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L07004 Landesgesetzblatt Kundmachung Verlautbarung Oberösterreich;Norm
B-VG Art139 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2005/09/0114Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerden der Dr. Z in L, vertreten durch Weixelbaum, Humer, Trenkwalder & Partner, Rechtsanwälte OEG in 4020 Linz, Lastenstraße 36,
1. gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2004, Zl. PersR-040000/727-2004, betreffend Verhandlungsbeschluss (protokolliert zur hg. Zl. 2005/09/0009) und
2. gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landesbeamtinnen und Beamte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juni 2005, Zl. PersI-O40000/776-2005/RI, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe (protokolliert zur hg. Zl. 2005/09/0114),
zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht seit dem 1. März 1990 im oberösterreichischen Landesdienst. Seit 1. Dezember 1999 ist sie als Abteilungsleiterin für Verkehrsangelegenheiten, Verkehrsstrafen, Führerscheinangelegenheiten, KFZ-Zulassung, allgemeine Sicherheits- und Polizeiangelegenheiten, Fremdenpolizei und Pass- und Waffenwesen bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land tätig.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Durchführung einer mündlichen Disziplinarverhandlung gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes im Einzelnen detailliert angegebener Handlungen, welche als Dienstpflichtverletzungen gewertet wurden, beschlossen.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung - Disziplinarsenat A, vom 22. März 2005 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, in ihrer oben bezeichneten Funktion im Einzelnen dargestellte Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, wofür sie mit einer Geldstrafe gemäß § 115 Abs. 1 Z. 3 des Oö LBG in Höhe von zwei Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderbeihilfe a EUR 3.754,70, insgesamt sohin EUR 7.509,40, bestraft wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die Disziplinaroberkommission für Landesbeamtinnen und -beamte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, welche mit dem zweitangefochtenen Bescheid dieser Berufung teilweise Folge gab, einzelne Fakten des Schuldspruches der Behörde erster Instanz "aufhob" und unter Bestätigung weiterer Einzelfakten die verhängte Geldstrafe auf eineinhalb Monatsbezüge, sohin auf EUR 5.632,05, herabsetzte.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangten Behörden erstatteten jeweils Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragten und legten die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG und nach Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
Mit Beschlüssen der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2004, PersR-040001/140-2004/R1, vom 6. Dezember 2004, PersR-040001/145-2004/R1, und vom 5. Dezember 2005, PersR-460001/1- 2005/R1,wurden gemäß § 120 Abs. 3 und § 123 Abs. 3 des Oberösterreichischen Landesbeamtengesetzes - Oö. LBG, LGBl. Nr. 11/1994, in der Fassung LGBl. Nr. 22/2001, die Mitglieder und Ersatzmitglieder der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission für Landesbeamtinnen und -beamte für die Funktionsperiode 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2010 bestellt und die Zusammensetzung der Senate und die Geschäftsverteilung der Disziplinarkommissionen bestimmt.
Der Verfassungsgerichtshof hat in einem von ihm von Amts wegen eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren mit Erkenntnis vom 28. Februar 2006, V102/05-5, den zweiten Absatz des Punktes I und Punkt V des Beschlusses der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2004, PersR-040001/140-2004/R1, sowie den Abschnitt D der Beilage zu diesem Beschluss, Punkt II. des Beschlusses der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. Dezember 2004, PersR-040001/145-2004/R1, sowie die Abschnitte A, B, E, F und G der Beilage zum Beschluss der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Dezember 2005, PersR- 460001/1-2005/R1, einschließlich des Einleitungssatzes als gesetzwidrig aufgehoben. Darüber hinaus stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Punkt III. des Beschlusses der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2004, PersR- 040001/140-2004/R1, und die Abschnitte A, B, C, E, F und G der Beilage zu diesem Beschluss gesetzwidrig waren.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, bei dem Beschluss der Landesregierung gemäß § 122 Abs. 3 Oö LBG betreffend die Zusammensetzung der Senate der Disziplinarkommission und die Verteilung der Geschäfte auf diese handle es sich um eine von einer Verwaltungsbehörde, nämlich von der Landesregierung, erlassene, verwaltungsbehördliche Zuständigkeiten begründende Rechtsvorschrift, somit also um eine generelle und außenwirksame Norm, die als Verordnung im Sinne des Art. 139 B-VG zu qualifizieren sei. Die Geschäftsverteilung der hier in Rede stehenden Disziplinarkommission sei somit eine Rechtsverordnung, die als Rechtsverordnung hätte gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 des Oberösterreichischen Kundmachungsgesetzes im Landesgesetzblatt bzw. § 6 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. in der Amtlichen Linzer Zeitung kundgemacht hätte werden müssen. Eine solche Kundmachung sei nicht erfolgt, die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen erwiesen sich wegen dieses Kundmachungsmangels als gesetzwidrig.
Die Disziplinaroberkommission für Landesbeamte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung äußerte sich über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, die Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission sei in der Sitzung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Mai 2006 neuerlich beschlossen und anschließend in der Amtlichen Linzer Zeitung gemeinsam mit der Bestellung der Mitglieder der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission kundgemacht worden. Daraus ergäben sich dieselben Zuständigkeiten, wie sie schon im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Bescheide bestanden hätten, sodass nach der jetzt erfolgten Kundmachung Personenidentität mit den vor der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nominierten Kommissionsmitgliedern gegeben sei. Selbst wenn auf Grund mangelhafter Kundmachung der Geschäftsverteilung die Zusammensetzung der erstinstanzlich tätigen Disziplinarkommission nicht rechtmäßig gewesen wäre, liege keinerlei Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften vor. Überdies sei dieser formale Fehler durch die Entscheidung der Disziplinaroberkommission saniert worden. Die Zusammensetzung der Disziplinaroberkommission sei im Verfahren nie in Zweifel gezogen worden.
Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG in der Fassung der Novelle BGBl. 302/1975 ist der Verwaltungsgerichtshof berechtigt, die gehörige Kundmachung von Verordnungen selbst zu prüfen. Der Mangel der gehörigen Kundmachung hat die Unbeachtlichkeit der "Verordnung" für die Gerichte, und damit auch für den Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall zur Folge, dies ungeachtet des Umstandes, dass ein solcher Mangel im amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung durch diesen gemäß Art. 139 Abs. 3 zweiter Satz lit. c B-VG zu führen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, Zl. 2003/07/0171, mwN).
Es ist unstrittig, dass im Zeitpunkt der Fassung des Verhandlungsbeschlusses und der Erlassung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses (jeweils der Disziplinarkommission) die Beschlüsse der Oberösterreichischen Landesregierung über die Zusammensetzung der Senate und die Geschäftsverteilung dieses Kollegialorgans nicht gehörig kundgemacht waren.
Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz, hier von §§ 120 ff Oö LBG, geforderten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge, die auch nicht durch eine spätere Erlassung bzw. Kundmachung einer solchen Norm saniert werden kann, zumal in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem keine gesetzliche Grundlage für die Erlassung "rückwirkender" Anordnungen besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 92/12/0104).
Der erstangefochtene Bescheid der Disziplinarkommission war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, der zweitangefochtene Bescheid der Disziplinaroberkommission, die es unterließ, die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz aufzugreifen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2006, Zl. 2004/09/0201).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. August 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090009.X00Im RIS seit
29.09.2006Zuletzt aktualisiert am
27.06.2011