TE Vwgh Erkenntnis 2006/8/30 2005/09/0030

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Veröffentlicht am 30.08.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §56 Abs2;
BDG 1979 §93 Abs2;
B-VG Art20 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/09/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerden des Disziplinaranwaltes beim Bundesministerium für Finanzen gegen die Bescheide der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt, jeweils vom 17. Jänner 2005, Zl. 76/8-DOK/04, (mitbeteiligte Partei: J, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I; protokolliert zur hg. Zl. 2005/09/0030), und 77/8-DOK/04, (mitbeteiligte Partei: L, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I; protokolliert zur hg. Zl. 2005/09/0031), jeweils betreffend die Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Beide Mitbeteiligte stehen als Beamte der Verwendungsgruppe A 2 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle war bis zu ihrer Suspendierung das Finanzamt Innsbruck, wo sie als Betriebsprüfer der Amtsbetriebsprüfungsabteilung tätig waren. Mit Gesellschaftsvertrag vom 13. August 2002 gründeten sie die "L & Partner OEG", deren Unternehmensgegenstand die "gewerbliche Buchhaltung" ist. Dieser Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. September 2002 die Eintragung in das Firmenbuch bewilligt.

Mit gleichlautenden Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 24. September 2002 wurde den Mitbeteiligten jegliche Tätigkeit für die Firma L & Partner OEG sowie jegliche gleichartige Tätigkeit (Nebenbeschäftigung) mit sofortiger Wirkung untersagt. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen der Mitbeteiligten wurden mit Bescheiden des Bundesministers für Finanzen vom 22. September 2003 als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Bescheide erhoben beide Mitbeteiligte Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof (protokolliert zu hg. Zlen. 2003/12/0200, 0201).

Mit Beschlüssen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 9. Oktober 2003 (in der Folge bestätigt durch die Bescheide der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 13. Februar 2004) wurden gegen die Mitbeteiligten auf Grund der gegen sie erstatteten Disziplinaranzeigen der Finanzlandesdirektion für Tirol die Disziplinarverfahren eingeleitet.

Mit Beschlüssen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 30. März 2004 wurde die gemeinsame Durchführung der gegen die Mitbeteiligten gerichteten Disziplinarverfahren beschlossen (Spruchpunkt I), gemäß § 124 Abs. 1 BDG 1979 der Verhandlungsbeschluss gefasst und die mündliche Verhandlung anberaumt (Spruchpunkt II).

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen (Senat VII) vom 16. Juli 2004 wurden die Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig erkannt,

1. in der Zeit von Jänner 2003 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Rahmen der L & Partner OEG Buchhaltungs- und Jahresabschlusstätigkeiten sowie abgabenrechtliche Beratungstätigkeiten für die in der Liste A, die einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet, angeführten Unternehmen bzw. Personen unter Missachtung der bescheidmäßigen Untersagung dieser Nebenbeschäftigung durch die zuständige Dienstbehörde vom 24. September 2002 ausgeübt und dadurch die in § 44 Abs. 1 BDG 1979 normierte Pflicht, Weisungen des Vorgesetzten zu befolgen, verletzt zu haben,

2. durch die Ausübung der unter Punkt 1) angeführten Nebenbeschäftigung das in § 56 Abs. 2 BDG 1979 festgelegte Verbot, eine Nebenbeschäftigung auszuüben, die den Beamten an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung einer Befangenheit hervorruft, oder sonstige wesentliche Interessen gefährdet, verletzt zu haben, und

3. die unter Punkt 1) angeführte Nebenbeschäftigung nicht gemeldet und dadurch die in § 56 Abs. 3 BDG 1979 festgelegte Verpflichtung, jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung der Dienstbehörde unverzüglich zu melden, verletzt zu haben.

Auf Grund der schuldhaften Verletzung dieser Dienstpflichten wurde über beide Mitbeteiligte gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 93 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Die Behörde erster Instanz führte dazu im Wesentlichen rechtlich aus, die Mitbeteiligten hätten die ihnen von der Dienstbehörde am 24. September 2002 erteilten Weisungen, jegliche Tätigkeit für die L & Partner OEG zu unterlassen, ganz bewusst missachtet. Die von den Mitbeteiligten ausgeübten Beratertätigkeiten stellten im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 unzulässige Nebenbeschäftigungen dar. Dass die Nebenbeschäftigungen dem Dienstgeber nicht gemeldet worden seien, hätten die Beschuldigten zugestanden und lediglich einen entschuldbaren Rechtsirrtum geltend gemacht. Ein solcher liege jedoch nicht vor, obwohl zugestanden werden müsse, dass der Unrechtsgehalt der Tat und die Schwere der Schuld bei diesem Vergehen unvergleichbar geringer sei als bei der Nichtbeachtung des Untersagungsbescheides. Im Rahmen der Erwägungen zur Strafbemessung wertete die Behörde erster Instanz bei beiden Mitbeteiligten als mildernd deren bisherige Unbescholtenheit, ihr weitgehendes Geständnis und die besonderen Lebensumstände. Im Hinblick auf den besonderen Unrechtsgehalt der Weisungsmissachtung, sowie im Hinblick auf den Umstand, dass diese ganz bewusst erfolgt sei, erscheine auch bei Vorliegen der oben genannten Milderungsgründe die Verhängung einer Geldstrafe nicht mehr vertretbar. Vielmehr sei das Vertrauensverhältnis derart grundlegend zerstört, dass dem Dienstgeber eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit den Mitbeteiligten nicht mehr zumutbar erscheine.

Beide Mitbeteiligte erhoben gegen die sie betreffenden Disziplinarerkenntnisse Berufung.

Mit den - wortgleichen - nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen der Mitbeteiligten hinsichtlich der Schuldaussprüche gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG abgewiesen und die erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisse "mit der Maßgabe bestätigt", dass die Mitbeteiligten "durch das ihnen im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis angelastete Fehlverhalten eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG begangen" hätten, "da sie ihre Nebenbeschäftigung entgegen dem seitens der Dienstbehörde erlassenen Bescheid weiter ausgeübt und die Nebenbeschäftigung nicht gemeldet" hätten.

Hinsichtlich der Strafbemessung wurde den Berufungen der Mitbeteiligten insofern Folge gegeben, als über beide Mitbeteiligte lediglich Disziplinarstrafen der Geldstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 93 BDG in Höhe von vier Monatsbezügen verhängt wurden.

Nach ausführlicher Darlegung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde - soweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Relevanz - aus, von beiden Disziplinarbeschuldigten sei zugegeben worden, dass sie auch nach bescheidmäßiger Untersagung der Nebenbeschäftigung diese weiterhin ausgeübt hätten. Die Tatsache, dass gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden sei, ändere nichts am Spruch des Bescheides, mit welchem die Nebenbeschäftigung untersagt worden sei, und der Verpflichtung, diesem zu entsprechen. Festgehalten werde, dass einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ohne entsprechenden Beschluss desselben keine aufschiebende Wirkung zukomme. Auf Grund des Untersagungsbescheides hätte die untersagte Tätigkeit sofort eingestellt werden müssen. Die Ausübung der Nebenbeschäftigung trotz deren Untersagung stelle eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG dar. Die Mitbeteiligten hätten aber nicht nur gegen die Verpflichtung verstoßen, der Weisung durch einen rechtskräftigen Bescheid der obersten Dienstbehörde nachzukommen, sie hätten damit auch die ebenfalls im § 44 Abs. 1 BDG normierte Unterstützungspflicht gegenüber den Vorgesetzten verletzt. Dass das Verhalten der Beschuldigten nicht durch einen entsprechenden Notstand gerechtfertigt gewesen sei, sei bereits im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis zutreffend dargelegt worden. Die Mitbeteiligten hätten nämlich Anträge nach § 112 Abs. 4 BDG auf Aufhebung oder Minderung der mit der Suspendierung verbundenen Gehaltskürzung stellen können, sollte tatsächlich zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes dies unbedingt erforderlich gewesen sein; andererseits wäre es ihnen aber auch zumutbar gewesen, nötigenfalls eine andere Beschäftigung zu ergreifen, die mit ihren Dienstpflichten nicht kollidiere.

Die belangte Behörde teilte "ausdrücklich die im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis zu den weiteren Spruchpunkten enthaltenen Ausführungen" der Disziplinarkommission und verwies im Übrigen hierauf, meinte aber, dass die Frage, ob das in Rede stehende Verhalten der Mitbeteiligten lediglich als jeweils ein Disziplinarvergehen anzusehen sei oder ob es sich - wie im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis angenommen - jeweils um drei getrennt zu verfolgende Disziplinarvergehen handle, "im Hinblick auf die Strafhöhe ohne Relevanz" sei.

Bei der Bemessung der Disziplinarstrafe nach § 92 BDG für das schuldhafte Verhalten sei gemäß § 93 Abs. 1 BDG auf die Schwere der Dienstpflichtverletzung abzustellen. Dabei sei jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich sei, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe seien dem Sinne nach zu berücksichtigen. Weiters sei auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen. Bei der Strafbemessung könnten - der Entscheidung der Behörde erster Instanz folgend - die bisherige Unbescholtenheit, das weitgehende Geständnis und die bisherigen Lebensumstände der Beschuldigten als Milderungsgründe gewertet werden. Wenn auch die beharrliche Nichtbefolgung einer bescheidmäßig ausgesprochenen Untersagung einer Nebenbeschäftigung durch die Beschuldigten als schwer wiegende Dienstpflichtverletzung anzusehen sei, erscheine dies im Hinblick auf die bereits angesprochenen Umstände nicht ausreichend, in dem Verharren ein Verhalten zu sehen, durch das das Vertrauensverhältnis zwischen den Beschuldigten und dem Dienstgeber derart gestört worden sei, dass diesem eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheine. Nach § 93 Abs. 1 BDG sei die Strafe der Höhe nach dahingehend zu bemessen, dass sie ausreiche, den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, im gegenständlichen Fall also, die Beschuldigten zu veranlassen, die ihnen untersagten Nebenbeschäftigung aufzugeben und sich eventuell eine andere Beschäftigung zu suchen, die nicht gegen die Dienstpflichten eines Beamten verstoße. Es erscheine daher sachentsprechend, eine Geldstrafe zu verhängen und dabei an den oberen Rand des in § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG normierten Strafrahmens zu gehen.

Gegen diese Bescheide richten sich die - ebenfalls wortgleichen - Beschwerden des Disziplinaranwaltes mit den Anträgen, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden, verzichtete jedoch auf die Erstattung von Gegenschriften.

Die Mitbeteiligten hingegen erstatteten Gegenschriften, in denen ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wurde.

Nach Einleitung des Vorverfahrens teilten die Mitbeteiligten dem Verwaltungsgerichtshof mit Eingaben vom 10. November 2005 mit, dass sie infolge Erlassung des hg. Erkenntnisses vom 21. September 2005, Zl. 2003/12/0200, 0201, mit welchem die die Untersagung der Nebenbeschäftigungen bestätigenden Bescheide des Bundesministers für Finanzen vom 22. September 2003 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben worden waren, die Wiederaufnahme ihrer Disziplinarverfahren beantragt hätten.

Mit Bescheiden vom 1. März 2006 wies die belangte Behörde diese Anträge ab. Die dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 2006/09/0083 und 2006/09/0084 protokolliert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 lauten:

"§ 44 (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

......

§ 56 (1) ...

(2) Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.

(3) Der Beamte hat seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung unverzüglich zu melden. Eine Nebenbeschäftigung ist erwerbsmäßig, wenn sie die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt."

Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt hält die angefochtenen Bescheide deswegen für inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde sich bei ihrer Entscheidung zwar - ausgehend von der Bescheidbegründung - vollinhaltlich auf die von der Disziplinarkommission getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gestützt habe, wonach die von den Mitbeteiligten ausgeübten Nebenbeschäftigungen im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 unzulässig gewesen seien, aus der Neuformulierung des Spruches aber lediglich der Weisungsverstoß im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zum disziplinären Vorwurf gemacht worden sei, obwohl es sich bei der Pflicht zur Unterlassung einer unerlaubten Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG und auch bei der Unterlassung der Meldung einer Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 Abs. 3 BDG 1979 um Tathandlungen handle, die selbständig neben dem ebenfalls zum Vorwurf gemachten Weisungsverstoß zu ahnden gewesen wären. Zusammengenommen stellten die Verfehlungen der Mitbeteiligten aber so schwer wiegende Verstöße gegen grundsätzliche Bestimmungen des Dienstrechtes dar, dass auch das bestehende Vertrauensverhältnis, welches Grundlage des öffentlichen Dienstes bilde, schwer beeinträchtigt worden sei, zumal die Mitbeteiligten keine Anzeichen gezeigt hätten, sich überhaupt um eine Änderung ihres Verhaltens zu bemühen. Dieser hohe Schuldgehalt sei von der belangten Behörde nicht entsprechend bewertet worden. Gehe man richtigerweise davon aus, dass von den Beschuldigten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen worden seien, was von der Disziplinarbehörde erster Instanz als erschwerend bewertet worden sei, sei es unverständlich, wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass die Frage, ob es sich um (bloß) ein Disziplinarvergehen oder drei getrennt zu verfolgende Disziplinarvergehen handle, "ohne Relevanz" sei.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der beschwerdeführende Disziplinaranwalt geltend, die belangte Behörde habe weder die Frage der Untragbarkeit, noch die der Schwere der Dienstpflichtverletzungen argumentativ belegt. Anstelle dessen sei nur mit allgemeinen Feststellungen Aussagen zur Strafbemessung getroffen worden, wobei die Frage der Schuldform gar nicht behandelt worden sei.

Im Übrigen habe die belangte Behörde in ihrem Erkenntnis lediglich über die Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG abgesprochen, hinsichtlich der im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis behandelten Dienstpflichtverletzungen nach § 56 Abs. 2 und 3 BDG 1979 sei weder ein Schuld- noch ein Freispruch erfolgt.

Im Disziplinarerkenntnis erster Instanz wurde den Mitbeteiligten nicht nur die Missachtung der ihnen erteilten schriftlichen Weisung zur Unterlassung der von ihnen bereits aufgenommenen Nebenbeschäftigung im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zum Vorwurf gemacht, sondern auch die Aufnahme und Fortführung sowie die Nichtmeldung einer gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 unzulässigen Nebenbeschäftigung, wobei die Disziplinarkommission vom Vorliegen einer Deliktsmehrheit ausging und den Weisungsverstoß gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 als die schwerste Dienstpflichtverletzung ansah, während die Ausübung einer unzulässigen Nebenbeschäftigung und deren Nichtmeldung lediglich als Erschwerungsgründe im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt wurden.

In dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG von der belangten Behörde neugefassten Spruch der angefochtenen Bescheide wird den Mitbeteiligten demgegenüber nur die Missachtung der erfolgten Weisung durch die dennoch erfolgte Ausübung und Nichtmeldung "ihrer Nebenbeschäftigung" und damit lediglich der Weisungsverstoß im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zur Last gelegt. Die belangte Behörde erachtete es dabei als unerheblich, ob durch die inkriminierten Tathandlungen der Mitbeteiligten "eine oder mehrere Dienstpflichtverletzungen" begangen worden seien.

Die Auffassung der belangten Behörde, es sei ohne Relevanz, ob durch die inkriminierten Tathandlungen der Mitbeteiligten "eine oder mehrere Dienstpflichtverletzungen" begangen worden seien, ist inhaltlich rechtswidrig, weil davon die Höhe der auszusprechenden Strafe im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG 1979 abhängig ist. Die belangte Behörde durfte daher auch nicht die Fragen offen lassen, ob Verstöße gegen § 56 Abs. 2 BDG 1979 vorliegen, und ob es sich bei der Nichtmeldung der von den Mitbeteiligten ausgeübten Nebenbeschäftigung nicht allenfalls um eine "straflose Nachtat" handelt (vgl. dazu Kucsko-Stadlmayer, Das Dienstrecht der Beamten3, 92). In der Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 ist Folgendes zu bemerken:

Die den Mitbeteiligten gegenüber in Bescheidform ausgesprochene "Untersagung" der von ihnen ausgeübten Nebenbeschäftigung wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2003/12/0200, mit der Begründung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, dass der auf § 56 Abs. 2 BDG 1979 gestützte Bescheid vom 24. September 2002, bestätigt mit Bescheid vom 22. September 2003, als Feststellungsbescheid zu deuten wäre. Der Verwaltungsgerichtshof setzte in diesem Erkenntnis wie folgt fort:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2004, Zl. 2000/12/0195, ausgeführt hat, scheidet ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf jedenfalls dann aus, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen Verfahrens (mit einem das rechtliche oder öffentliche Interesse abdeckenden Ergebnis) zu entscheiden ist. Dazu gehört auch ein Disziplinarverfahren. Liegt somit eine unzulässige Nebenbeschäftigung im Sinn des § 56 Abs. 2 BDG 1979 vor, hat der Beamte ihre Ausübung zu unterlassen. Andernfalls macht er sich disziplinär strafbar und hat allenfalls auch mit sonstigen dienstrechtlichen Maßnahmen (Personalmaßnahmen) zu rechnen.

Beabsichtigt der Beamte eine Nebenbeschäftigung auszuüben, dann hat er vorerst aus eigenem zu beurteilen, ob sie nicht nach § 56 Abs. 2 BDG 1979 unzulässig ist. Will er sichergehen, dass es sich bei dieser Nebenbeschäftigung um keine verbotene handelt, ist sein rechtliches Interesse an der Erlassung eines von ihm beantragten Feststellungsbescheides jedenfalls dann zu bejahen, wenn sein Antrag auf die Feststellung der Zulässigkeit der von ihm beabsichtigten (aber noch nicht aufgenommenen) Nebenbeschäftigung gerichtet ist und er diese Tätigkeit auch nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Feststellungsverfahrens aufnimmt. Ebenso ist ein öffentliches Interesse an der Erlassung eines amtswegigen Feststellungsbescheides über die Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung zu bejahen, wenn der Dienstbehörde die beabsichtigte Ausübung einer Nebenbeschäftigung eines Beamten zur Kenntnis kommt (ohne dass dieser einen solchen Feststellungsantrag gestellt hat), solange diese noch nicht ausgeübt wird.

Entscheidet sich der Beamte für die Ausübung der Nebenbeschäftigung, weil er sie für zulässig ansieht, dann trägt er das Risiko einer unrichtigen Einschätzung und deren Folgen. Hält die Dienstbehörde die ausgeübte Nebenbeschäftigung für unzulässig, wird sie die Klärung in einem von ihr in Gang zu setzenden Disziplinarverfahren (im Beschwerdefall also im Rahmen des bereits anhängigen Disziplinarverfahrens) zu veranlassen haben. Wegen der Subsidiarität des Feststellungsbescheides besteht in diesen Fällen jedenfalls kein öffentliches Interesse an einer gesonderten (amtswegigen) Feststellung betreffend die Unzulässigkeit der (bereits ausgeübten) Nebenbeschäftigung durch die Dienstbehörde, weil diese Frage, sieht man vom Fall der Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 ab, in einem anderen über Anzeige der Dienstbehörde oder von ihr von Amts wegen einzuleitenden Verfahren zu entscheiden ist."

Im Übrigen erachtete der Verwaltungsgerichtshof auch den Ausspruch der Behörde als zu unbestimmt,

"weil der Inhalt des Spruchs nämlich - auch im Zusammenhalt mit seinen Entscheidungsgründen betrachtet - nicht präzise den Tätigkeitsbereich, auf den er Bezug nimmt, umschreibt. Er ist so allgemein gehalten, dass nicht einmal mit Sicherheit beurteilt werden kann, ob die belangte Behörde - entsprechend der Anordnung des § 56 Abs. 2 BDG 1979 - auf den Inhalt der Tätigkeit (erwerbsmäßige Buchhaltung) abstellt. Ebenso wird nicht konkretisiert, was unter "jeder gleichartigen Tätigkeit" zu verstehen ist."

Ergibt sich aber aus dem - noch dazu unbestimmten - Feststellungsbescheid vom 24. September 2002, bestätigt mit Bescheid vom 22. September 2003, keine konkrete Unterlassungspflicht, so konnten die Mitbeteiligten auch nicht gegen eine solche verstoßen. Der Annahme der belangten Behörde, die Ausübung der Nebenbeschäftigung durch die Mitbeteiligten sei als Weisungsverstoß im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zu qualifizieren, kann daher - ausgehend von dem im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 2005 Dargelegten - nicht beigetreten werden.

Aus diesen Gründen waren die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG.

Wien, am 30. August 2006

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005090030.X00

Im RIS seit

29.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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