TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/10 B1133/01

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Veröffentlicht am 10.06.2002
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
BundesvergabeG 1997 §9 Abs1
VfGG §88

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Bund (Bundesminster für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, den mitbeteiligten Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat mit Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, abgesandt am 17. Dezember 1999, im Zusammenhang mit der Errichtung eines Parallelpistensystems auf dem Flughafen Wien-Schwechat "Planungsleistungen (Einreichplanungen) für das Tiefbauprojekt sowie Betreuungs- und Koordinationsleistungen im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsverfahrens unter Berücksichtigung des UVP-G (BGBl. Nr. 697/1993)" ausgeschrieben. In der Ausschreibung wurde unter anderem festgelegt, daß zur Beurteilung der Angebote die Qualität der vom Bieter im Zuge der Angebotslegung gemachten Angaben ("Kompetenz"-Kriterium) sowie der Gesamtpreis des Angebotes ("Preis"-Kriterium) herangezogen werden sollten. Für den Zuschlag sollten grundsätzlich nur Bieter in Frage kommen, die bei der qualitativen Bewertung ("Kompetenz") nicht mehr als 20% vom qualitativ besten Bieter abweichen würden. Sollten aber - so sahen es die Bewertungskriterien für die Wahl des Bestbieters vor - die Angebote dieser Bieter aufgrund der Prüfung der Preisangebote auszuscheiden seien, so würde es sich der Auftraggeber vorbehalten, weitere Bieter für die Zuschlagserteilung in Betracht zu ziehen.

Auf Basis dieser Bedingungen wurden von der beschwerdeführenden Gesellschaft in preislicher Hinsicht lediglich die Angebote von zwei Bietern bewertet, nicht jedoch das Anbot der mitbeteiligten Parteien.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2000 wurde der Zuschlag an eine Bietergemeinschaft erteilt.

Die mitbeteiligten Parteien beantragten daraufhin die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren festzustellen, daß wegen der Festlegung der oben beschriebenen - und als gesetzwidrig erachteten - Zuschlagskriterien der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2001, Z F-16/00-17, gab das Bundesvergabeamt (BVA) diesem Antrag statt. Der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Feststellung, daß die mitbeteiligten Parteien auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes (BVergG) und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung eines Zuschlages gehabt hätten, wurde abgewiesen.

Begründet wird die Entscheidung des BVA damit, daß die vom Auftraggeber gewählten Zuschlagskriterien in Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter (§84 Abs1 iVm §16 Abs1 BVergG) stünden und sohin rechtswidrig seien. Anhand solcher Zuschlagskriterien könne keinesfalls ein Bestbieter ermittelt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der vergebenden Gesellschaft, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der in §9 Abs1 Z1 BVergG idF BGBl. I 80/1999 normierten, als verfassungswidrig erachteten Schwellenwertregelung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

Die dem Verfahren als mitbeteiligte Parteien hinzugezogenen Antragsteller vor dem BVA haben eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentraten und beantragten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfGH 26.2.2002, G351-355/01) - Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich zunächst durch Anwendung des §9 Abs1 Z1 BVergG in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als verletzt. §9 Abs1 Z1 BVergG widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, da es sachlich nicht zu rechtfertigen sei, bloß Vergabeverfahren oberhalb des in ihm normierten Schwellenwertes dem Vergaberegime des BVergG zu unterwerfen, Bewerbern und Bietern in Unterschwellenwertvergaben aber nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung zu stellen, die mit vergabespezifischen Rechtsschutzinstrumentarien durchsetzbar wären.

Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet weiters die Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den bekämpften Bescheid: Die dem Vergabeverfahren zugrundegelegten Zuschlagskriterien hätten, entgegen der Beurteilung durch das BVA, die als "denkunmögliche Anwendung des Gesetzes" zu werten sei, den Anforderungen des BVergG entsprochen: Eine sachliche Bestbieterermittlung sei ohne weiteres möglich gewesen.

2. Die mitbeteiligten Parteien sind dem Beschwerdevorbringen entgegengetreten: Selbst bei Aufhebung des als verfassungswidrig erachteten §9 Abs1 Z1 BVergG und bei Zugrundelegung einer insofern bereinigten Rechtslage würde sich an der Zuständigkeit des BVA nichts ändern, da es im vorliegenden Fall - unstrittig - um die Vergabe von Leistungen gegangen sei, die oberhalb der Schwellenwerte gelegen seien. Hinsichtlich des übrigen Beschwerdevorbringens vertreten die mitbeteiligten Parteien die Ansicht, daß selbst bei Zutreffen der erhobenen Vorwürfe kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler des BVA zu konstatieren sei; im übrigen sei aber auch die (einfachgesetzliche) Rechtsrichtigkeit des Bescheides nicht zu bezweifeln.

3. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

4. a) Beim Verfassungsgerichtshof sind aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit einer Wortfolge in §9 Abs1 Z1 des BVergG 1997 idF BGBl. I 80/1999, entstanden, durch die die gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens und des vergabespezifischen Rechtsschutzes für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung auf Aufträge beschränkt wird, deren geschätztes Auftragsvolumen einen bestimmten Betrag übersteigt. Der Verfassungsgerichtshof hat daher ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Wortfolge ", wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 400.000 Euro" in §9 Abs1 Z1 BVergG in der zitierten Fassung eingeleitet; mit Erkenntnis vom 26. Februar 2002, G351-355/01, hat er ausgesprochen, daß die geprüfte Wortfolge - unter Fristsetzung 31. August 2002 - als verfassungswidrig aufzuheben ist.

Diese Entscheidung hat aber keine Auswirkungen auf das Ergebnis des vorliegenden Bescheidprüfungsverfahrens, da es nach Lage des Falles ausgeschlossen ist, daß die beschwerdeführende Gesellschaft durch den bekämpften Bescheid infolge Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Wortfolge in §9 Abs1 Z1 BVergG 1997 in ihrer Rechtssphäre nachteilig betroffen wurde. Das BVA hat seine Zuständigkeit zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides bejaht; es könnte auch auf Grundlage der bereinigten Rechtslage in der Zuständigkeitsfrage zu keiner anderen Entscheidung gelangen. Auch ändert die Nichtanwendung der aufgehobenen Wortfolge vorliegendenfalls nichts am materiellen Prüfungsmaßstab des BVA bezüglich der als rechtswidrig erachteten Zuschlagskriterien.

b) Mit den weiters erhobenen Vorwürfen, mit denen insbesondere bestritten wird, daß das BVA die in Rede stehenden Zuschlagskriterien zutreffend als unsachlich gewertet hat, werden keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht; eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem BVA diesbezüglich nicht vorgeworfen werden. Auch kann der Verfassungsgerichtshof keinen Hinweis darauf finden, daß die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht denkunmöglich wäre. Das BVA hat seine Entscheidung nachvollziehbar begründet und sie (wie auch die Verwaltungsakten erweisen) weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob das Nachprüfungsverfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und die Frage nach der Möglichkeit einer gesetzeskonformen Bestbieterermittlung auf Basis der verwendeten Zuschlagskriterien zutreffend beurteilt wurde; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des BVA - einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG - richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).

5. Da das Verfahren sohin nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde und auch keine Verletzung in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen festgestellt werden konnte, war ihre Beschwerde abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens trotz Abweisung der Beschwerde zugesprochen, da die Beschwerde Anlaß zur Aufhebung des §9 Abs1 Z1 BVergG 1997 idF BGBl. I 80/1999 (VfGH 26.2.2002, G351-355/01) gab und die Prüfung dieser Bestimmung in der Beschwerde angeregt wurde (vgl. VfGH 16.10.1973, B12/73; 21.1.1977, B 151, 346, 372/75). Die Entscheidung über die der mitbeteiligten Partei zu ersetzenden Kosten beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils € 327,-- enthalten.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Vergabewesen, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Beteiligter, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1133.2001

Dokumentnummer

JFT_09979390_01B01133_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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