TE Vwgh Erkenntnis 2006/7/31 2006/05/0158

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Veröffentlicht am 31.07.2006
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §37 Abs1 Z1;
MRKZP 07te Art4;
VStG §44a Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2006/05/0159 E 31. Juli 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Mag. S in W, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Annagasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. März 2006, Zl. Senat-AM-05-1014, betreffend Übertretung der Niederösterreichischen Bauordnung (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Inhalt der Beschwerde im Zusammenhang mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt: Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 27. Oktober 2005 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als eines der gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenen Organe (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der K. und N. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft im Tatzeitraum vom 15. September 2005, 16.30 Uhr, bis 27. Oktober 2005 ein Bauwerk, nämlich das Objekt 1 des Fachmarktzentrums in G., W-Straße 44, Geschäftsbereich der K. und N. GmbH, somit ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben, welches ohne rechtskräftige Bewilligung errichtet worden sei, durch das Offenhalten eines Geschäftslokales und die Durchführung von Verkaufstätigkeiten benützt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 1 der NÖ Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde dem Beschwerdeführer die Zahlung von EUR 200,-- auferlegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei richtig, dass die Bezirkshauptmannschaft Amstetten bereits mit Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 4 BO eine Geldstrafe verhängt habe. Mangels entsprechender Konkretisierung des Schuldspruches habe aber der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich mit Bescheid vom 24. Mai 2004 den Strafausspruch dieses Erkenntnisses aufgehoben. Mit einem früheren Straferkenntnis vom 21. Jänner 2002 habe die Bezirkshauptmannschaft Amstetten über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe wegen Übertretung des § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 1 BO verhängt. Bereits mit dem zuletzt genannten Straferkenntnis sei dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer der K. und N. GmbH angelastet worden, dafür verantwortlich zu sein, dass diese Gesellschaft im (damaligen) Tatzeitraum vom 12. April 2001 bis 21. Jänner 2002 ein ohne rechtskräftige Baubewilligung errichtetes Gebäude benützt habe. Der Schuldspruch dieses Straferkenntnisses sei in Rechtskraft erwachsen. Lediglich die verhängte Geldstrafe sei in der Folge vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich herabgesetzt worden. Seit dem ersten von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten gegen den Beschwerdeführer erlassenen Straferkenntnis vom 21. Jänner 2002 hätten sich weder die für die Beurteilung des Sachverhaltes maßgeblichen tatsächlichen Umstände noch die Rechtslage geändert. Der Sachverhalt des damals angelasteten Tatzeitraumes sei mit dem des nunmehrigen Tatzeitraumes ident. Nachdem das Straferkenntnis vom 21. Jänner 2002 im Hinblick auf die Übertretung des § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 1 BO in Rechtskraft erwachsen sei, sei die Bezirkshauptmannschaft Amstetten an diese Entscheidung gebunden gewesen, zumal keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, sondern vielmehr eine Fortsetzung des inkriminierten Verhaltens vorliege. Das vom Beschwerdeführer zitierte Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 betreffend Übertretung des § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 4 BO sei für die Beurteilung der Rechtsfrage nicht maßgebend, da - wie bereits ausgeführt - der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich mangels entsprechender Konkretisierung des Schuldspruches den Strafausspruch dieses Erkenntnisses aufgehoben habe. Im Übrigen wäre die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wegen Identität des Sachverhaltes nicht berechtigt gewesen, das Verhalten des Beschwerdeführers in diesem Straferkenntnis betreffend einen späteren Tatzeitraum in rechtlicher Hinsicht anders zu beurteilen als das Verhalten im vorangegangenen Tatzeitraum. Abgesehen davon sei das gegenständliche Bauvorhaben, verglichen mit der dafür erwirkten Baubewilligung, sowohl in geänderter Lage als auch mit geänderten Abmessungen hergestellt worden. Die Abstände zum Geh- und Radweg und von der W.-Straße würden nur mehr 3,50 m bzw. 3,24 m anstelle der bewilligten Abstände von 8,40 m bzw. 8,11 m betragen. Das Objekt sei darüber hinaus mit einer Breite von 18 m anstelle der bewilligten 15 m hergestellt worden, wodurch eine Vergrößerung der insgesamt überbauten Fläche von 1.359,06 m2 auf 1.678,41 m2 erfolgt sei. Das Bauvorhaben sei somit als rechtliches "aliud" anzusehen, weshalb dafür eine Bewilligung für einen Neu- und Zubau erforderlich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe daher den Tatbestand des § 37 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 Z 1 BO erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Bezirkshauptmannschaft Amstetten habe über ihn bereits mit Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 für den Tatzeitraum vom 12. April 2001 (gemeint wohl: 29. Jänner 2002) bis zum 10. Februar 2003 eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe wegen der auch mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid angelasteten Tathandlung (Offenhalten eines Geschäftslokales und Durchführung von Verkaufstätigkeiten) am selben Tatort (Objekt 1 des Fachmarktzentrums in G.) verhängt. Die erstinstanzliche Behörde habe sich jedoch damals nicht wie in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Strafverfahren auf § 14 Z 1 BO, sondern auf § 14 Z 4 BO berufen. In den zur Beurteilung des Sachverhaltes maßgeblichen tatsächlichen Umständen sei aber keine Änderung eingetreten. Identität der Sache liege selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden habe. Eine kumulative Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 14 Z 1 und Z 4 BO sei somit unzulässig. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich sei im gegen den weiteren Geschäftsführer der K. und N. GmbH geführten Parallelverfahren mit identen Tatanlastungen, Begründungen und Tatzeiträumen zu Recht davon ausgegangen, dass ein und dieselbe Tathandlung, selbst bei verschiedenen Tatzeiträumen, nicht alternative Tatbestände verwirklichen könne. Der Beschwerdeführer führt weiter aus, dass jede Behörde an den von ihr erlassenen Bescheid gebunden sei. Die Behörde sei daher auch an ihre Hauptfragenentscheidung in einem anderen (früheren) Verfahren gebunden. In dem den Beschwerdeführer betreffenden Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 sei die übertretene Norm, nämlich § 14 Z 4 BO, ausdrücklich genannt worden. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen derselben Tathandlung, jedoch aufgrund eines unterschiedlichen Tatbestandes, verstoße daher gegen das Verbot der Doppelbestrafung und gegen die Bindungswirkung von Bescheiden.

Die hier maßgebenden Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:

"§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;

...

4. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

...

§ 37 Verwaltungsübertretungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Handlung bildet, wer

1. ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtskräftige Baubewilligung ausführt oder ausführen läßt oder ein so errichtetes oder abgeändertes Bauwerk benützt,

...

(2) Übertretungen nach

Abs. 1 Z. 1, 5 und 10 sind mit einer Geldstrafe von EUR 365,- bis zu EUR 7.300,-, zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen,

...

zu bestrafen."

Mit seinem Vorbringen zur Identität der Sache und zum Verbot der Doppelbestrafung verkennt der Beschwerdeführer, dass dieselbe strafbare Handlung immer nur dann vorliegt, wenn sie sich auf denselben Tatzeitraum bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1998, Zl. 97/10/0033). Der Beschwerdeführer zeigt gerade nicht auf, dass er für den hier angelasteten Tatzeitraum vom 15. September 2005, 16.30 Uhr, bis 27. Oktober 2005 bereits bestraft worden ist. Vielmehr geht aus dem von ihm ins Treffen geführten und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 hervor, dass ihm damals ein anderer Tatzeitraum, nämlich vom 29. Jänner 2002 bis 10. Februar 2003, angelastet wurde. Dem Beschwerdeführer (und ebenso der belangten Behörde) kann im Übrigen auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie vermeinen, die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wäre wegen Identität des Sachverhaltes nicht berechtigt gewesen, das Verhalten des Beschwerdeführers in einem Straferkenntnis betreffend einen späteren Tatzeitraum in rechtlicher Hinsicht anders zu beurteilen als dasselbe Verhalten im vorangegangenen Tatzeitraum. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass Identität der Sache auch dann vorliegt, wenn die Behörde im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1973, Zl. 35/73, vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0169, und vom 22. Mai 2001, Zl. 2001/05/0075). Daraus kann aber nicht - wie vom Beschwerdeführer gewünscht - abgeleitet werden, dass eine Behörde gehindert wäre, ein gleichgelagertes strafbares Verhalten zu verschiedenen Zeiträumen rechtlich anders zu beurteilen. Vielmehr geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass weder mangelhafte Ermittlungen noch die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren an der entschiedenen Sache etwas ändern können, sodass ein Aufrollen dieser Umstände, dann wenn Identität der Sache vorliegt, ausgeschlossen ist; wie bereits ausgeführt, liegt bei unterschiedlichen Tatzeiträumen aber Identität der Sache gerade nicht vor. Es ist daher nicht von Relevanz, ob der Beschwerdeführer für einen anderen Tatzeitraum bereits nach § 14 Z 4 BO bestraft wurde.

Der Beschwerdeführer stellt schließlich die von der belangten Behörde festgestellten Abweichungen des tatsächlich errichteten Objektes gegenüber der dafür erwirkten Baubewilligung nicht in Abrede. Der belangten Behörde kann somit aber nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie zu dem Schluss kam, dass das gegenständliche Objekt in seinen Ausmaßen und damit auch in seiner Situierung von der dafür erteilten Baubewilligung um die festgestellten Maße abweicht, sodass von einem rechtlichen "aliud" auszugehen ist. Da die Baubewilligung für ein durch seine Größe und Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass auf Grund der gegenständlichen Abweichungen eine neuerliche Baubewilligung nach § 14 Z 1 BO erforderlich gewesen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/05/0262, mwN).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. Juli 2006

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006050158.X00

Im RIS seit

25.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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