TE OGH 1997/6/12 8ObA36/97w

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Veröffentlicht am 12.06.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter RegRat Kriegl und Mag.Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christine P*****, vertreten durch Dr.Georg Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei F***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 10.767,60 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. November 1996, GZ 11 Ra 167/96z-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.März 1996, GZ 16 Cga 122/95-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin arbeitete teilzeitbeschäftigt in der Zeit vom 5.7.1993 bis 27.1.1995 als sogenannte TPM-Assistentin bei der Beklagten. Die Beklagte sprach am 13.1.1995 die Kündigung der Klägerin zum 27.1.1995 aus.

Mit ihrer am 17.5.1995 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin mit dem Vorbringen, sie sei aufgrund der von ihr erbrachten Arbeitsleistungen als Angestellte anzusehen, weshalb sie unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist lediglich zum 28.2.1995 hätte gekündigt werden können, die sich aus den unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten ergebende Differenz an Entgelt, Urlaubsentschädigung und Kündigungsentschädigung im Gesamtausmaß von S 15.461,54.

Die Beklagte hielt dem Anspruch entgegen, daß die Klägerin ausschließlich mit Tätigkeiten der Qualifikation einer Arbeiterin betraut gewesen sei. Auch habe sie die Beendigung ihres Dienstverhältnisses zum 27.1.1995 mit Schreiben von diesem Tag (Beilage 8) ausdrücklich anerkannt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 10.767,60 statt und wies das Mehrbegehren ab. Die von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten seien als höhere nicht kaufmännische Dienste zu qualifizieren, weshalb der Klägerin gemäß § 1 Abs 1 AngG Angestellteneigenschaft zukomme. Die Klägerin habe daher lediglich zum 28.2.1995 gekündigt werden können, weshalb ihr die auf diese Zeitdifferenz entfallenden beendigungsabhängigen Ansprüche in der im einzelnen dargestellten Höhe zustünden. Das Schreiben der Klägerin vom 27.1.1995 stelle lediglich eine Wissenserklärung, jedoch kein Anerkenntnis dar.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 10.767,60 statt und wies das Mehrbegehren ab. Die von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten seien als höhere nicht kaufmännische Dienste zu qualifizieren, weshalb der Klägerin gemäß Paragraph eins, Absatz eins, AngG Angestellteneigenschaft zukomme. Die Klägerin habe daher lediglich zum 28.2.1995 gekündigt werden können, weshalb ihr die auf diese Zeitdifferenz entfallenden beendigungsabhängigen Ansprüche in der im einzelnen dargestellten Höhe zustünden. Das Schreiben der Klägerin vom 27.1.1995 stelle lediglich eine Wissenserklärung, jedoch kein Anerkenntnis dar.

Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Es setzte sich - ebenso wie das Erstgericht - ausführlich mit der Tätigkeit der Klägerin auseinander und führte aus, daß im Rahmen einer Gesamtschau davon ausgegangen werden könne, daß die höheren nicht kaufmännischen Dienste der Klägerin für die Beklagte von ausschlaggebender Bedeutung gewesen seien. Hiebei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß die Klägerin an zwei Tagen ihrer Tätigkeit im Studio allein gewesen sei und daher selbständig habe die Kundinnen betreuen müssen. Die von der Klägerin geforderte Kundenberatung habe Fachkenntnisse vorausgesetzt. Die Beklagte hätte daher bei Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin gemäß § 20 Abs 2 AngG eine sechswöchige Kündigungsfrist einzuhalten gehabt. Das Schreiben der Klägerin vom 27.1.1995 habe nur eine Wissenserklärung der Klägerin über das Ende der ihr zugestandenen 14tägigen Kündigungsfrist enthalten und sei kein konstitutives Anerkenntnis gewesen.Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision gemäß Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zulässig sei. Es setzte sich - ebenso wie das Erstgericht - ausführlich mit der Tätigkeit der Klägerin auseinander und führte aus, daß im Rahmen einer Gesamtschau davon ausgegangen werden könne, daß die höheren nicht kaufmännischen Dienste der Klägerin für die Beklagte von ausschlaggebender Bedeutung gewesen seien. Hiebei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß die Klägerin an zwei Tagen ihrer Tätigkeit im Studio allein gewesen sei und daher selbständig habe die Kundinnen betreuen müssen. Die von der Klägerin geforderte Kundenberatung habe Fachkenntnisse vorausgesetzt. Die Beklagte hätte daher bei Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin gemäß Paragraph 20, Absatz 2, AngG eine sechswöchige Kündigungsfrist einzuhalten gehabt. Das Schreiben der Klägerin vom 27.1.1995 habe nur eine Wissenserklärung der Klägerin über das Ende der ihr zugestandenen 14tägigen Kündigungsfrist enthalten und sei kein konstitutives Anerkenntnis gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden. Ein Fall des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG (unbeschränkte Revisionszulässigkeit im Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses) liegt schon deshalb nicht vor, da das weitere Erfordernis eines S 50.000,-- übersteigenden berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes nicht erfüllt ist. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 46 Abs 1 ASGG ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - hier nicht zu entscheiden:Der Oberste Gerichtshof ist gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach Paragraph 45, Absatz eins, ASGG nicht gebunden. Ein Fall des Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer eins, ASGG (unbeschränkte Revisionszulässigkeit im Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses) liegt schon deshalb nicht vor, da das weitere Erfordernis eines S 50.000,-- übersteigenden berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes nicht erfüllt ist. Eine Rechtsfrage von der Qualität des Paragraph 46, Absatz eins, ASGG ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - hier nicht zu entscheiden:

Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln (JBl 1991, 791; 1 Ob 2/93 ua). Die - hier allein maßgebliche - Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 27.1.1995 könnte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor dem Obersten Gerichtshof nur dann bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnissätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, zB der §§ 914, 915 ABGB, im Widerspruch stünde. Wenn aber eine nach diesen Kriterien unbedenkliche Urkundenauslegung nur durch eine andere ebenfalls mögliche Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht gesprochen werden (JBl 1972, 200; NZ 1989, 266; AnwBl 1989, 229; SZ 62/201).Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln (JBl 1991, 791; 1 Ob 2/93 ua). Die - hier allein maßgebliche - Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 27.1.1995 könnte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor dem Obersten Gerichtshof nur dann bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnissätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, zB der Paragraphen 914,, 915 ABGB, im Widerspruch stünde. Wenn aber eine nach diesen Kriterien unbedenkliche Urkundenauslegung nur durch eine andere ebenfalls mögliche Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht gesprochen werden (JBl 1972, 200; NZ 1989, 266; AnwBl 1989, 229; SZ 62/201).

Die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin als die einer Angestellten zu beurteilen ist, ist eine solche des Einzelfalles. Die Vorinstanzen haben die dazu entwickelte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes richtig wiedergegeben. Es ist gesicherte Judikatur, daß für die Qualifikation eines Arbeitnehmers als Angestellten ausschließlich die Art der geleisteten Dienste ausschlaggebend ist, wobei die Tätigkeit des Arbeitnehmers in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (ArbSlg 7862; 9685; 9749; RdW 1996, 599). Als höhere Dienstleistung nicht kaufmännischer Art kommen Arbeiten in Betracht, die in Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, das Vertrautsein mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangen, also nicht rein mechanisch ausgeübt werden und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden können. Diese Arbeiten müssen zusätzlich wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder gar Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehen. Angestelltentätigkeit wird indiziert durch die über das durchschnittliche Maß hinausgehende größere Selbständigkeit, umfassendere Fachkenntnisse, Genauigkeit und Verläßlichkeit (ArbSlg 10.932; 9 ObA 17/95; RdW 1996, 599). Wenngleich zur Frage der Angestelltenqualifikation einer Beraterin in einem Schlankheitsstudio eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht besteht, ändert dies doch nichts daran, daß die Beurteilung der konkreten Tätigkeit anhand der dargestellten Grundsätze eine nur nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Rechtsfrage ist. Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müßte (RZ 1992/50; RZ 1994/45; 9 ObA 2166/96m). Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist den Vorinstanzen aber nicht unterlaufen, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (2 Ob 41/84; 8 Ob 591/90; 8 Ob 640/91; 9 ObA 216/96m).

Anmerkung

E46467 08B00367

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:008OBA00036.97W.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19970612_OGH0002_008OBA00036_97W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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