TE Vwgh Erkenntnis 2006/7/14 2006/02/0076

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.2006
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

MRK Art6 Abs1;
VStG §51e Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des GF in B, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek und Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann im Pongau, Pöllnstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Februar 2006, Zl. Senat-PL-05-0259, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Februar 2006 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten über deren schriftliche Anfrage vom 30. März 2005 innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zustellung am 13. April 2005 darüber Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 17. Dezember 2004, um 1.06 Uhr auf der A1 bei Strkm. 32,32 gelenkt habe.

Er habe dadurch eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 iVm § 134 KFG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 400 (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Abs. 1 bis 5 des § 51e VStG, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002, lauten:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 500,-- Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Da der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Berufung beantragt hat, war die belangte Behörde im Beschwerdefall - da kein Fall des § 51e Abs. 4 oder 5 VStG vorliegt - verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was der Beschwerdeführer zu Recht rügt. Entgegen der insoweit in der Gegenschrift näher begründeten Ansicht der belangten Behörde liegt ein Fall des § 51e Abs. 4 VStG nicht vor, denn die dort angeführten weiteren Voraussetzungen ("die Akten erkennen lassen, dass ..." sowie "dem nicht Art. 6 ...") beziehen sich nur auf den in diesem Absatz behandelten Fall der Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides durch den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2004/02/0322).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung der Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Juli 2006

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Auslegung Diverses VwRallg3/5 Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006020076.X00

Im RIS seit

21.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten