TE OGH 1997/6/19 6Ob196/97k

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Veröffentlicht am 19.06.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Maria Magdalena S*****, vertreten durch Dr.Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Einleitung des Verfahrens gemäß § 236 AußStrG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Betroffenen Maria Magdalena S***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 14.Mai 1997, GZ 2 R 124/97v-7, womit dem Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 3. April 1997, GZ 2 P 26/97f-3, nicht Folge gegeben wurde, denDer Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Maria Magdalena S*****, vertreten durch Dr.Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Einleitung des Verfahrens gemäß Paragraph 236, AußStrG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Betroffenen Maria Magdalena S***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 14.Mai 1997, GZ 2 R 124/97v-7, womit dem Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 3. April 1997, GZ 2 P 26/97f-3, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Betroffene ist die Witwe nach ihrem im Jahr 1996 verstorbenen Ehegatten. Am 12.3.1997 fand im Verlassenschaftsverfahren vor dem Gerichtskommissär eine Tagsatzung statt, an der die Betroffene und sechs weitere als gesetzliche Erben in Frage kommende Personen teilnahmen. Der Erblasser hinterließ Liegenschaftsvermögen. Er hatte mit seiner Frau einen Landwirtschaftsbetrieb. Allenfalls liegt der Abhandlung ein Erbhof zugrunde. In der Tagsatzung wurde vorgebracht, daß der Erblasser erklärt habe, ein Neffe solle den Hof erhalten. Die Erschienenen nahmen eine Erbteilung in der Form in Aussicht, daß der Neffe den Hof erhalten solle, die Witwe aber verschiedene Grundstücke als Alleineigentümerin. Der Hofübernehmer sollte sich zur Übernahme der Pflege und Betreuung der Witwe verpflichten und sie bei ihrer Tätigkeit als Landwirtin unterstützen. Er sollte ihr weiters Brennholz und verschiedene landwirtschaftliche Produkte des täglichen Bedarfs beistellen.

Der Gerichtskommissär teilte dem Verlassenschaftsgericht mit, daß sich die Witwe mit der vorgesehenen Erbteilung einverstanden erklärt habe. Er regte die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens an, weil "aufgrund des gewonnenen Eindrucks" nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Witwe die Tragweite des präsumtiven Erbenübereinkommens erkenne (gemeint: nicht erkenne).

Bei der Erstanhörung gab die Betroffene nach Belehrung über den Zweck der Anhörung folgendes zu Protokoll:

"Ich bin am 01.05.1938 geboren. Meine Mutter heißt Maria Magdalena und lebt noch. Mein Vater hat Hugo geheißen und ist am 14.08.1972 gestorben. Ich habe keine Kinder, an Geschwistern lediglich einen Bruder namens Josef Maurer, welcher sich bereits in Pension befindet und in Riefensberg, Eggling 97, wohnt. Mein Mann ist am 21.12.1996 gestorben. Er hat kein Testament hinterlassen. Mit den Grundstücken wird es jetzt so gemacht, daß ich Eigentümerin bleibe und diese an den Neffen verpachte".

Über Vorhalt, daß nach dem Aktenvermerk des Notars anderes besprochen worden sei, gab die Betroffene an:

"Die Grundstücke sollen dem Konrad halt überschrieben werden".

Über weiteren Vorhalt, ob die Grundstücke jetzt verpachtet oder ins Eigentum übertragen werden sollten, erklärte sie: "Dann halt Letzteres".

Der Erstrichter hielt in unmittelbarem Anschluß an diese Vernehmung in einem Aktenvermerk fest, daß die Betroffene bei der Beantwortung der Frage "sichtlich schwankt". Es sei anfangs mit ihr ein normales und verständiges Gespräch möglich gewesen. Wenn es aber um die Regelung der Verlassenschaft gehe, hinterlasse sie erkennbar einen verunsicherten Eindruck und könne keine klare Vorstellung vermitteln, wie aus ihrer Sicht die Verlassenschaft geregelt werden solle.

In der fortgesetzten Tagsatzung erklärte die Betroffene noch, daß sie nicht glaube, einen Sachwalter zu benötigen. Sie sei nicht krank. "Wieso soll ich jetzt zu einem Nervenfacharzt gehen" (S 2 in ON 2).

Das Erstgericht leitete von Amts wegen das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 236 ABGB ein (P 1.) und bestellte einen Nervenfacharzt zum Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens darüber, ob und inwieweit die Betroffene aufgrund einer geistigen oder psychischen Behinderung allenfalls nicht in der Lage sei, alle oder nur einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen (P 2.).Das Erstgericht leitete von Amts wegen das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters gemäß Paragraph 236, ABGB ein (P 1.) und bestellte einen Nervenfacharzt zum Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens darüber, ob und inwieweit die Betroffene aufgrund einer geistigen oder psychischen Behinderung allenfalls nicht in der Lage sei, alle oder nur einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen (P 2.).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betroffenen keine Folge. Es lägen Anhaltspunkte dafür vor, daß die Betroffene nicht ohne Gefahr eines Nachteils die Verlassenschaftsabhandlung bestreiten könne.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Betroffene, die Entscheidung des Rekursgerichtes aufzuheben (erkennbar wird die Abänderung dahin beantragt, den erstinstanzlichen Beschluß auf Einleitung des Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters ersatzlos zu beheben).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person (§ 273 ABGB) konkret und begründet sein. Die Anhaltspunkte müssen sich sowohl auf die psychische Krankheit oder geistige Behinderung als auch auf die Schutzbedürftigkeit beziehen (EvBl 1992/12; 3 Ob 2291/96z). Die "Angelegenheiten", die die Betroffene allenfalls nicht ohne Nachteil für sich ohne einen Sachwalter selbst besorgen könnte, betreffen hier das anhängige Verlassenschaftsverfahren und das in Aussicht genommene Erbenübereinkommen. Die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung besteht jedenfalls dann nicht, wenn sich die Betroffene der Hilfe anderer Personen, etwa eines Rechtsberaters und Rechtsvertreters, bedienen kann (EvBl 1992/12). Daß die Betroffene wegen einer Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage wäre, sich der Hilfestellung eines Beraters zu versichern, kann auf der Basis der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Der festgestellte Sachverhalt der Vorinstanzen besteht ausschließlich in dem von der Betroffenen vermittelten Eindruck einer "Unsicherheit" über die im Verlassenschaftsverfahren anstehenden tatsächlichen und rechtlichen Probleme. Eine derartige Unsicherheit wäre jedoch noch kein konkreter und ausreichender Grund, die im Verfahren nicht vertretene Partei einem Verfahren nach § 236 AußStrG mit den damit verbundenen Eingriffen in die Privatsphäre zu unterziehen. Dies wäre erst zulässig, wenn feststünde, daß die Betroffene nicht einmal in der Lage wäre, einen wirksamen Auftrag zur Rechtsberatung und Rechtsvertretung zu erteilen. Auch die Annahme einer geistigen Behinderung der Betroffenen ist noch nicht ausreichend indiziert. Daß sie (allenfalls) das Ergebnis der Erbenzusammenkunft vor dem Notar zunächst falsch schilderte und daß sie nach dem Eindruck des Erstrichters keine "klare Vorstellung" darüber hat, wie die Verlassenschaft geregelt werden soll, reicht hiefür nicht aus. Zu beiden Kriterien (geistige Behinderung; Schutzbedürftigkeit) ist der Sachverhalt ergänzungsbedürftig. Es werden nähere Feststellungen über die Fähigkeit der Betroffenen zu treffen sein, die anstehenden Probleme im Verlassenschaftsverfahren (nach Belehrung) zu erfassen, insbesondere ob sie in der Lage ist, wirksam einen rechtskundigen Berater mit ihrer Vertretung zu betrauen. Sollte dies bejaht werden können und ist eine Vertretung im Verlassenschaftsverfahren gesichert (etwa dadurch, daß dem für sie einschreitenden Rechtsanwalt auch für die Abhandlung Vollmacht erteilt wurde), wird von der Einleitung des Verfahrens gemäß § 236 AußStrG Abstand genommen werden können.Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person (Paragraph 273, ABGB) konkret und begründet sein. Die Anhaltspunkte müssen sich sowohl auf die psychische Krankheit oder geistige Behinderung als auch auf die Schutzbedürftigkeit beziehen (EvBl 1992/12; 3 Ob 2291/96z). Die "Angelegenheiten", die die Betroffene allenfalls nicht ohne Nachteil für sich ohne einen Sachwalter selbst besorgen könnte, betreffen hier das anhängige Verlassenschaftsverfahren und das in Aussicht genommene Erbenübereinkommen. Die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung besteht jedenfalls dann nicht, wenn sich die Betroffene der Hilfe anderer Personen, etwa eines Rechtsberaters und Rechtsvertreters, bedienen kann (EvBl 1992/12). Daß die Betroffene wegen einer Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage wäre, sich der Hilfestellung eines Beraters zu versichern, kann auf der Basis der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Der festgestellte Sachverhalt der Vorinstanzen besteht ausschließlich in dem von der Betroffenen vermittelten Eindruck einer "Unsicherheit" über die im Verlassenschaftsverfahren anstehenden tatsächlichen und rechtlichen Probleme. Eine derartige Unsicherheit wäre jedoch noch kein konkreter und ausreichender Grund, die im Verfahren nicht vertretene Partei einem Verfahren nach Paragraph 236, AußStrG mit den damit verbundenen Eingriffen in die Privatsphäre zu unterziehen. Dies wäre erst zulässig, wenn feststünde, daß die Betroffene nicht einmal in der Lage wäre, einen wirksamen Auftrag zur Rechtsberatung und Rechtsvertretung zu erteilen. Auch die Annahme einer geistigen Behinderung der Betroffenen ist noch nicht ausreichend indiziert. Daß sie (allenfalls) das Ergebnis der Erbenzusammenkunft vor dem Notar zunächst falsch schilderte und daß sie nach dem Eindruck des Erstrichters keine "klare Vorstellung" darüber hat, wie die Verlassenschaft geregelt werden soll, reicht hiefür nicht aus. Zu beiden Kriterien (geistige Behinderung; Schutzbedürftigkeit) ist der Sachverhalt ergänzungsbedürftig. Es werden nähere Feststellungen über die Fähigkeit der Betroffenen zu treffen sein, die anstehenden Probleme im Verlassenschaftsverfahren (nach Belehrung) zu erfassen, insbesondere ob sie in der Lage ist, wirksam einen rechtskundigen Berater mit ihrer Vertretung zu betrauen. Sollte dies bejaht werden können und ist eine Vertretung im Verlassenschaftsverfahren gesichert (etwa dadurch, daß dem für sie einschreitenden Rechtsanwalt auch für die Abhandlung Vollmacht erteilt wurde), wird von der Einleitung des Verfahrens gemäß Paragraph 236, AußStrG Abstand genommen werden können.

Anmerkung

E46619 06A01967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00196.97K.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19970619_OGH0002_0060OB00196_97K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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