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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §91;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des N in M, vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen, vom 16. Februar 2005, Zl. DOK-6/3, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruchs zu Faktum 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses und im Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen, vom 29. September 2004, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dass er
1. nach dem 19. März und noch vor dem 26. März 2004 die bereits automationsunterstützt im Schulverwaltungsprogramm Sokrates gespeicherten, und somit bereits erfassten Sozialversicherungsnummern von vier Schülern der Klasse 4c der Hauptschule A ohne Wissen des Schulleiters gelöscht habe, sowie
2. entgegen der Weisung von Hauptschuldirektor B.F. die ihm Anfang März 2004 in seiner Funktion als Klassenvorstand ausgehändigten Fragebögen/Erhebungsblätter nicht bis zum vorgegebenen Abgabetermin am 26. März 2004 dem Hauptschuldirektor B.F. ausgefüllt zurückgegeben habe, obwohl die im Zusammenhang mit dem Bildungsdokumentationsgesetz, BGBl. I Nr. 169/2002 zu erhebenden Daten bis spätestens 30. März 2004 an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur bzw. die "Statistik Austria" zu übersenden gewesen seien.
Er habe dadurch zu Punkt 1 eine Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 in Verbindung mit §§ 17 und 51 des Schulunterrichtsgesetzes und § 30 Abs. 1 LDG 1984 und zu Punkt 2 eine Dienstpflichtverletzung nach § 30 Abs. 1 LDG 1984 begangen, weshalb über ihn eine Geldbuße in der Höhe von EUR 1.000,-- zu verhängen gewesen sei.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 2005 wurde dieser Berufung in der Schuldfrage keine, in der Straffrage hingegen teilweise Folge gegeben und die über den Beschwerdeführer verhängte Geldbuße gemäß § 70 Abs. 1 Z. 2 LDG auf den Betrag von EUR 500,-- herabgesetzt.
Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage begründete die belangte Behörde ihren Bescheid dahingehend, der Schulleiter sei verpflichtet gewesen, dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur genau bezeichnete Daten für Zwecke der Gesamtevidenz der Schule zu übermitteln. Dadurch, dass der Beschwerdeführer bereits abgespeicherte Daten ohne Wissen des Direktors gelöscht habe, habe er dem Schulleiter die Erfüllung dieser Aufgabe unmöglich gemacht bzw. verhindert. Diese Handlungsweise widerspreche § 6 Abs. 2 des Bildungsdokumentationsgesetzes und sei als Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 und 2 Schulunterrichtsgesetz zu werten. Der Beschwerdeführer habe des Weiteren durch die Nichteinhaltung des Termins 26. März 2004 weisungswidrig gehandelt. Unter Weisung sei eine generelle oder individuelle abstrakte Norm zu verstehen, die an einen oder eine Gruppe von dem Weisungsgeber untergeordneten Verwaltungsorganwaltern ergehe. Sie sei ein interner Akt im Rahmen der Verwaltungsorganisation und an keine besonderen Normerfordernisse gebunden. Sie könne mündlich oder schriftlich ergehen. Eine Weisung, die von einem Vorgesetzten erteilt werde, sei nach ihrem Inhalt und nicht allein nach ihrer Bezeichnung rechtlich zu beurteilen. Im Regelfall enthalte der Auftrag eines Vorgesetzten im Dienstbetrieb eine einseitig verbindliche Anordnung und sei damit als Weisung zu werten. Im vorliegenden Fall sei vom Beschwerdeführer ein Termin nicht eingehalten worden. Im Hinblick darauf, dass die Nichteinhaltung von Terminen in der Praxis häufig vorkomme, sei die ausgesprochene Strafe zu hoch gewesen, weshalb diese auf den schuld- und strafangemessenen Betrag von EUR 500,-- herabzusetzen gewesen sei. Als mildernd wertete die belangte Behörde die Erstmaligkeit des Vorfalls, die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und den Umstand, dass er im guten Glauben insofern gehandelt habe, als sein Vorgehen dem Willen der Eltern entsprochen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984, BGBl. Nr. 302/1984, ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Nach § 30 Abs. 1 LDG 1984 hat der Landeslehrer die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsrechtlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung kann der Landeslehrer die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Hält der Landeslehrer die Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr in Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, gemäß § 30 Abs. 3 LDG 1984 vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
§ 17 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes- SchuG, BGBl. Nr. 472/1986, in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2001, bestimmt, dass der Lehrer in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgaben der österreichischen Schule zu erfüllen hat.
Nach § 51 Abs. 1 SchuG hat der Lehrer das Recht und die Pflicht, an der Gestaltung des Schullebens mitzuwirken. Seine Hauptaufgabe ist die dem § 17 leg. cit. entsprechende Unterrichts- und Erziehungsarbeit.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung hat der Lehrer außer den ihm obliegenden unterrichtlichen, erzieherischen und administrativen Aufgaben erforderlichenfalls die Funktion eines Klassenvorstandes, Werkstätten- oder Bauhofleiters, Kustos, Fachkoordinators sowie eines Mitgliedes einer Prüfungskommission zu übernehmen und an den Lehrerkonferenzen teilzunehmen.
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 1 Bildungsdokumentationsgesetz, BGBl. I Nr. 12/2002, verpflichtet die Schulleiter, bestimmte schülerbezogene Daten in einer Evidenz der Schüler zu verarbeiten. Nach der Aktenlage und mangels gegenteiliger Angaben der Beschwerde ist davon auszugehen, dass die Einbringung jener Daten, deren Löschung dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird (Sozialversicherungsnummern von Schülern), in das Schulverwaltungsprogramm Sokrates einen Akt der Verarbeitung von Daten (vgl. § 4 Z. 4 DSG 2000) für Zwecke der Evidenz der Schüler im Sinne des § 3 Abs. 2 Bildungsdokumentationsgesetz darstellte.
Das Bildungsdokumentationsgesetz und die auf Grund der §§ 3, 4, 5 Abs. 3, 6 Abs. 2, 8 und 9 des Bildungsdokumentationsgesetzes erlassene Bildungsdokumentationsverordnung, BGBl. II Nr. 499/2003, berufen den Schulleiter zur Verarbeitung (einschließlich der Löschung) der betreffenden Daten. Dies trifft auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Sozialversicherungsnummern der Schüler zu (vgl. hiezu auch die Bekanntgabepflicht nach § 5 Abs. 1 der Bildungsdokumentationsverordnung).
Der Beschwerdeführer kann sich somit nicht auf eine Ermächtigung zur Löschung der in Rede stehenden Daten berufen, die sich aus dem Bildungsdokumentationsgesetz oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung ergäbe. Er macht auch nicht geltend, vom Auftraggeber (vgl. § 4 Z. 4 DSG 2000) mittels individuell-konkretem Rechtsakt zur Löschung der betreffenden Daten ermächtigt worden zu sein.
Auch aus den Vorschriften des DSG 2000 kann keine Ermächtigung des Beschwerdeführers zur Löschung der in Rede stehenden Daten abgeleitet werden. Vielmehr ist dies - unter den in § 27 leg. cit. normierten Voraussetzungen - Sache des Auftraggebers. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Beschwerdeführer in Ansehung der für Zwecke der Evidenz der Schüler verarbeiteten Daten nicht als Auftraggeber im Sinne des § 27 DSG 2000 anzusprechen ist (vgl. zur Gesamtevidenz der Schüler § 2 Z. 6 Bildungsdokumentationsverordnung).
Mangels Vorliegens einer gesetzlichen oder auf individuellkonkretem Rechtsakt beruhenden Ermächtigung hiezu hat der Beschwerdeführer durch die Löschung der für Zwecke der Vollziehung des Bildungsdokumentationsgesetzes verarbeiteten Daten gegen eine Dienstpflicht verstoßen, zumal es sich dabei um ein Vorgehen handelte, das geeignet war, den Schulleiter an der Erfüllung der ihm bei der Vollziehung des Bildungsdokumentationsgesetzes obliegenden Pflichten zu hindern.
Der Beschwerdeführer macht der Sache nach - indem er vorbringt, er sei der "vielleicht unrichtigen" Rechtsansicht gewesen, zur Löschung der in Rede stehenden Daten nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet zu sein - das Vorliegen eines entschuldigenden Rechtsirrtums geltend. Damit ist die Beschwerde aber nicht im Recht.
Gemäß § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen dieses Abschnittes (das ist der 7. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen. Zur Schuld gehört das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit. Das mangelnde Unrechtsbewusstsein auf Grund von Rechtsirrtum regelt § 9 StGB. Grundsätzlich muss der Irrtum im Disziplinarrecht frei von Fahrlässigkeit über im BDG 1979 ausdrücklich normierte Dienstpflichten der Beamten (§§ 44 bis 60 BDG 1979) sein (siehe Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, S. 40). Die Beschwerde bezeichnet keine Vorschrift, der mit Grund die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Löschung der in Rede stehenden Daten hätte entnommen werden können; der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, sich bei der zuständigen Stelle die Kenntnisse über den Inhalt der betreffenden Regelungen verschafft zu haben.
Insoweit sich der Beschwerdeführer in seinen weiteren Ausführungen darauf beruft, eine Weisung, "dass Aussendungen nur mit Kenntnis der Direktion erlaubt" seien, habe es nie gegeben, verkennt er den Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens, in welchem ihm ein derartiger (weiterer) Weisungsverstoß gar nicht zum Vorwurf gemacht wurde.
Aus den oben dargelegten Gründen war die Beschwerde hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruchs zu Faktum 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde auch gegen den Vorwurf, gegen die Weisung, bestimmt bezeichnete Unterlagen (Formblätter und Erhebungsbögen) bis längstens 26. März 2004 dem Schulleiter vorzulegen, verstoßen zu haben; er habe die Verspätung der Vorlage dieser Urkunden nicht zu verantworten, weil ihm die Einhaltung der Frist infolge der Abwesenheit des Schulleiters am 26. März 2004 bei Schulschluss nicht möglich gewesen sei. So habe er erst am darauffolgenden Montag, dem 29. März 2004, die Unterlagen übergeben können.
Dass der um wenige Arbeitstunden verspäteten Vorlage der weisungsgegenständlichen Formulare ein erkennbarer disziplinärer Unwertgehalt zukäme, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, zumal nicht festgestellt wurde, dass diese Verspätung mit erkennbaren Folgen verbunden gewesen sei. Der Schuldspruch und die Bestrafung wegen verspäteter Vorlage der Formulare waren daher inhaltlich rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid in Bezug auf dieses Faktum gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. August 2006
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090048.X00Im RIS seit
26.10.2006