. Bestehe eine derartige Kenntnis und lasse sich die Partei vor dem Richter dennoch auf eine Verhandlung ohne vorherige Geltendmachung der Ablehnungsgründe ein, sei darin ein stillschweigender Verzicht auf das Ablehnungsrecht zu erblicken. Danach sei aber der Ablehnungsantrag der Klägerin verspätet. Dieser stütze sich auf das behauptete Verhalten des Senatsvorsitzenden „während bzw. sogar vor der mündlichen Berufungsverhandlung“. Die Klägerin hätte daher ihr Ablehnungsrecht „sofort nach Kenntnisnahme“ des nach ihrer Ansicht die Befangenheit des Senatsvorsitzenden indizierenden Verhaltens ausüben müssen. Sie habe sich jedoch weiter in die vom Senatsvorsitzenden geleitete Berufungsverhandlung eingelassen, ohne die angeblichen, ihr bereits bekannten Ablehnungsgründe vorzubringen. Spätestens „vor Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung und vor Einlegen des Kostenverzeichnisses durch die Parteienvertreter“, hätte sie aber „den Ablehnungsgrund in Form eines Ablehnungsantrags geltend machen müssen“, stelle doch das Einlegen der Kostennote einen Antrag auf Kostenbestimmung durch das erkennende Gericht dar. Der schließliche Ablehnungsantrag beruhe auf „taktischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen“, weil der Klägerin eine Beweisrüge im Revisionsverfahren versagt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist ganz allgemein dahin zu verstehen, daß Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in dem vom Ablehnungswerber nach prozeßtaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen sind, soll doch eine Prozeßverschleppung tunlichst vermieden werden. Das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar (EvBl 1995/136 mwN). Es kann zwar nach herrschender Ansicht auch noch nach der Urteilsfällung vor Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden (9 Ob A 277/92; JBl 1989, 664; RZ 1989/88; SZ 43/104; Fasching, Kommentar I 213 f; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 53; Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 21 JN; Ballon, Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit nach Zustellung der Entscheidung, RZ 1991, 106), die gesetzlichen Regelungen wollen jedoch den Parteien keinesfalls die Möglichkeit eröffnen, sich eines ihnen nicht genehm erscheinenden Richters zu entledigen (1 Ob 575/91). Es ist auch nicht Aufgabe eines zur Erledigung des Ablehnungsantrags berufenen Richtersenats, jene Entscheidung auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen, die dem Ablehnungswerber Anlaß für die Behauptung der Befangenheit eines richterlichen Organs gab (RZ 1989/110).Gemäß Paragraph 21, Absatz 2, JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist ganz allgemein dahin zu verstehen, daß Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in dem vom Ablehnungswerber nach prozeßtaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen sind, soll doch eine Prozeßverschleppung tunlichst vermieden werden. Das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar (EvBl 1995/136 mwN). Es kann zwar nach herrschender Ansicht auch noch nach der Urteilsfällung vor Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden (9 Ob A 277/92; JBl 1989, 664; RZ 1989/88; SZ 43/104; Fasching, Kommentar römisch eins 213 f; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 53; Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu Paragraph 21, JN; Ballon, Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit nach Zustellung der Entscheidung, RZ 1991, 106), die gesetzlichen Regelungen wollen jedoch den Parteien keinesfalls die Möglichkeit eröffnen, sich eines ihnen nicht genehm erscheinenden Richters zu entledigen (1 Ob 575/91). Es ist auch nicht Aufgabe eines zur Erledigung des Ablehnungsantrags berufenen Richtersenats, jene Entscheidung auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen, die dem Ablehnungswerber Anlaß für die Behauptung der Befangenheit eines richterlichen Organs gab (RZ 1989/110).

Die Klägerin hält im Rekursverfahren an ihrer Ansicht fest, sie habe im Ablehnungsantrag dargetan, weshalb „die Beweiswürdigung“ des Berufungsgerichts „nicht stimmen“ könne. Gerade in diesem Punkt habe sich die Befangenheit des Senatsvorsitzenden in Verbindung mit dessen Verhalten während der Berufungsverhandlung dokumentiert.

Dem ist nicht zu folgen. Die Beweiswürdigung des Berufungssenats läßt keine Gedankenführung oder Diktion erkennen, die eine durch dessen Vorsitzenden - aus unsachlichen Gründen - herbeigeführte Hemmung einer unparteiischen Entschließung als Wesen der Befangenheit (RZ 1989/110; SZ 43/104) auch nur entfernt nahelegen könnte. Soweit der Berufungssenat die Klägerin auch wegen des von ihr vermittelten persönlichen Eindrucks für unglaubwürdig hielt, ist darin ein legitimes Mittel der Beweiswürdigung zur Abrundung und Festigung der hier auch aus bestimmten anderen Ergebnissen des Beweisverfahrens gewonnenen richterlichen Einsichten zu erblicken. Das ergibt sich aus den im Zivilprozeß maßgeblichen Verfahrensgrundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Ob dagegen die Beweiswürdigung des Berufungssenats richtig oder unrichtig ist, kann, wie bereits dargelegt wurde, nicht Gegenstand eines Ablehnungsverfahrens sein. Bei pflichtgemäßer Ausübung des Richteramts stellt nämlich selbst ein allfälliger und im weiteren Instanzenzug nicht mehr korrigierbarer Entscheidungsfehler jedenfalls keinen Ablehnungsgrund dar, sondern es verwirklicht sich darin vielmehr ein Prozeßrisiko der Parteien, die außerstande waren, ihren Streitfall ohne Zuhilfenahme der Gerichte privatautonom beizulegen. Der Ablehnungsantrag erweist sich daher bloß als untauglicher Versuch, sich dadurch eines der Klägerin nicht genehmen Richters zu entledigen und eine weitere Gelegenheit für die Darlegung des Prozeßstandpunkts der Ablehnungswerberin im Berufungsverfahren zu erzwingen.

Im übrigen ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.Im übrigen ist gemäß Paragraph 510, Absatz 3, ZPO auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

Textnummer

E45990

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00090.97K.0429.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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