TE OGH 1997/9/11 6Ob251/97y

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Patrick S*****, in Obsorge der Mutter, Renate E*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Amt für Jugend und Familie für den 10. Bezirk, Van der Nüll Gasse 20, 1100 Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10.Juni 1997, GZ 43 R 481/97x-65, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.April 1997, GZ 8 P 1818/95b-57, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß es einschließlich der nicht bekämpften Abweisung eines Teilbegehrens zu lauten hat:

"Heinrich S*****, ist als ehelicher Vater des am 17.10.1993 geborenen Patrick S***** schuldig, zu dessen Unterhalt ab 1.9.1994 längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes monatlich 500,-- S zu Handen des Unterhaltssachwalters, Amt für Jugend und Familie für den

10. Bezirk, Van der Nüll Gasse 20, 1100 Wien, bei Exekution zu zahlen.

Die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge sind binnen 14 Tagen, die weiterhin fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im voraus zu bezahlen.

Das Unterhaltsmehrbegehren von 1.600,-- S monatlich ab 1.9.1994 wird abgewiesen".

Text

Begründung:

Das am 17.10.1993 geborene eheliche Kind befindet sich nach der Scheidung der Ehe seiner Eltern in Obsorge der Mutter. Auf Antrag des Unterhaltssachwalters setzte das Erstgericht die Unterhaltspflicht des Vaters ab 1.9.1994 mit 2.100,-- S monatlich fest. Es ging dabei von dem wesentlichen Sachverhalt aus, daß der Unterhaltspflichtige aufgrund eines Nikotin- und Alkoholabusus an niedrigem Blutdruck und einer chronischen Bronchitits leide. Er trinke entweder 10 bis 14 Bier oder einen Liter Rotwein täglich. Er rauche täglich drei bis vier Schachteln Zigaretten. Der Vater habe auch psychische Probleme. Er sei nur für den Minderjährigen Patrick sorgepflichtig. Er werde vom Sozialreferat finanziell unterstützt. Das Erstgericht ging von einem erzielbaren Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners von 11.140,-- S monatlich aus und erachtete in Anwendung der Prozentmethode den vom Kind begehrten Unterhalt für angemessen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters statt und wies den Unterhaltsantrag ab. Es stellte ergänzend fest, daß der Vater den Beruf eines Kochs/Kellners erlernt habe. Er habe seit 3.6.1994 laufend Geldaushilfen für den Lebensbedarf in der Höhe des Richtsatzes für einen Alleinunterstützten bezogen. Sonst verfüge er über kein Einkommen und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Der Vater sei seit 18.12.1996 arbeitsunfähig. Das Rekursgericht verneinte die Möglichkeit, ihn auf ein erzielbares Einkommen anzuspannen. Alkoholismus sei eine Krankheit. Der Vater könne aufgrund seines Gesundheitszustandes in Zeiten restriktiver Arbeitsmarktmöglichkeiten am Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden. Eine Anspannung käme nur dann in Frage, wenn ein entsprechendes Einkommen auch tatsächlich erzielen könnte.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt das durch seinen Unterhaltssachwalter vertretene Kind die Abänderung dahin, daß der Vater ab 1.9.1994 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 500,-- S verpflichtete werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Der Rekurs ist auch berechtigt.

Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Unterhaltsschuldner aufgrund des festgestellten schlechten Gesundheitszustandes derzeit am Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden könne und daher eine Anspannung auf eine erzielbares Einkommen nicht in Frage komme, kann beigepflichtet werden. Zutreffend verweist das Kind jedoch darauf, daß es Anspruch hat, an den - wenn auch geringen - Einkommensverhältnissen des Vaters Anteil zu haben. Der Vater bezieht Sozialhilfe, die 1994 4.640,-- S, 1995 4.770,-- S und 1997 4.888,-- S jeweils monatlich betrug (ON 62). Leistungen aus der Sozialhilfe stellen ein für die Unterhaltsbemessung heranzuziehendes Einkommen dar (1 Ob 590/95 mwN). Selbst wenn dieses unter dem Existenzminimum nach den Bestimmungen der EO liegt, ergibt sich aus der dem Gericht eingeräumten Möglichkeit, die Pfändungsgrenzen herabzusetzen (§ 292b EO), ein Ermessensspielraum bei der Festlegung des unpfändbaren Freibetrages. Unterhaltsforderungen genießen Priorität. Ein pflichtbewußter Vater würde seine Kinder im Normalfall an seinen, wenn auch kärglichen Einkommensverhältnissen teilhabenlassen (1 Ob 590/95 mwN). Das Rekursgericht hat entgegen dieser in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Auffassung die vom Unterhaltspflichtigen bezogene Sozialhilfe völlig außer Acht gelassen. Die angeführten geringen Einkommensverhältnisse des Vaters rechtfertigen jedenfalls die vom Kind nun im Revisionsrekurs begehrten Unterhaltsbeiträge.Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Unterhaltsschuldner aufgrund des festgestellten schlechten Gesundheitszustandes derzeit am Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden könne und daher eine Anspannung auf eine erzielbares Einkommen nicht in Frage komme, kann beigepflichtet werden. Zutreffend verweist das Kind jedoch darauf, daß es Anspruch hat, an den - wenn auch geringen - Einkommensverhältnissen des Vaters Anteil zu haben. Der Vater bezieht Sozialhilfe, die 1994 4.640,-- S, 1995 4.770,-- S und 1997 4.888,-- S jeweils monatlich betrug (ON 62). Leistungen aus der Sozialhilfe stellen ein für die Unterhaltsbemessung heranzuziehendes Einkommen dar (1 Ob 590/95 mwN). Selbst wenn dieses unter dem Existenzminimum nach den Bestimmungen der EO liegt, ergibt sich aus der dem Gericht eingeräumten Möglichkeit, die Pfändungsgrenzen herabzusetzen (Paragraph 292 b, EO), ein Ermessensspielraum bei der Festlegung des unpfändbaren Freibetrages. Unterhaltsforderungen genießen Priorität. Ein pflichtbewußter Vater würde seine Kinder im Normalfall an seinen, wenn auch kärglichen Einkommensverhältnissen teilhabenlassen (1 Ob 590/95 mwN). Das Rekursgericht hat entgegen dieser in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Auffassung die vom Unterhaltspflichtigen bezogene Sozialhilfe völlig außer Acht gelassen. Die angeführten geringen Einkommensverhältnisse des Vaters rechtfertigen jedenfalls die vom Kind nun im Revisionsrekurs begehrten Unterhaltsbeiträge.

Anmerkung

E47220 06A02517

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00251.97Y.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19970911_OGH0002_0060OB00251_97Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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