TE OGH 1997/6/19 6Ob149/97y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jakob H*****, vertreten durch Mag.Wolfgang Stabauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Wilhelm G*****, vertreten durch Dr.Dipl.Ing.Christoph Aigner und Dr.Thomas Feichtinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 63.800 S und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5.März 1997, GZ 1 R 40/97a-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23.Dezember 1996, GZ 6 Cg 84/96y-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger hat dem Beklagten die mit 6.975 S (darin 1.162,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 11.491,04 S (darin 6.620 S Barauslagen und 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10.3.1995 ereignete sich auf der Gschössllift-Piste der Postalm im Gemeindegebiet von Abtenau ein Schiunfall, an dem die Streitteile beteiligt waren. Die Piste verläuft von der Bergstation kommend in Annäherung an die spätere (ca 300 m bis 400 m unter der Bergstation gelegene) Unfallstelle in einem Linksbogen. Sie ist mittelschwierig und weist bis zur Unfallstelle mehrere Steilstufen und Flachstücke auf. Für abfahrende Pistenbenützer ist sie zumindest ab der Kuppe vor dem letzten Steilhang, somit rund 100 m vor dem Unfallbereich, und darüber hinaus übersichtlich. Auf der Höhe des Unfallbereiches ist die Piste rund 40 bis 50 m breit und hat eine geringfügige Querneigung nach rechts (Süden) von etwa 3 %. Sie wird im Unfallbereich linker Hand von einem Wald begrenzt.

Am Unfalltag war es sonnig, es lag viel Schnee, dieser war griffig. Der Kläger fährt seit vielen Jahren Schi, ist ein guter Schifahrer und beherrscht den Parallelschwung auf der Piste einwandfrei. Vor dem Unfall war er drei bis vier Jahre lang nicht Schi gefahren. Der Beklagte ist ein guter Schifahrer und Schilehrwart.

Der Kläger fuhr mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 km/h in relativ kurzen Schwüngen unweit des linken Pistenrandes ab. Etwa 20 m vor der späteren Unfallstelle ließ er seine Schier in aufrechter Körperhaltung etwa 2 m neben dem linken Pistenrand geradlinig weiterlaufen.

Der Beklagte fuhr - nachdem er 200 m oberhalb der späteren Unfallstelle angehalten hatte, in mittelgroßen Schwüngen in mittelmäßiger bis zügiger Geschwindigkeit (40 bis 50 km/h) ab. Nachdem ein Bekannter des Beklagten im Steilhang ca 50 m oberhalb der späteren Unfallstelle gestürzt war, fuhr der Kläger rechts am Gestürzten vorbei und wollte in einem weitgezogenen Linksschwung in Richtung auf den Pistenrand zu anhalten, um zu sehen, ob sein Bekannter Hilfe benötigt. Er setzte den letzten Linksschwung ca 30 bis 35 m oberhalb der späteren Kollisionsstelle an, wobei er den Bereich der Piste unterhalb und neben sich beobachtete, und zog den Linksbogen in Richtung auf den linken Pistenrand mit schräg gestellten Schiern durch. Im Zuge des Linksbogens verringerte er seine Geschwindigkeit. Der Kläger befand sich in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte den Linksschwung begann, 40 bis 48 m oberhalb der späteren Kollisionsstelle und positionsmäßig höher als der Beklagte. Er hätte bei Einhalten der gebotenen Aufmerksamkeit den Beklagten so rechtzeitig wahrnehmen können, daß er auf kontrollierter Fahrt die Kollision durch einen Brems- oder Ausweichschwung nach rechts hätte vermeiden können. Die Kollisionsursache lag in einem Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsfehler des Klägers.

Der Kläger rammte den Beklagten in spitzem bis rechtem Winkel von hinten kommend, wobei er Verletzungen an der rechte Gesichtsseite erlitt, während der Beklagte an der linken hinteren Körperseite, insbesondere im Bereich der linken Niere verletzt wurde.

Der Kläger begehrt 60.000 S Schmerzengeld und Schadenersatz für die Beschädigung an Schiern und Kleidung im Gesamtbetrag von 3.800 S sowie die Feststellung, daß ihm der Beklagte für alle nachteiligen Folgen aus diesem Schiunfall hafte. Der Kläger räumte ein 50 %iges Mitverschulden ein und führte aus, der Beklagte habe ihn zuerst mit dem Schistock im Gesicht getroffen und dann von halb rechts hinten gerammt.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Das Alleinverschulden treffe den Kläger, der sich von oben in extrem schneller Schußfahrt genähert und den Beklagten niedergestoßen habe. Der Kläger sei nicht auf Sicht gefahren und habe seine Fahrweise nicht den Umständen angepaßt. Für die vom Beklagten erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzengeld von 20.000 S gerechtfertigt. Auch die Schibindung im Wert von 3.000 S sei total beschädigt worden, so daß er eine Gegenforderung von 33.000 S aufrechnungsweise einwende.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Alleinverschulden treffe den Kläger. Er habe aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit den unterhalb von ihm fahrenden Beklagten nicht wahrgenommen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und erließ ein nur die Klageforderung betreffendes Teilurteil. Es stellte fest, daß der Beklagte dem Kläger für ein Drittel aller nachteiligen Folgen aus dem gegenständlichen Schiunfall hafte und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 40.000 S an anteiligem Schmerzengeld. Das Mehrbegehren wies es ab. Die Entscheidung über die Gegenforderung und die Verfahrenskosten wurde der Endentscheidung vorbehalten.

Das Berufungsgericht bewertete den das Feststellungsbegehren betreffenden Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Beklagte habe sich, als er zum Linksbogen angesetzt habe, 30 m rechts unterhalb des Klägers befunden. Der Kläger als von hinten kommender Schifahrer hätte seine Fahrspur so wählen müssen, daß er den vor ihm fahrenden Beklagten nicht gefährdet. Bei Einhalten der gebotenen Aufmerksamkeit wäre er auch in der Lage gewesen, den Beklagten wahrzunehmen und hätte - wozu er nach FIS-Regel 1 (Rücksicht auf andere Schifahrer) auch verpflichtet gewesen wäre, dem Beklagten ausweichen oder vor ihm anhalten können. Den Kläger treffe daher das überwiegende Verschulden am Zustandekommen des Unfalles.

Der Beklagte habe die Piste nicht gequert, er habe im Zuge des Linksschwunges eine Seitwärtsbewegung unter Einhaltung eines Winkels von 45 Grad zur Pistenquerachse ausgeführt und den Vorrang des Klägers auch nicht verletzt. Allerdings müsse sich jeder Schifahrer so verhalten, daß er keinen anderen gefährdet oder schädigt. Wenngleich er das Gelände hinter sich nicht genau zu beobachten habe, dürfe er seine Fahrweise nicht so ändern, daß er in einem nahezu rechten Winkel die Fahrlinie eines anderes Schifahrers kreuze, ohne entsprechende Beobachtungsmaßnahmen zu setzen. Der Beklagte habe sich im letzten Teil seiner Linksfahrt in einem nahezu rechten Winkel zur Fahrweise des Klägers befunden, seine angestrebte Halteposition sei in der Fahrlinie des Klägers gelegen gewesen. Eine Beobachtung des oberhalb gelegenen Pistenbereichs wäre dem Beklagten möglich und zumutbar gewesen. Er habe somit nach den allgemeinen Grundsätzen der Rücksichtnahme auf andere Schifahrer ein unfallrelevantes, regelwidriges Verhalten zu verantworten. Angesichts des Umstandes, daß der Kläger sich oberhalb des Beklagten befunden und ihn von hinten gerammt habe, müsse das Verschulden des Klägers als überwiegend angesehen werden. Eine Verschuldensaufteilung 2 : 1 zu Lasten des Klägers sei somit gerechtfertigt.

Über die Höhe der Gegenforderung könne mangels entsprechender Feststellungen nicht abgesprochen werden. Darüber sei erst im Endurteil zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Haftung bei Schiunfällen abgewichen ist und ungeachtet des rechtlichen Zusammenhangs zwischen Klage- und Gegenforderung (§ 391 Abs 3 ZPO) ein Teilurteil nur über die Klagsforderung erlassen hat.Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Haftung bei Schiunfällen abgewichen ist und ungeachtet des rechtlichen Zusammenhangs zwischen Klage- und Gegenforderung (Paragraph 391, Absatz 3, ZPO) ein Teilurteil nur über die Klagsforderung erlassen hat.

Die Revision ist auch berechtigt.

Der Beklagte macht in seiner Revision geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine besondere Beobachtungspflicht des vorausfahrenden, bevorrangten und nicht querenden Schifahrers angenommen.

Vorauszuschicken ist, daß das Berufungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Vorrang des Beklagten als vorderen, unten fahrenden Schifahrers gegenüber dem von oben (nach)kommenden Kläger bejahten (SZ 60/133; JBl 1984, 673 und 1989, 725; JUS-extra OGH-Z 1790; RIS-Justiz RS0023404 und 0023452).

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen wird auch deutlich, daß der Beklagte angesichts der von ihm eingehaltenen Fahrtstrecke die Piste nicht querte, sondern den Linksschwung, in dessen Verlauf es zur Kollision kam, in einem Winkel von rund 45 Grad zur Pistenquerachse ausführte. Eine Verpflichtung des Beklagten, die Piste als diese querender Schifahrer auch nach obenhin zu beobachten, bestand somit, wie auch das Berufungsgericht mit Recht ausführte - nicht (JBl 1984, 673 und 1989, 725; JUS-extra OGH-Z 1790; RIS-Justiz RS0023521).

Das Berufungsgericht legt jedoch dem Beklagten regelwidriges, unfallkausales Verhalten nach den allgemeinen Grundsätzen der Rücksichtnahme auf andere Schifahrer zur Last. Er habe die Fahrlinie des nachkommenden Klägers in Richtung auf den Pistenrand zu gekreuzt, ohne nach oben zu schauen. Die Beobachtung der oberhalb gelegenen Piste sei ihm möglich und zumutbar gewesen.

Der schon in den FIS-Regeln (die eine Zusammenfassung der bei Ausübung des Schisports zu beachtenden Sorgfaltsregeln darstellen vgl JBl 1989, 725), verankerte Grundsatz der Rücksichtnahme auf andere Schifahrer darf nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht überspannt werden, um nicht das Schifahren überhaupt unmöglich zu machen (ZVR 1986/135; RIS-Justiz RS0023381). So hat die Rechtsprechung eine Verpflichtung des - wenn auch in großen Bögen - weiter unten fahrenden Pistenbenützers verneint, die oberhalb gelegene Piste zu beobachten, solange er diese nicht quert (JBl 1984, 673 und 1989, 725; ZVR 1986/135; RIS-Justiz RS0023521). Auch wurden im Zuge einer bogenförmigen Abfahrt zwischen den Scheitelpunkten der Schwünge liegende Schrägabfahrten dann nicht als "Querung" beurteilt, wenn es sich um weit ausladende Bögen mit längeren Schrägfahrten handelte (JBl 1984, 673).Der schon in den FIS-Regeln (die eine Zusammenfassung der bei Ausübung des Schisports zu beachtenden Sorgfaltsregeln darstellen vergleiche JBl 1989, 725), verankerte Grundsatz der Rücksichtnahme auf andere Schifahrer darf nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht überspannt werden, um nicht das Schifahren überhaupt unmöglich zu machen (ZVR 1986/135; RIS-Justiz RS0023381). So hat die Rechtsprechung eine Verpflichtung des - wenn auch in großen Bögen - weiter unten fahrenden Pistenbenützers verneint, die oberhalb gelegene Piste zu beobachten, solange er diese nicht quert (JBl 1984, 673 und 1989, 725; ZVR 1986/135; RIS-Justiz RS0023521). Auch wurden im Zuge einer bogenförmigen Abfahrt zwischen den Scheitelpunkten der Schwünge liegende Schrägabfahrten dann nicht als "Querung" beurteilt, wenn es sich um weit ausladende Bögen mit längeren Schrägfahrten handelte (JBl 1984, 673).

Daß es auch in solchen Fällen zu Überschneidungen der Fahrlinien und deshalb zu Kollisionen kommen kann, braucht keine nähere Erörterung. Der Umstand allein, daß ein Schifahrer durch eine Abfahrt in weiten Bögen - dem ist auch das Zufahren in Richtung auf den Pistenrand in einem weiten Bogen gleichzuhalten - die Fahrlinie eines anderen (benachrangten) Pistenbenützers kreuzen könnte, verpflichtet den vorausfahrenden bevorrangten Schifahrer mangels Hinzutretens weiterer Umstände noch nicht, nachkommende, noch oberhalb befindliche und deshalb benachrangte Schifahrer zu beobachten. Er darf sich vielmehr darauf verlassen, daß der benachrangte nachkommende Pistenbenützer seinerseits die Pistenregeln einhält (RIS-Justiz RS0023645). Für die Annahme besonderer, eine weitergehende Beobachtungspflicht auslösende Umstände besteht im vorliegenden Fall kein Anlaß. Nach den Feststellungen war die Piste für den benachrangten Kläger in Annäherung an die spätere Unfallstelle gut einsehbar; Engstellen waren nicht vorhanden.

Der für den Fall der Kreuzung mehrerer (davor getrennter) Pisten entwickelte Sorgfaltsmaßstab (ZVR 1986/135) ist hier schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Kollision zwischen zwei dieselbe Piste benützenden Schifahrern zu beurteilen ist, von denen der eine gegenüber dem anderen bevorrangt war.

Ein Sorgfaltsverstoß des Beklagten ist somit zu verneinen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren zutreffend abgewiesen, sein Urteil ist wiederherzustellen.

Die weitere Rechtsfrage, ob das Berufungsgericht angesichts des rechtlichen Zusammenhangs zwischen Klage und Gegenforderung (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 15 zu § 392) durch Fassung eines Teilurteils gegen § 391 Abs 3 ZPO verstoßen hat, kann dahingestellt bleiben.Die weitere Rechtsfrage, ob das Berufungsgericht angesichts des rechtlichen Zusammenhangs zwischen Klage und Gegenforderung vergleiche Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 15 zu Paragraph 392,) durch Fassung eines Teilurteils gegen Paragraph 391, Absatz 3, ZPO verstoßen hat, kann dahingestellt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E46863 06A01497

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00149.97Y.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19970619_OGH0002_0060OB00149_97Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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