TE Vwgh Erkenntnis 2006/8/22 2005/01/0630

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Veröffentlicht am 22.08.2006
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Index

E3R E19103000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II Art10 Abs1;
32003R0343 Dublin-II Art13;
32003R0343 Dublin-II Art16 Abs3;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5a Abs1;
AsylG 1997 §5a Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber sowie die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M T (auch T M) in W, geboren 1985, vertreten durch Dr. Markus Frank, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juli 2005, Zl. 261.868/0-V/14/05, betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Senegal, reiste nach eigenen Angaben am 13. April 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl.

Zu seinem Reiseweg gab er bei seiner Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt am 22. April 2005 zunächst an, er habe den Senegal Mitte des Jahres 2004 verlassen, habe sich anschließend noch acht Monate in Afrika aufgehalten (in Mali, Algerien und Libyen) und sei schließlich von Libyen aus mit dem Schiff nach Italien gefahren, wo er nur zwei Tage geblieben sei, um dann mit dem Zug nach Österreich zu fahren. Dem Bundesasylamt lag allerdings eine Eurodac-Auskunft vor, wonach der Beschwerdeführer am 21. November 2004 in Puerto Rosario/Spanien angehalten und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Über Vorhalt dieser Auskunft anlässlich der obgenannten Einvernahme bestätigte der Beschwerdeführer ihre Richtigkeit. Aufgefordert, seinen Fluchtweg noch einmal zu schildern, gab er nun an, den Senegal Mitte des Jahres 2004 in Richtung Mali verlassen zu haben, dort drei Monate geblieben zu sein, und anschließend über Algerien und Marokko per Schiff nach Spanien gereist zu sein. Dort sei er zwölf Tage geblieben, dann habe ihn die Polizei wieder nach Marokko zurückgeschickt. Von Marokko sei er über Algerien nach Libyen gelangt, habe ein Schiff bestiegen, das ihn nach Italien gebracht habe, und sei anschließend mit dem Zug nach Österreich weitergereist. Bei diesen Angaben blieb er auch über Vorhalt, es müsse angenommen werden, dass er seit der Einreise nach Spanien die EU nicht mehr verlassen habe, und er änderte seine Angaben auch bei der zweiten Einvernahme am 27. April 2005 nicht mehr ab.

Über Anfrage des Bundesasylamtes vom 25. April 2005 teilte die zuständige Dienststelle des spanischen Innenministeriums mit Schreiben vom 17. Juni 2005 (beim Bundesasylamt eingelangt am 21. Juni 2005) mit, dass Spanien seine Verantwortung zur Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II -Verordnung), akzeptiere.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, erklärte Spanien gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung für zuständig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien aus.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab, erklärte gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung Spanien für zuständig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien aus.

Nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensverlaufes und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung, begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung wörtlich wie folgt:

"Der Asylwerber ist illegal von Spanien kommend letztlich weiter nach Österreich gereist, sodass gem. Art. 10 Abs. 1, 1. Satz leg. cit. Spanien zur Prüfung seines Asylantrages zuständig ist.

Spanien hat sich mit Fax vom 21.6.2005 gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates bereit erklärt, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

Der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 10 Abs. 1, 1. Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrages gem. Art. 10 Abs. 1,

2. Satz leg. cit. durch Zeitablauf untergegangen wäre, letztlich gem. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung des Asylantrages gegeben wäre, da der Asylwerber zuerst in Spanien erkennungsdienstlich behandelt wurde und Art. 13 leg. cit. normiert, dass, falls sich anhand der Kriterien der Verordnung die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nicht bestimmen lässt, die Zuständigkeit des ersten Mitgliedstaates, in dem der Asylantrag gestellt wurde, gegeben ist."

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Beschwerdeführer "illegal von Spanien kommend letztlich weiter nach Österreich gereist" sei. Diese Feststellung lässt nicht erkennen, welchen Reiseweg die belangte Behörde als erwiesen angenommen hat, insbesondere ob sie es für glaubhaft erachtete, dass der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge das Gebiet der Mitgliedstaaten nach seinem Aufenthalt in Spanien wieder verlassen hatte, ehe er (über Italien) nach Österreich gelangte. Wäre von der Richtigkeit dieser Angaben auszugehen, so könnte dadurch schon unter dem Blickwinkel des Art. 16 Abs. 3 Dublin II-Verordnung eine zuvor allenfalls begründete Zuständigkeit Spaniens erloschen sein. Sollte die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers (auch in seiner Letztfassung) allerdings keinen Glauben geschenkt haben, hätte es einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit seinen Angaben bedurft, die der angefochtene Bescheid zur Gänze vermissen lässt, weshalb er sich schon deshalb als mangelhaft begründet erweist.

Vorrangig ist jedoch, dass die belangte Behörde die hier maßgeblichen Bestimmungen der Dublin II-Verordnung in mehrfacher Hinsicht unrichtig angewendet hat, sodass sich selbst unter der Annahme, der Beschwerdeführer sei - entgegen seinem Vorbringen - von Spanien nach Österreich gereist, ohne das Gebiet der Mitgliedstaaten zwischenzeitlich verlassen zu haben, eine Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides nicht bejahen ließe.

Die belangte Behörde leitete nämlich aus der illegalen Weiterreise des Beschwerdeführers von Spanien nach Österreich ab, dass Spanien gemäß Art. 10 Abs. 1 erster Satz Dublin II-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung stellt jedoch nicht auf illegale Grenzübertritte innerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten ab, sondern legt die Zuständigkeit jenes Mitgliedstaates für die Prüfung eines Asylantrages fest, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Asylwerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Diese Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Um eine Zuständigkeit Spaniens auf Grund dieser Regelung annehmen zu können, bedürfte es daher einerseits Feststellungen über den Einreiseweg in das Gebiet der Mitgliedstaaten und andererseits einer Verifizierung des Zeitpunktes dieser Einreise. Beides ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Wenn die belangte Behörde schließlich vermeinte, Feststellungen über den Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers nach Spanien deshalb unterlassen zu können, weil "letztlich gem. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung des Asylantrages gegeben wäre", übersieht sie, dass der Beschwerdeführer zwar in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden ist, eine Asylantragstellung in diesem Staat aber weder festgestellt noch den Verwaltungsakten zu entnehmen ist. Damit kann die Zuständigkeit Spaniens auch nicht auf Art. 13 Dublin II - Verordnung gestützt werden, der - in Ermangelung eines vorrangigen Zuständigkeitstatbestandes - die Zuständigkeit jenes Mitgliedstaats vorsieht, in dem ein Asylantrag gestellt wurde.

Zusammenfassend hätte die belangte Behörde daher zunächst beurteilen müssen, auf welchem Weg und zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist bzw. letztlich nach Österreich gelangt ist, ehe sich beurteilen ließ, ob Spanien - ungeachtet seiner Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers - nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II -Verordnung die Verantwortung für die Prüfung des vorliegenden Asylantrages trägt.

Derartige Feststellungen erschienen der belangten Behörde aber offensichtlich auf Grund der ihr unterlaufenen Rechtsirrtümer für entbehrlich, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen nicht Deckung.

Wien, am 22. August 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005010630.X00

Im RIS seit

14.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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