TE OGH 1997/8/27 1Ob188/97x

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Veröffentlicht am 27.08.1997
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Harald S*****, und der Nebenintervenientin Inge P*****, vertreten durch Dr.Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wider die beklagte Partei G*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Borth & Müller, Rechtsanwälte in Wien, wegen 51.780,-- S sA infolge der Rekurse der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen den Beschluß des Handelsgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 24.März 1997, GZ 1 R 11/97g-80, womit die Berufung der beklagten Partei und die Berufungsbeantwortungen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 51.780 S sA als Honorar für die Vertretung der beklagten Partei in mehreren Verfahren.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, sie hafte aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientien nicht für den Klageanspruch. Das Klagebegehren sei inhaltlich nicht nachvollziehbar, überhöht und nicht fällig. Soweit es jedoch zu Recht bestehen sollte, würden aufrechnungsweise Gegenforderungen eingewendet.

In der Tagsatzung vom 24.Juni 1996 schloß das Erstgericht die Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO und fällte am 4.September 1996 ein klagestattgebendes Urteil. Einen Tag vorher hatte der Prozeßbevollmächtigte der beklagten Partei auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet. Nach einer Mitteilung des zuständigen Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien über die Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters verfügte das Erstgericht die Zustellung einer Urteilsausfertigung an diesen. Der Zustellakt wurde am 20.September 1996 vollzogen. Am 18.Oktober 1996 (Datum der Postaufgabe) erhob die beklagte Partei - vertreten durch prozeßbevollmächtigte Rechtsanwälte - Berufung. Das Erstgericht verfügte die Zustellung je einer Gleichschrift der Berufung an den Kläger und den Prozeßbevollmächtigten der Nebenintervenientin. Der Kläger und die Nebenintervenientin erstatteten Berufungsbeanwortungen. In keinem der Schriftsätze im Berufungsverfahren wird darauf Bezug genommen, daß der vormalige Prozeßbevollmächtigte der beklagten Partei auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hatte. Das Erstgericht leitete aus diesem Verzicht keinerlei verfahrensrechtliche Konsequenzen ab.In der Tagsatzung vom 24.Juni 1996 schloß das Erstgericht die Verhandlung gemäß Paragraph 193, Absatz 3, ZPO und fällte am 4.September 1996 ein klagestattgebendes Urteil. Einen Tag vorher hatte der Prozeßbevollmächtigte der beklagten Partei auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet. Nach einer Mitteilung des zuständigen Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien über die Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters verfügte das Erstgericht die Zustellung einer Urteilsausfertigung an diesen. Der Zustellakt wurde am 20.September 1996 vollzogen. Am 18.Oktober 1996 (Datum der Postaufgabe) erhob die beklagte Partei - vertreten durch prozeßbevollmächtigte Rechtsanwälte - Berufung. Das Erstgericht verfügte die Zustellung je einer Gleichschrift der Berufung an den Kläger und den Prozeßbevollmächtigten der Nebenintervenientin. Der Kläger und die Nebenintervenientin erstatteten Berufungsbeanwortungen. In keinem der Schriftsätze im Berufungsverfahren wird darauf Bezug genommen, daß der vormalige Prozeßbevollmächtigte der beklagten Partei auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hatte. Das Erstgericht leitete aus diesem Verzicht keinerlei verfahrensrechtliche Konsequenzen ab.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung der beklagten Partei sowie die Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin zurück. Nach dessen Rechtsansicht besteht gemäß § 27 Abs 1 ZPO absolute Anwaltspflicht, überstiegen doch die infolge eines tatsächlichen Zusammenhangs zusammenzurechnenden Honoraransprüche 30.000 S. Verzichte ein Rechtsanwalt auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft, verliere er gemäß § 160 Abs 1 ZPO die Fähigkeit, die Vertretung der Partei fortzuführen. Daher sei das Verfahren seit 3.September 1996 unterbrochen. Dessen Fortsetzung erfordere einen Parteiantrag und einen Aufnahmebeschluß des Erstgerichts. Überdies sei für den Unterbrechungsgrund nach § 160 Abs 1 ZPO „ergänzend ein besonderes Aufnahmeverfahren über Antrag des Prozeßgegners vorgesehen“. Hier fehle es sowohl an einem Fortsetzungsantrag als auch an einem gerichtlichen Aufnahmebeschluß. Die Rechtsprechung habe zwar die Voraussetzungen eines tauglichen Fortsetzungsantrags und Aufnahmebeschlusses mitunter großzügig beurteilt, jedoch immer zumindest einen Antrag auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens verlangt. Allein in der Einbringung von Schriftsätzen im Rechtsmittelverfahren könne kein Aufnahmeantrag erblickt werden, weil solche Schriftsätze „nicht auf weiteres Tätigwerden des Erstgerichts“ abzielten. Nach Verwirklichung des Unterbrechungstatbestands seien von den Parteien aber keine sonstigen Prozeßhandlungen gesetzt worden. Deshalb fehle es auch an einem gerichtlichen Fortsetzungsbeschluß „als positive Reaktion auf eine als Aufnahmeantrag zu wertende Parteienhandlung“. Das Erstgericht habe bloß die Zustellung der im Berufungsverfahren erstatteten Schriftsätze veranlaßt und die Streitsache dann dem Berufungsgericht vorgelegt. Darin sei kein „konkludenter Wille“ zur Verfahrensfortsetzung zu erblicken. Rechtshandlungen einer Partei während der Verfahrensunterbrechung seien gegenüber der anderen Partei gemäß § 163 Abs 2 ZPO ohne rechtliche Wirkung. Werde ein Rechtsmittel - wie hier - nach Eintritt eines Unterbrechungstatbestands eingebracht, könne darüber bis zur Stattgebung eines Antrags auf Verfahrensfortsetzung nicht meritorisch entschieden werden. Das Rechtsmittel und die Rechtsmittelgegenschriften seien daher zurückzuweisen.Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung der beklagten Partei sowie die Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin zurück. Nach dessen Rechtsansicht besteht gemäß Paragraph 27, Absatz eins, ZPO absolute Anwaltspflicht, überstiegen doch die infolge eines tatsächlichen Zusammenhangs zusammenzurechnenden Honoraransprüche 30.000 S. Verzichte ein Rechtsanwalt auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft, verliere er gemäß Paragraph 160, Absatz eins, ZPO die Fähigkeit, die Vertretung der Partei fortzuführen. Daher sei das Verfahren seit 3.September 1996 unterbrochen. Dessen Fortsetzung erfordere einen Parteiantrag und einen Aufnahmebeschluß des Erstgerichts. Überdies sei für den Unterbrechungsgrund nach Paragraph 160, Absatz eins, ZPO „ergänzend ein besonderes Aufnahmeverfahren über Antrag des Prozeßgegners vorgesehen“. Hier fehle es sowohl an einem Fortsetzungsantrag als auch an einem gerichtlichen Aufnahmebeschluß. Die Rechtsprechung habe zwar die Voraussetzungen eines tauglichen Fortsetzungsantrags und Aufnahmebeschlusses mitunter großzügig beurteilt, jedoch immer zumindest einen Antrag auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens verlangt. Allein in der Einbringung von Schriftsätzen im Rechtsmittelverfahren könne kein Aufnahmeantrag erblickt werden, weil solche Schriftsätze „nicht auf weiteres Tätigwerden des Erstgerichts“ abzielten. Nach Verwirklichung des Unterbrechungstatbestands seien von den Parteien aber keine sonstigen Prozeßhandlungen gesetzt worden. Deshalb fehle es auch an einem gerichtlichen Fortsetzungsbeschluß „als positive Reaktion auf eine als Aufnahmeantrag zu wertende Parteienhandlung“. Das Erstgericht habe bloß die Zustellung der im Berufungsverfahren erstatteten Schriftsätze veranlaßt und die Streitsache dann dem Berufungsgericht vorgelegt. Darin sei kein „konkludenter Wille“ zur Verfahrensfortsetzung zu erblicken. Rechtshandlungen einer Partei während der Verfahrensunterbrechung seien gegenüber der anderen Partei gemäß Paragraph 163, Absatz 2, ZPO ohne rechtliche Wirkung. Werde ein Rechtsmittel - wie hier - nach Eintritt eines Unterbrechungstatbestands eingebracht, könne darüber bis zur Stattgebung eines Antrags auf Verfahrensfortsetzung nicht meritorisch entschieden werden. Das Rechtsmittel und die Rechtsmittelgegenschriften seien daher zurückzuweisen.

Die Rekurse sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist der Rekurs gegen einen Beschluß im Berufungsverfahren nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückwies. Beschlüsse des Gerichts zweiter Instanz im Berufungsverfahren, die in § 519 ZPO nicht aufgezählt sind, können daher überhaupt nicht angefochten werden (SZ 51/52; EvBl 1961/410; Fasching, LB2 Rz 1979 ff; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 2 zu § 519; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 876). Die Zurückweisung der Berufung durch das Gericht zweiter Instanz blieb unbekämpft, obgleich diese Entscheidung gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar gewesen wäre. Aufgrund der bisherigen Erörterungen unanfechtbar ist dagegen die im Berufungsverfahren ausgesprochene Zurückweisung der Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin, weil ein solcher Beschluß in § 519 ZPO nicht genannt ist. Dabei handelt es sich um keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, weil im Berufungsverfahren über die Berufung und nicht über die Berufungsbeantwortung abzusprechen ist. Nach der ratio der auf die Berufung bezogenen Regelung in § 519 Abs 1 Z 1 ZPO soll nur die Überprüfbarkeit einer Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz gewährleistet werden, durch die eine Nachprüfung der Sachentscheidung des Erstgerichts verweigert wurde (Rechberger/Simotta aaO; idS auch Fasching aaO Rz 1979 [„unmittelbar das Rechtsschutzbegehren betreffende Entscheidungen“]). Fehlt es dagegen nach rechtskräftiger Zurückweisung der Berufung - wie hier - an einem Rechtsmittel, über das zu erkennen wäre, könnte das Gericht zweiter Instanz selbst dann keine das Ersturteil bestätigende, abändernde oder aufhebende Sachentscheidung fällen, wenn die Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin nicht zurückgewiesen worden wären.Gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO ist der Rekurs gegen einen Beschluß im Berufungsverfahren nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückwies. Beschlüsse des Gerichts zweiter Instanz im Berufungsverfahren, die in Paragraph 519, ZPO nicht aufgezählt sind, können daher überhaupt nicht angefochten werden (SZ 51/52; EvBl 1961/410; Fasching, LB2 Rz 1979 ff; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 2 zu Paragraph 519 ;, Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 876). Die Zurückweisung der Berufung durch das Gericht zweiter Instanz blieb unbekämpft, obgleich diese Entscheidung gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO anfechtbar gewesen wäre. Aufgrund der bisherigen Erörterungen unanfechtbar ist dagegen die im Berufungsverfahren ausgesprochene Zurückweisung der Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin, weil ein solcher Beschluß in Paragraph 519, ZPO nicht genannt ist. Dabei handelt es sich um keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, weil im Berufungsverfahren über die Berufung und nicht über die Berufungsbeantwortung abzusprechen ist. Nach der ratio der auf die Berufung bezogenen Regelung in Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO soll nur die Überprüfbarkeit einer Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz gewährleistet werden, durch die eine Nachprüfung der Sachentscheidung des Erstgerichts verweigert wurde (Rechberger/Simotta aaO; idS auch Fasching aaO Rz 1979 [„unmittelbar das Rechtsschutzbegehren betreffende Entscheidungen“]). Fehlt es dagegen nach rechtskräftiger Zurückweisung der Berufung - wie hier - an einem Rechtsmittel, über das zu erkennen wäre, könnte das Gericht zweiter Instanz selbst dann keine das Ersturteil bestätigende, abändernde oder aufhebende Sachentscheidung fällen, wenn die Berufungsbeantwortungen des Klägers und der Nebenintervenientin nicht zurückgewiesen worden wären.

Textnummer

E47064

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00188.97X.0827.000

Im RIS seit

26.09.1997

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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