TE OGH 1997/6/19 6Ob181/97d

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Veröffentlicht am 19.06.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Daniela B***** 3.10.1981, in Obsorge der Mutter Gladys B*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, Wien 2, Karmelitergasse 9, als Unterhaltssachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters, Ernst B*****, SQN 210 BL H Apt. 403, Brasilia DF (Asa Norte), Brasilien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28.Jänner 1997, GZ 43 R 22/97x-104, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 24. April 1996, GZ 1 P 1041/95p-90, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die mj.Daniela B*****, geboren 3.10.1981, wächst bei der Mutter auf. In einem anläßlich der Ehescheidung am 10.6.1985 geschlossenen, pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich hatte sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.500 S verpflichtet. Vergleichsgrundlage war ein monatliches Durchschnittseinkommen von

8.500 S, das der Vater als Kellner bezogen hatte. Mit Beschluß vom 16.8.1991 wurde der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.800 S ab 1.7.1991 verpflichtet. Er war damals arbeitslos und bezog Arbeitslosenunterstützung bzw Notstandshilfe. Das Erstgericht ging von einem erzielbaren Nettoeinkommen als Kellner von 10.000 S monatlich aus und spannte dem Vater auf diesen Betrag an.

Am 9.11.1995 beantragte der Vater eine Herabsetzung auf 1.200 S ab November 1995. Er sei saisonbedingt voraussichtlicherweise bis April 1995 arbeitslos, beziehe Notstandshilfe von 219 S täglich und sei zu einer Unterhaltsleistung von 1.200 S monatlich bereit.

Die Mutter sprach sich gegen eine Unterhaltsherabsetzung aus und stellte ihrerseits einen Erhöhungsantrag auf 2.600 S monatlich ab 1. November 1995. Der Vater könne als Kellner 13.000 S netto monatlich verdienen. Daß er in den Wintermonaten Arbeitslosengeld beziehe, dürfe nicht zum Nachteil des Kindes sein.

Das Amt für Jugend und Familie als Unterhaltssachwalter trat dem Erhöhungsantrag bei.

Am 27.2.1996 beantragte der Unterhaltssachwalter eine Erhöhung auf 3.000 S monatlich ab 1.3.1996. Die Mutter habe einen höheren Bedarf angemeldet. Dieser sei dem Vater wirtschaftlich zumutbar. Der Umstand, daß er immer wieder arbeitslos gemeldet und dann wieder bei derselben Firma beschäftigt werde, weise darauf hin, daß die finanziellen Ressourcen eine höhere Unterhaltsverpflichtung decken. Der Vater sei erfahrungsgemäß zu einem Vergleichsabschluß über diesen Betrag nicht bereit, auf die Aktenlage werde verwiesen.

Das Erstgericht verfügte die Zustellung beider Erhöhungsanträge an den Vater jeweils unter der Anschrift ***** und lud ihn jeweils zu einem der innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt der Ladung stattfindenden Amtstage. Es wies darauf hin, daß - sollte in der gesetzten Frist der Vater nicht bei Gericht vorsprechen oder eine schriftliche Stellungnahme bei Gericht einlangen - in Anwendung des § 185 Abs 3 AußStrG angenommen werde, daß er dem beiliegenden Antrag keine Einwendungen entgegensetzt. Die Aufforderung zur Stellungnahme zum ersten Erhöhungsantrag wurde am 5.12.1995, jene zum zweiten Erhöhungsantrag am 22.3.1996 hinterlegt.Das Erstgericht verfügte die Zustellung beider Erhöhungsanträge an den Vater jeweils unter der Anschrift ***** und lud ihn jeweils zu einem der innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt der Ladung stattfindenden Amtstage. Es wies darauf hin, daß - sollte in der gesetzten Frist der Vater nicht bei Gericht vorsprechen oder eine schriftliche Stellungnahme bei Gericht einlangen - in Anwendung des Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG angenommen werde, daß er dem beiliegenden Antrag keine Einwendungen entgegensetzt. Die Aufforderung zur Stellungnahme zum ersten Erhöhungsantrag wurde am 5.12.1995, jene zum zweiten Erhöhungsantrag am 22.3.1996 hinterlegt.

Eine Dienstgeberabfrage ergab für die Zeit zwischen 18.April und 4. Oktober 1995 ein monatliches Nettoeinkommen von 9.815 S. Eine Anfrage beim zuständigen Sozialversicherungsträger ergab, daß der Vater seit 1991 nur während der Sommermonate März/April bis etwa November eines jeden Jahres für ein Mietwagenunternehmen gearbeitet hatte und dazwischen arbeitslos war.

Mit Schreiben vom 16.4.1996, gerichtet an den Unterhaltssachwalter, teilte der Vater mit, er befinde sich nunmehr in Brasilien. Das Schreiben langte am 7.5.1996 bei Gericht ein.

Das Erstgericht erhöhte unter Hinweis auf § 185 Abs 3 AußStrG die monatliche Unterhaltsleistung auf 2.600 S vom 1.11.1985 bis 28.2.1996 und auf 3.000 S ab 1.3.1996. § 185 Abs 3 AußstrG sei anzuwenden. Der Vater habe sich gegen die begehrte Unterhaltserhöhung nicht ausgesprochen. Nach der Aktenlage seien ihm die zuerkannten Unterhaltsbeiträge zumutbar. Es könne nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen, daß sich der Unterhaltspflichtige seit Jahren mit einer Saisonbeschäftigung und Arbeitslosigkeit begnüge.Das Erstgericht erhöhte unter Hinweis auf Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG die monatliche Unterhaltsleistung auf 2.600 S vom 1.11.1985 bis 28.2.1996 und auf 3.000 S ab 1.3.1996. Paragraph 185, Absatz 3, AußstrG sei anzuwenden. Der Vater habe sich gegen die begehrte Unterhaltserhöhung nicht ausgesprochen. Nach der Aktenlage seien ihm die zuerkannten Unterhaltsbeiträge zumutbar. Es könne nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen, daß sich der Unterhaltspflichtige seit Jahren mit einer Saisonbeschäftigung und Arbeitslosigkeit begnüge.

Eine ausdrückliche Entscheidung über den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters unterblieb bisher.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der ausführte, er habe am 27.2.1996 eine brasilianische Staatsbürgerin geheiratet und sei mit dieser nach Brasilien verzogen, verfüge über kein eigenes Einkommen und sei daher nicht in der Lage, Unterhaltsbeiträge in der festgesetzten Höhe zu entrichten, unter Hinweis auf § 185 Abs 3 AußStrG nicht Folge.Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der ausführte, er habe am 27.2.1996 eine brasilianische Staatsbürgerin geheiratet und sei mit dieser nach Brasilien verzogen, verfüge über kein eigenes Einkommen und sei daher nicht in der Lage, Unterhaltsbeiträge in der festgesetzten Höhe zu entrichten, unter Hinweis auf Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG nicht Folge.

Die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeiträge seien angemessen. Dem Vater sei bei Anspannung seiner Kräfte ein Einkommen als Kellner im Bereich zwischen 13.000 S und 14.000 S monatlich zuzumuten. Daß er seine Kräfte nicht zur Erzielung eines adäquaten Einkommens ausschöpfe, ergäbe sich neben jahrelangen Arbeitslosen- und Notstandsunterstützungen auch daraus, daß er nach eigener Aussage nicht gewillt sei, den ihm zustehenden Familienzuschlag in Anspruch zu nehmen.

Das Rekursgericht verneinte die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil das Rekursgericht § 185 Abs 3 AußStrG und die für die Anspannung maßgeblichen Grundsätze des Obersten Gerichtshofes unrichtig angewendet hat. Er ist auch berechtigt.Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil das Rekursgericht Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG und die für die Anspannung maßgeblichen Grundsätze des Obersten Gerichtshofes unrichtig angewendet hat. Er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist es einem Beteiligten, der sich trotz Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG nicht geäußert und damit keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, verwehrt, dem Sachverhalt, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf sein Schweigen ausgehen durfte, im Rekurs neue, davon abweichende Tatsachenbehauptungen entgegenzuhalten (ÖA 1992, 59; RZ 1991, 99; RIS-Justiz RS0006783). Das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers hat aber nur soweit als zugestanden zu gelten, als es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt (RIS-Justiz RS006941).Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist es einem Beteiligten, der sich trotz Aufforderung nach Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG nicht geäußert und damit keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, verwehrt, dem Sachverhalt, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf sein Schweigen ausgehen durfte, im Rekurs neue, davon abweichende Tatsachenbehauptungen entgegenzuhalten (ÖA 1992, 59; RZ 1991, 99; RIS-Justiz RS0006783). Das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers hat aber nur soweit als zugestanden zu gelten, als es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt (RIS-Justiz RS006941).

Die Verfahrensvereinfachung nach § 185 Abs 3 AußStrG verbietet sich daher nicht nur dann, wenn das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung bzw Erhebung der erforderlichen Entscheidungsgrundlagen erfordert, sondern auch dann, wenn der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht oder aus besonderen Gründen anzunehmen ist, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt (ÖA 1992, 59; RIS-Justiz RS0008420).Die Verfahrensvereinfachung nach Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG verbietet sich daher nicht nur dann, wenn das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung bzw Erhebung der erforderlichen Entscheidungsgrundlagen erfordert, sondern auch dann, wenn der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht oder aus besonderen Gründen anzunehmen ist, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt (ÖA 1992, 59; RIS-Justiz RS0008420).

Im vorliegenden Fall hatte der Vater kurz vor dem Erhöhungsantrag der Mutter auf 2.600 S einen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung auf 1.200 S gestellt und darauf hingewiesen, daß er nur eine Notstandshilfe in der im Antrag angeführten Höhe beziehe (ON 78). Dieser Antrag, über den das Erstgericht bisher nicht ausdrücklich entschieden hat, macht deutlich, daß er dem Erhöhungsantrag der Mutter unter Hinweis auf sein geringes Einkommen entgegentritt, worauf im übrigen auch der Unterhaltssachwalter in seinem zweiten Erhöhungsantrag hinwies.

Für die Verfahrensvereinfachung des § 185 Abs 3 AußStrG bestand daher kein Anlaß.Für die Verfahrensvereinfachung des Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG bestand daher kein Anlaß.

Die Hinterlegung der Aufforderung zur Äußerung zum zweiten Erhöhungsantrag erfolgte überdies am 22.3.1996, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Vater nach eigener Angabe bereits in Brasilien befand, somit ortsabwesend war. Die Zustimmungsfiktion des § 185 Abs 3, die darauf beruht, daß die entsprechende Aufforderung zur Äußerung auch ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist daher nicht begründet. Die Auffassung des Rekursgerichtes, das Erstgericht hätte mangels Äußerung des Vaters im Sinn des § 185 Abs 3 AußStrG ohne weitere Prüfung von einem in Relation zum begehrten Unterhaltsbeitrag ausreichenden Einkommen ausgehen müssen, ist nicht berechtigt.Die Hinterlegung der Aufforderung zur Äußerung zum zweiten Erhöhungsantrag erfolgte überdies am 22.3.1996, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Vater nach eigener Angabe bereits in Brasilien befand, somit ortsabwesend war. Die Zustimmungsfiktion des Paragraph 185, Absatz 3,, die darauf beruht, daß die entsprechende Aufforderung zur Äußerung auch ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist daher nicht begründet. Die Auffassung des Rekursgerichtes, das Erstgericht hätte mangels Äußerung des Vaters im Sinn des Paragraph 185, Absatz 3, AußStrG ohne weitere Prüfung von einem in Relation zum begehrten Unterhaltsbeitrag ausreichenden Einkommen ausgehen müssen, ist nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanzen, wonach er bei Anspannung seiner Kräfte 13.000 S bis 15.000 S als Kellner verdienen könne. Aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt der letzten Jahre sei es ihm nicht möglich gewesen, ein höheres Einkommen zu erzielen. Er sei zwischen Oktober 1995 und Frühjahr 1996 einkommenslos gewesen, nach seiner Verehelichung mit einer brasilianischen Staatsbürgerin sei er nach Brasilien verzogen und dort bis März 1997 arbeitslos gewesen. Seit diesem Zeitpunkt habe er eine Anstellung als Rezeptionist eines Hotels und verdiene umgerechnet 5.000 S monatlich.

Beide Vorinstanzen haben sich bei der Unterhaltsbemessung auf die Anspannungstheorie berufen. Dieser ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz ist im § 140 Abs 1 ABGB verankert. Danach haben die Eltern nach Kräften zur Deckung des Bedarfs des Kindes beizutragen. Sie müssen ihre gesamten persönlichen Möglichkeiten, besonders ihre Leistungskraft unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung, ihrer beruflichen Möglichkeiten und ihrer Fähigkeiten ausschöpfen, um ihrer Unterhaltspflicht nachkommen zu können. Mit der Anspannung der Leistungskraft des Unterhaltspflichtigen kann der Unterhalt auf der Grundlage eines zwar tatsächlich nicht erzielten, aber wohl erzielbaren Einkommens bemessen werden (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 140; RZ 1991/25). Die Anspannung darf hingegen nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muß immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeitäumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (Schwimann, Unterhaltsrecht 53 f; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 245 ff; 6 Ob 530/92; 1 Ob 552/93). Schwierigkeiten bei der Tatsachenfeststellung dürfen keineswegs durch Anwendung der Anspannungstheorie umgangen werden (Schwimann in Schwimann, ABGB2 Rz 60 zu § 140).Beide Vorinstanzen haben sich bei der Unterhaltsbemessung auf die Anspannungstheorie berufen. Dieser ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz ist im Paragraph 140, Absatz eins, ABGB verankert. Danach haben die Eltern nach Kräften zur Deckung des Bedarfs des Kindes beizutragen. Sie müssen ihre gesamten persönlichen Möglichkeiten, besonders ihre Leistungskraft unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung, ihrer beruflichen Möglichkeiten und ihrer Fähigkeiten ausschöpfen, um ihrer Unterhaltspflicht nachkommen zu können. Mit der Anspannung der Leistungskraft des Unterhaltspflichtigen kann der Unterhalt auf der Grundlage eines zwar tatsächlich nicht erzielten, aber wohl erzielbaren Einkommens bemessen werden (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu Paragraph 140 ;, RZ 1991/25). Die Anspannung darf hingegen nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muß immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeitäumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (Schwimann, Unterhaltsrecht 53 f; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 245 ff; 6 Ob 530/92; 1 Ob 552/93). Schwierigkeiten bei der Tatsachenfeststellung dürfen keineswegs durch Anwendung der Anspannungstheorie umgangen werden (Schwimann in Schwimann, ABGB2 Rz 60 zu Paragraph 140,).

Dem bisherigen Verhalten des Vaters sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß er entgegen der ihn treffenden Verpflichtung nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, einem Erwerb nachzugehen. Er war jahrelang nur während der Sommermonate bei ein und demselben Mietwagenunternehmen tätig und hat es von vornherein abgelehnt, eine Beschäftigung in einem anderen Bundesland anzunehmen (ON 65). Dies wäre aber zwangsläufig erforderlich - und ihm aus unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten zumutbar - , um auch während der Wintermonate (zB in Wintersportorten) eine Beschäftigung zu finden. Dessenungeachtet hätte das Erstgericht prüfen und feststellen müssen, welche realen Erwerbsmöglichkeiten der Vater nach den konkreten Umständen hatte (Schwimann aaO 53; Purtscheller/Salzmann aaO Rz 245 ff). Erst danach könnte beurteilt werden, ob die Anspannung auf ein monatliches Nettoeinkommen von 13.000 S bis 15.000 S angemessen ist, was angesichts des 1995 in den Monaten der Berufsausübung tatsächlich erzielten Monatseinkommens von 9.800 S derzeit fraglich ist. Auch in dem anläßlich der Ehescheidung 1985 geschlossenen Unterhaltsvergleich gingen die Ehegatten von einem monatlichen Nettoeinkommen von 8.500 S aus. Daß der Vater als Kellner jemals 13.000 S bis 15.000 S verdient hätte oder dazu in der Lage wäre, steht nicht fest.

Ungeklärt blieb auch, ob die Verlegung des Wohnsitzes nach Brasilien ausschließlich aus berücksichtigungswürdigen Motiven oder (auch) zur Umgehung der Unterhaltspflicht erfolgte. Erfolgte der Wohnsitzwechsel nicht auch zur Umgehung der Unterhaltspflicht, ist bei Bemessung des erzielbaren Einkommens von den ausländischen Arbeitsmarktverhältnissen und den Möglichkeiten des Vaters, als Ausländer in Brasilien Arbeit zu finden, auszugehen (Jus-Extra OGH-Z 1483). Erfolgte jedoch der Wohnsitzwechsel (auch) zur Umgehung der Unterhaltspflicht, wäre das in Österreich erzielbare Einkommen der Unterhaltsbemessung zugrundezulegen.

Zur Klärung dieser für eine sachgerechte Anspannung erforderlichen Fragen erweist sich eine Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht als unumgänglich.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren im Sinn der vorstehenden Ausführungen zu klären haben, welche berufliche Ausbildung der Vater genossen, welche Qualifikationen er erworben hatte und in welchen Berufen er bisher tätig war, sowie welches Einkommen er bisher erzielt hatte. Er wäre auch darüber zu befragen, welche Anstrengungen er in jenen Zeiten, in denen er arbeitslos war, unternommen hat, um eine Beschäftigung zu finden und aus welchen Gründen er seit 1991 nur während der Sommermonate tätig war. Festzustellen sind auch seine Beweggründe für den Wohnsitzwechsel nach Brasilien und das dort für ihn erzielbare Einkommen, wofür sich zu letzterem eine Anfrage bei den Vertretungsbehörden als erforderlich erweisen könnte.

Anmerkung

E46546 06A01817

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00181.97D.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19970619_OGH0002_0060OB00181_97D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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