Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Natascha P*****, und Isabella P*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, 1020 Wien, Karmelitergasse 9, als Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch den Unterhaltssachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 8.April 1997, GZ 44 R 152/97x-143, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 4.Februar 1997, GZ 14 P 27/96w-136, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahingehend abgeändert, daß er einschließlich seines in Rechtskraft erwachsenen Teiles zu lauten hat:
Die den Minderjährigen Natascha und Isabella P***** gewährten Unterhaltsvorschüsse werden ab 25.9.1996 auf monatlich 642 S je Kind herabgesetzt. Sie sind bis 24.9.1996 in voller Höhe von je 1.750 S zu gewähren.
Text
Begründung:
Die Minderjährigen Natascha P***** und Isabella P***** leben im gemeinsamen Haushalt mit ihrem obsorgeberechtigten Vater. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 18.8.1994 (ON 92) wurde die Mutter unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.750 S je Kind ab 1.8.1993 verpflichtet.
Aufgrund dieses Titels wurden den Minderjährigen für die Zeit vom 1.7.1995 bis 30.6.1998 Unterhaltsvorschüsse weitergewährt (ON 116).
Die Mutter brachte am 31.7.1996 ein weiteres Kind zur Welt. Sie bezog von August 1995 bis 14.2.1996 keine Sozialhilfe. Ab 15.2.1996 erhielt sie Sozialhilfe von zunächst monatlich 4.055 S, im August 1996 von 7.812 S und im September 1996 von 2.017 S. Von Oktober 1996 bis Jänner 1997 nahm sie keine Sozialhilfe in Anspruch, im Februar 1997 erhielt sie 2.000 S.
Das Erstgericht stellte die Unterhaltsvorschüsse rückwirkend zum 1.8.1995 mit der Begründung ein, der Mutter könne angesichts ihrer Sozialhilfebezüge keine Unterhaltsleistung zugemutet werden. Ein Anspruch auf Karenzurlaubsgeld bestehe mangels Anwartschaft nicht.
Dieser Beschluß wurde hinsichtlich der Einstellung für die Zeit vom 1.8.1995 bis 30.9.1996 zur Gänze und für die Zeit ab 1.10.1996 nur hinsichtlich von je 642 S angefochten. Er wurde insoweit teilrechtskräftig, als die Unterhaltsvorschüsse ab 1.10.1996 hinsichtlich eines je 642 S übersteigenden Betrages herabgesetzt wurden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Unterhaltssachwalter teilweise Folge und stellte die Unterhaltsvorschüsse mit 31.5.1996 ein. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Mutter sei bis zum Beginn der Schutzfrist (8 Wochen vor der Geburt des dritten Kindes) verpflichtet gewesen, einem Erwerb nachzugehen, ihre titelmäßige Verpflichtung sei daher bis zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt. Ab Beginn der Schutzfrist sei sie nicht in der Lage gewesen, einer außerhäuslichen Beschäftigung nachzugehen. Sie sei auch nach der Geburt des Kindes wegen ihrer Betreuungspflichten nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit imstande gewesen. Die festgestellten Sozialhilfebezüge rechtfertigten die Unterhaltsleistungen nicht. Eine Anspannung auf den Bezug von Karenzurlaubsgeld sei nicht gerechtfertigt, weil nicht unterstellt werden könne, daß auch diese Folgewirkung der Verletzung des Anspannungsgrundsatzes vom bedingten Vorsatz der unterhaltspflichtigen Mutter umfaßt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Unterhaltssachwalter ist zulässig, weil das Rekursgericht zur Anwendung des Anspannungsgrundsatzes auf Zeiträume eines Beschäftigungsverbotes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Er ist auch berechtigt.
Die Revisionsrekurswerber machen geltend, bei Anwendung des Anspannungsgrudsatzes stünde der volle Unterhaltsvorschuß für Zeiträume zu, in denen die Mutter (wäre sie davor einer Beschäftigung nachgegangen) Wochengeld hätte beziehen können. Ab Beginn eines allfälligen Karenzurlaubsgeldbezuges wäre der Unterhaltsvorschuß zumindest in Höhe des Familienzuschlages zu gewähren.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG iVm § 7 Abs 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch von Amts wegen einzustellen, wenn begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.Gemäß Paragraph 20, Absatz eins, Ziffer 4, Litera b, UVG in Verbindung mit Paragraph 7, Absatz eins, UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch von Amts wegen einzustellen, wenn begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.
Die Mutter geht seit Jahren keiner Beschäftigung nach, der gegen sie bestehende Unterhaltstitel beruht auf der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes, wobei als Bemessungsgrundlage früheres Einkommen als Buffetkraft von etwa 10.200 S herangezogen wurde.
Mit Rücksicht auf die Geburt eines weiteren Kindes (am 31.7.1996) bestünde eine Unterhaltspflicht der Mutter - als Voraussetzung für die Weitergewährung des Unterhaltsvorschusses - derzeit nur unter der Voraussetzung weiter, daß ihr eine berufliche Tätigkeit (allenfalls auch Teilzeitbeschäftigung) möglich und zumutbar wäre, wobei jedoch die Betreuungspflichten für das noch nicht dreijährige Kind zu berücksichtigen sind (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 258 mwN).
Daß die Mutter in der Lage gewesen wäre, nach Beendigung der Schutzfrist einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, behauptet auch der Revisionsrekurswerber nicht.
Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen (6 Ob 659/95), daß für den Zeitraum von Beschäftigungsverboten der Anspannungsgrundsatz zwar nicht deshalb Anwendung finden kann, weil die Mutter einer Beschäftigung nicht nachging, wohl aber im Hinblick darauf, daß sie Anspruch auf Fortbezug des Arbeitsentgeltes hätte, wenn sie davor - ihrer Pflicht entsprechend - einer Arbeit nachgegangen wäre. Unterläßt die unterhaltspflichtige Mutter eine zumutbare Beschäftigung und hindert sie dadurch die Fortzahlung des Entgeltes für die Dauer des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, ist eine Anspannung bis zur Höhe des Wochengeldes möglich. Diese Auffassung wird aufrecht erhalten. Der Unterhaltsvorschuß ist daher für die Zeiträume des Beschäftigungsverbotes vor und nach der Geburt nicht einzustellen. Angesichts des tatsächlichen Geburtstermines ist der von den Revisionsrekurswerbern hiefür berechnete Zeitraum mit der gesetzlichen Dauer des Beschäftigungsverbotes in Einklang zu bringen.
Für die Zeiträume nach Beendigung der Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz kann der Anspannungsgrundsatz deshalb Anwendung finden, weil die Mutter Anspruch auf Bezug von Karenzurlaubsgeld hätte, wenn sie davor - ihrer Pflicht entsprechend - einer Arbeit nachgegangen wäre. Unterläßt die unterhaltspflichtige Mutter jedoch eine zumutbare Beschäftigung und hindert sie dadurch den Bezug von Karenzurlaubsgeld, ist eine Anspannung bis zur Höhe des Karenzurlaubsgeldes möglich, handelt es sich dabei doch um ein in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehendes Einkommen des Unterhaltspflichtigen (Schwimann, Unterhaltsrecht 40 und 43).
Die für die Zeit ab 25.9.1996 begehrten Unterhaltsvorschüsse in Höhe des Familienzuschlages zum Karenzgeldbezugs sind daher jedenfalls berechtigt.
Anmerkung
E46928 06A02087European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00208.97Z.0717.000Dokumentnummer
JJT_19970717_OGH0002_0060OB00208_97Z0000_000