Index
E3R E19103000;Norm
32003R0343 Dublin-II Art3 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der H O in W, geboren 1968, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Richard Soyer, Mag. Wilfried Embacher und Mag. Josef Bischof, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. April 2004, Zl. 248.704/0-V/13/04, betreffend § 5 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Marokko, reiste am 28. September 2003 zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern in das Bundesgebiet ein und beantragte am Folgetag Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14. Oktober 2003 gab sie unter anderem an, am 25. August 2003 mit ihrem Ehemann und den Kindern unter Verwendung eines von der deutschen Botschaft in Rabat ausgestellten Visums (gültig vom 22. August 2003 bis 21. September 2003) in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist zu sein und sich zunächst in Deutschland bei einem ihrer dort lebenden Brüder aufgehalten zu haben. Wegen eines Streites mit ihrem Ehemann sei sie für einige Tage zu ihrer Schwester nach Wien gereist. In dieser Zeit sei ihr Ehemann in Deutschland unter dem Verdacht, eine Frau vergewaltigt zu haben, in Haft genommen worden. Die Beschwerdeführerin sei nach einem Anruf ihres Bruders zurück nach Deutschland gereist. Dieser habe gewollt, dass sie mit den Kindern in Deutschland bleibe, bis ihr Ehemann aus der Haft entlassen würde, um dann mit ihm nach Marokko zurückzukehren. Das habe die Beschwerdeführerin abgelehnt, weil sie vor weiteren Streitigkeiten mit ihrem Mann Angst gehabt habe. Ihr Mann habe sie nämlich "immer geschlagen", sie hätten sich ständig gestritten und in den letzten eineinhalb Jahren vor der Ausreise aus Marokko "fast getrennt" gelebt. Die marokkanische Polizei habe ihr gegen die Gewalttaten des Ehemannes keinen Schutz geboten, weil dieser selbst Polizist sei und sie "alles vertuscht" hätten. Eine Scheidung sei ihr in Marokko nicht erlaubt; auch ihre Eltern seien dagegen, weil "das für eine Frau nicht üblich" sei. Wenn sie mit ihrem Mann nach Marokko zurückkehren müsse, würden daher ihre Probleme wieder "von vorne" beginnen. Aus diesen Gründen sei die Beschwerdeführerin am 28. September 2003 nach Österreich zu ihrer Schwester geflohen. In Deutschland hätten ihre Brüder die Möglichkeit gehabt, sie nach Marokko zu schicken, weshalb sie bei ihrer Schwester in Österreich bleiben wolle. Diese unterstütze die Beschwerdeführerin finanziell und sie habe zu ihr eine enge Beziehung.
Mit Bescheid vom 18. März 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, erklärte Deutschland für die Prüfung des Asylantrages "gemäß Art. 9 Abs. 4 iVm Art. 9 Abs. 1" der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), für zuständig und wies die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland aus.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, ihre Brüder in Deutschland seien alle der Ansicht, dass sie zu ihrem Mann nach Marokko zurückkehren müsse, da sie "als moslemische Frau allein in Deutschland nichts verloren habe und ganz einfach zu (ihrem( Mann gehöre." Ihr Mann habe auch viele Freunde in Deutschland, die sie zwingen würden, nach Marokko zurückzukehren. Er habe überdies verkündet, dass er ihr die Kinder wegnehmen und sie umbringen werde, wenn er ihrer habhaft werde. Auch wenn Deutschland ein Rechtsstaat sei, könne dieser sie nicht vor den Freunden des Mannes und ihren Brüdern schützen. Die marokkanische Szene in Deutschland sei klein und würde eine alleinstehende, moslemische Frau sofort auffallen. Ihr Aufenthalt würde "ihnen" in kürzester Zeit bekannt sein und sie würden die Beschwerdeführerin "mit allen erdenklichen Mitteln wie körperlicher Gewalt und Erniedrigung zur Rückkehr nach Marokko zwingen. Wahrscheinlich wäre sogar (ihr( Leben in Gefahr." In dieser schwierigen Situation werde sie von ihrer in Österreich lebenden Schwester seelisch und finanziell unterstützt. Die Beziehung zu ihr sei für die Beschwerdeführerin sehr wichtig, da sie die einzige Person sei, die sie verstehe und die ihr bei ihren Problemen mit dem Ehemann helfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab. Sie stellte - zusammengefasst - fest, dass die Beschwerdeführerin mit einem Touristenvisum vom 26. August 2003 zum Zwecke eines Urlaubsaufenthaltes gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden minderjährigen Kindern in das deutsche Bundesgebiet eingereist sei. In der Folge sei sie Anfang September 2003 zu ihrer in Wien lebenden Schwester gereist. Während des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich sei ihr Ehemann auf Grund des Verdachtes, eine türkische Staatsangehörige vergewaltigt zu haben, in Deutschland in Haft genommen worden. Die Antragstellerin verfüge in der Bundesrepublik Deutschland über zwei dort ständig lebende Brüder sowie drei Halbbrüder. Einer ihrer Brüder habe zum Zwecke der Ausstellung eines Visums für das Schengengebiet eine Verpflichtungserklärung für die Beschwerdeführerin ausgestellt. Die Beschwerdeführerin befürchte, künftig mit ihrem Ehegatten nach Marokko zurückkehren zu müssen.
Ausgehend von diesem Sachverhalt und nach dem Zitat des § 5 AsylG führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung wörtlich aus:
"Betreffend die Prüfung des Tatbestandsmerkmales der vertraglichen Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages ist für Verfahren, die auf nach dem 01.09.2003 gestellten Asylanträgen beruhen, die EG-Verordnung Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien im Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, rechtsverbindlich.
...
Gemäß Art. 9 Abs. 1 ist für einen Asylwerber, der einen gültigen Aufenthaltstitel besitzt, jener Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat. Gemäß Art. 9 Abs. 4 ist obige Bestimmung auch auf bereits (weniger als zwei Jahre) abgelaufene Visa anzuwenden.
Aufgrund der vorliegenden Fallkonstellation und des Wunsches der Antragstellerin auf Durchführung ihres Asylverfahrens in Österreich ist des weiteren vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK die Frage zu prüfen, ob allenfalls mit einer Zurückweisung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Asylwerbers verbunden wäre ...
In casu liegt jedenfalls eine rechtsgültige, vor dem Gesetz geschlossene Ehegemeinschaft, welche ein Indiz auf ein Familienleben ... ergibt, vor. Festgehalten wird, dass sich der Ehegatte der Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Die Tatsache, dass der Ehegatte der Berufungswerberin während ihres Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet wegen des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung in Haft genommen wurde, verschlägt nichts an der Tatsache einer aufrechten familiären Bindung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK.
Die Antragstellerin hat im durchgeführten Verfahren nicht behauptet, in der Vergangenheit Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte Trennung bzw. Scheidung ergriffen zu haben. Die Tatsache des nunmehr geäußerten Willen der Berufungswerberin, in Österreich bei ihrer Schwester zu bleiben vermag an der Vermutung einer aufrechten familiären Bindung zum Ehemann und Vater der gemeinsamen Kinder zu verschlagen.
Die Beziehung der Antragstellerin zu ihrer in Österreich lebenden Schwester weist jedenfalls bei einer Gesamtbetrachtung keinen nennenswerten Grad aktueller dauerhafter familiärer Verflechtung auf bzw. tritt diese emotionale Bindung vergleichsweise - nämlich im Hinblick auf die aufrechte Ehegemeinschaft - in den Hintergrund.
Insbesondere die vergleichsweise kurze Dauer eines vorliegenden gemeinsamen Haushaltes indiziert nicht jene Verflechtung bzw. jenes Naheverhältnis zwischen den zitierten Personen vorliegt, dass das Zusammenleben bereits als Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK erkannt werden kann.
Die Tatsache, dass die Antragstellerin in Österreich über eine sie auch teilweise finanziell unterstützende Schwester verfügt, tritt weiters gegenüber der Tatsache, dass die Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland fünf ihrer Brüder verfügt, wobei einer dieser Brüder überdies eine umfassende Erklärung für allenfalls entstehende von der Antragstellerin verursachte Kosten in der Bundesrepublik Deutschland zu tragen, abgebeben hat, in den Hintergrund.
Allein die Tatsache der umfassenden Verpflichtung seitens des Bruders der Antragstellerin sämtliche allenfalls durch die Antragstellerin erwachsende Kosten zu tragen, indiziert dringend eine enge familiäre Bindung bzw. einen hohen Grad an Intensität einer solchen.
Der Antragstellerin steht es überdies frei, in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag zu stellen bzw. allenfalls hinsichtlich weiterer Befürchtungen aufgrund familiärer Probleme sich an die staatlichen Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland zu wenden.
Die Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 sowie die damit ausgesprochene Ausweisung nach Deutschland stellt sohin jedenfalls keinen Eingriff in die Wahrung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK bezeichneten Interessen dar.
Da sohin der in Art. 8 DÜ normierte Tatbestand vorliegt, sowie auch die für die Durchsetzung des Dubliner Übereinkommens zuständige bundesdeutsche Behörde dem Übernahmeersuchen entsprochen hat, erweist sich der Asylantrag im Grunde des § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig und war daher die Erstentscheidung vollinhaltlich zu bestätigen."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Die belangte Behörde ging in ihrer Entscheidung zunächst - zutreffend - davon aus, dass für den am 29. September 2003 gestellten Asylantrag der Beschwerdeführerin die am 1. September 2003 in Kraft getretene Dublin II-Verordnung anwendbar ist. Erkennbar legte sie auch zu Grunde, dass die Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylbegehrens darauf beruhen soll, dass die Beschwerdeführerin mit einem deutschen Visum in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist. In diesem Zusammenhang zitierte die belangte Behörde den für den gegenständlichen Fall nicht einschlägigen Art. 9 Abs. 1 (statt richtig Art. 9 Abs. 2) Dublin II-Verordnung und grundsätzlich zutreffend Art. 9 Abs. 4 Dublin II-Verordnung (dessen Inhalt sie allerdings unrichtig wiedergab).
Gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ist für die Prüfung des Asylantrages eines Asylbewerbers, der ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat zuständig, der das Visum erteilt hat, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde.
Nach Art. 9 Abs. 4 Dublin II-Verordnung ist diese Zuständigkeitsregel - solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat - auch dann anwendbar, wenn der Asylbewerber (im Zeitpunkt der Asylantragstellung) ein seit weniger als sechs Monaten abgelaufenes Visum besitzt, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte.
Diese - die Zuständigkeit von Deutschland begründenden Tatbestandsmerkmale - sind im gegenständlichen Fall unstrittig gegeben.
Aus welchen Gründen die belangte Behörde ungeachtet dessen am Ende ihrer Ausführungen fälschlich vermeinte, es liege "der in Art. 8 DÜ normierte Tatbestand" vor, bleibt unerfindlich, ist nach dem zuvor Gesagten aber im Ergebnis nicht von Belang.
2. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beschwerdeführerin - ungeachtet der unbestrittenen Zuständigkeit Deutschlands nach den obgenannten Bestimmungen der Dublin II-Verordnung - die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes der österreichischen Behörden gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung unter dem Blickwinkel der Art. 3 und 8 EMRK anstrebt. Tatsächlich war schon nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, insbesondere aber auch nach jenem in der Berufung, eine Prüfung des Sachverhaltes in diese Richtung indiziert.
2.1. So hatte die Beschwerdeführerin bereits bei ihrer erstinstanzlichen Einvernahme angegeben, zu ihrer in Österreich lebenden Schwester eine enge Beziehung zu haben. In der Berufung präzisierte sie dieses Vorbringen unter anderem dahingehend, dass sie - in der Auseinandersetzung mit ihrem gewalttätigen Ehemann und ihren in Deutschland lebenden Brüdern - die einzige Person sei, die sie verstehe und die sie bei ihren Problemen mit dem Ehemann unterstütze.
Im angefochtenen Bescheid findet sich kein Hinweis darauf, dass die belangte Behörde dieses Vorbringen als unrichtig erkannt hätte, weshalb es den rechtlichen Erwägungen auch zugrunde gelegt werden muss. Ausgehend davon greift die Argumentation der belangten Behörde, die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer in Österreich lebenden Schwester weise "bei einer Gesamtbetrachtung keinen nennenswerten Grad aktueller dauerhafter familiärer Verflechtung auf" und indiziere insbesondere die kurze Dauer eines vorliegenden gemeinsamen Haushaltes kein Familienleben im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK, zu kurz, findet sich doch keine Auseinandersetzung mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten besonders engen Beziehung zur Schwester vor allem im Gefolge der aufgetretenen familiären Schwierigkeiten (zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Familienlebens unter Erwachsenen vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Unklar und nicht nachvollziehbar bleibt auch, welche Bedeutung die belangte Behörde in ihren Erwägungen zu Art. 8 EMRK der - von ihr so bezeichneten - "familiären Bindung" zum Ehemann und zu den in Deutschland befindlichen Brüdern beimaß. Die von ihr gewählte Formulierung, die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer in Österreich lebenden Schwester trete "vergleichsweise - nämlich im Hinblick auf die aufrechte Ehegemeinschaft - in den Hintergrund" lässt vermuten, dass die belangte Behörde die aufrechte Ehe zu dem nach ihren Feststellungen noch in Deutschland befindlichen Ehemann als (weiteren) Grund ansah, ein Familienleben zu der in Österreich befindlichen Schwester verneinen zu können. Eine solche Sichtweise widerspricht jedoch schon von vornherein aus den im hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl. 2002/20/0318, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dem Gesetz. Sollte die belangte Behörde ihre diesbezüglichen Ausführungen jedoch als Teil einer nach Art. 8 Abs. 2 EMRK - jedoch nur im Falle der Bejahung eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu der in Österreich lebenden Schwester - erforderlichen Interessensabwägung verstanden haben, wären ihre Überlegungen auch dann nicht nachvollziehbar, weil sie völlig ausblenden, dass die Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung eines Eingriffes in ein Familienleben mit ihrer Schwester nicht auf ein solches mit ihrem Ehemann verwiesen werden kann, der sie ihrem Vorbringen zufolge mit dem Umbringen bedroht hat bzw. auf eine - so die belangte Behörde - "enge familiäre Bindung" zu ihren Brüdern, die sie gegen ihren Willen zwingen wollen, bei ihrem gewalttätigen Ehemann zu bleiben und mit diesem nach Marokko zurückzukehren. Indem die belangte Behörde vermeinte, eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die "Vermutung einer aufrechten familiären Bindung zum Ehemann" bzw. zu den in Deutschland befindlichen Brüdern verneinen zu können, hat sie das Gesetz daher in mehrfacher Weise verkannt.
2.2. Davon abgesehen hätte sich die belangte Behörde auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK mit der von der Beschwerdeführerin für den Fall ihrer Überstellung nach Deutschland behaupteten Gefährdung näher auseinandersetzen müssen. Der bloße Hinweis der belangten Behörde, es stehe der Beschwerdeführerin frei, sich "allenfalls hinsichtlich weiterer Befürchtungen auf Grund familiärer Probleme ... an die staatlichen Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland zu wenden" wird ihrer nach dem Berufungsvorbringen besonderen Gefährdungssituation jedenfalls nicht gerecht.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen vorrangig wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. August 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004010220.X00Im RIS seit
15.09.2006