TE OGH 1997/9/17 3Ob269/97y

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Veröffentlicht am 17.09.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Fabian K*****, geboren 11.3.1985, Sara K*****, geboren 14.5.1986, und Lena K*****, geboren 3.1.1990, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Christian K*****, vertreten durch Dr.Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 15.Juli 1997, GZ 43 R 521/97d, 522/97a, 523/97y-108, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29.Jänner 1997, GZ 5 P 1015/95t-66, und vom 6.Mai 1997, GZ 5 P 1015/95t-93, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen den Beschluß des Rekursgerichtes über den Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 66 richtet.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die häusliche Gemeinschaft der Eltern Christian K***** und Margit K*****, deren Ehe aufrecht ist, ist aufgehoben. Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 1.8.1996 (ON 38) wurde die Obsorge über die Kinder dem Vater einstweilen entzogen und die einstweilige Obsorge der Mutter eingeräumt.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 29.1.1997 (ON 66) den Antrag des Vaters, ihm ein über den - zugleich mit diesem Beschluß pflegschaftsbehördlich genehmigten - Vergleich vom 10.1.1997, wonach der Vater berechtigt ist, alle drei Kinder an den ungeraden Wochenenden von Freitag nach der Schule bis Sonntag 19.00 Uhr abends, ebenso an jedem Mittwoch nachmittag nach der Schule bis 20.00 Uhr abends, zu sich zu nehmen, hinausgehendes Besuchsrecht zuzuerkennen, ab; weiters wurde die Vereinbarung zwischen den Eltern vom 1.5.1996, wonach die elterlichen Rechte gemäß § 144 ABGB bezüglich aller Kinder allein auf den Vater übergehen, pflegschaftsbehördlich nicht genehmigt, weil sich diese Vereinbarung ausdrücklich nur auf den Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG bezogen habe.Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 29.1.1997 (ON 66) den Antrag des Vaters, ihm ein über den - zugleich mit diesem Beschluß pflegschaftsbehördlich genehmigten - Vergleich vom 10.1.1997, wonach der Vater berechtigt ist, alle drei Kinder an den ungeraden Wochenenden von Freitag nach der Schule bis Sonntag 19.00 Uhr abends, ebenso an jedem Mittwoch nachmittag nach der Schule bis 20.00 Uhr abends, zu sich zu nehmen, hinausgehendes Besuchsrecht zuzuerkennen, ab; weiters wurde die Vereinbarung zwischen den Eltern vom 1.5.1996, wonach die elterlichen Rechte gemäß Paragraph 144, ABGB bezüglich aller Kinder allein auf den Vater übergehen, pflegschaftsbehördlich nicht genehmigt, weil sich diese Vereinbarung ausdrücklich nur auf den Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß Paragraph 55 a, EheG bezogen habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil keine Rechtsfrage der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation zur Entscheidung vorgelegen sei.Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil keine Rechtsfrage der in Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG genannten Qualifikation zur Entscheidung vorgelegen sei.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist insoweit mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508 a Abs 2 und § 510 ZPO).Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist insoweit mangels der Voraussetzungen des Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG zurückzuweisen (Paragraph 16, Absatz 3, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 508, a Absatz 2 und Paragraph 510, ZPO).

Weiters übertrug das Erstgericht mit Beschluß vom 6.5.1997 (ON 93) die Obsorge für alle Minderjährigen der Mutter allein und wies den Antrag des Vaters, "ihm vorläufig die Obsorge hinsichtlich dieser drei Kinder zu übertragen und auch die vorläufige Obsorge zuzusprechen", ab; es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Seit der neuerlichen Trennung der Eltern im Frühsommer 1996 besteht zwischen den Eltern eine permanente Konfliktsituation, die auch teilweise über die Kinder ausgetragen wird. Wenn die Eltern zusammentreffen, kommt es meist zu einem Streit.

Die erste aktenkundige Polizeiintervention erfolgte am 30.7.1996; beide Eltern und die Schwester der Mutter wurden wegen Verdachts der Körperverletzung angezeigt, weil es zwischen ihnen zu einem Streit und zu Handgreiflichkeiten gekommen war und die Polizei die Wohnung in einem wüsten Chaos vorgefunden hatte. Die Eltern beschuldigten einander wechselseitig und behaupteten, jeweils vom andern Elternteil geschlagen worden zu sein bzw der Vater auch von seiner Schwägerin.

Am 5.9.1996 zeigte der Vater die Mutter auch wegen Verdachts der Urkundenunterdrückung und des Diebstahls an, weil sie gegen seinen Willen Urkunden der Kinder, Unterlagen über die Scheidung, Kinderkleidung und vier Bettüberzüge gegen seinen Willen aus der Wohnung entwendet habe.

Am 5.1.1997 erschien der Vater mit beiden Mädchen am Polizeikommissariat Landstraße und brachte zur Anzeige, daß die Mutter der jüngsten Tochter eine Ohrfeige versetzt habe; dies wurde von dem Mädchen bestätigt. Die ältere Tochter kannte den Vorfall nur vom Hörensagen. Am 31.1.1997 begab sich der Vater mit seinen Kindern wieder ins Polizeikommissariat und meldete, daß die Mutter den Sohn am Körper verletzt habe. Dieser sagte bei der Polizei aus, daß er mit seinen Schwestern die Energieferien mit dem Vater habe verbringen sollen; beim Einpacken sei es zwischen Mutter und Sohn zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf er von der Mutter gestoßen worden sei, sodaß er mit dem rechten Schienbein gegen die Wohnzimmertreppe gefallen sei. Beim Hochzerren durch die Mutter stieß er auch noch mit dem linken Knie gegen eine Stiegenkante. Verletzungen erlitt er dabei nicht. Unmittelbar danach nahm er ungehindert an einem Basketballtraining teil.

Am 16.1.1997 um 18.30 Uhr kam der Vater auf die Polizei und brachte dort vor, seine Frau habe zwei Tage vorher einem Bekannten gegenüber sich dahingehend geäußert, daß sie sich aus dem sechsten Stock der Wohnung stürzen wolle; er habe nunmehr um seine Kinder Angst. Die Polizei fand in der Wohnung die Mutter mit zwei Kindern vor. Die Mutter bestritt, eine solche Äußerung gemacht zu haben. Der intervenierende Amtsarzt und der Psychologe des psychosozialen Dienstes fanden nach eingehenden Gesprächen mit der Mutter damals keinen Grund für eine Einweisung.

Der gemeinsame Bekannte bestätigte gegenüber der Polizei aber auch vor Gericht, daß er am 24.1.1997 abends von der Mutter angerufen und indirekt ersucht wurde, auf ihren Mann, den er auch von diversen Trainingslagern her gut kennt, einzuwirken, die Kinder aus dem Konflikt herauszuhalten. Sie war damals verzweifelt, weinte und erzählte, der Vater versuche, mit allen Mitteln auf die Kinder Einfluß zu nehmen. Sinngemäß äußerte sie dann, sie wisse nicht, was sie täte, wenn die Kinder von ihr wegkämen. Sie würde sich dann aus dem sechsten Stock stürzen. Der Bekannte maß der Äußerung damals nicht so viel Bedeutung bei. Er besprach am darauffolgenden Abend mit dem Vater die Sachlage und erzählte ihm auch von dieser Äußerung, worauf der Vater am Abend des folgendes Tages Anzeige bei der Polizei erstattete.

Der Vater ist Lehrer; er ist daneben als Basketballtrainer und als Trainer bei einem österreichischen Wintersportklub tätig. Er förderte schon immer die sportlichen Aktivitäten der Kinder, neben Schifahren im Winter samt Besuch diverser Trainingslager bei Ausscheidungskämpfen auch Basketball; Fabian ist auch noch in einer Eishockeymannschaft. Die sportlichen Aktivitäten nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Dies wirkt sich auch beim Sohn als negativ in seinen schulischen Leistungen aus.

Die Mutter ist seit Februar 1997 wieder berufstätig. Sie beginnt um 8.00 Uhr früh und kommt gegen 17.15 Uhr wieder nach Hause zurück. Die minderjährige Lena besucht eine Ganztagsschule, die beiden anderen Kinder werden nachmittags, soweit sie überhaupt zu Hause sind, von der mütterlichen Großmutter betreut. Die Kinder nehmen an sehr vielen sportlichen Aktivitäten teil, die fast alle Nachmittage der Woche in Anspruch nehmen. Zweimal in der Woche trainieren sie mit dem Vater Basketball, zwei Wochenenden im Monat und jeden Mittwoch sind sie aufgrund einer Besuchsrechtsvereinbarung beim Vater.

Die und Scheidungssituation der Eltern gestaltet sich teilweise sehr konfliktreich. Ein auch vom Amt für Jugend und Familie angeregter Mediationsversuch wurde im Winter 1996/97 erfolglos abgebrochen. Das Erstgericht führte weiters an, das Amt für Jugend und Familie habe eine Stellungnahme zur Übertragung der alleinigen Obsorge an einen Elternteil noch im Dezember 1996 mit der Begründung abgelehnt, daß die Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft der Eheleute von der heftigen Trennungsproblematik überlagert werde und sie erst ihre Konflikte allenfalls in einer Paartherapie bearbeiten und einer tragbaren Problemlösung zuführen müßten. Sowohl beim Amt für Jugend und Familie als auch bei Vorsprachen der Eltern bei Gericht sei deutlich geworden, daß zwischen den beiden eine äußerst gespannte, von zahlreichen Streitigkeiten geprägte Beziehung besteht, die zeitweise in Eskalationen der Konflikte mündet. Die Eltern sind nicht mehr in der Lage, miteinander ein Gespräch zu führen. Auch der Streit um das Obsorgerecht hat Züge eines Machtkampfes. Daneben werden zwischen den Eltern auch noch ein Besitzstörungsverfahren und das Scheidungsverfahren geführt, in dem der Vater die zwei älteren Kinder als Zeugen geführt hat.

Die Minderjährigen befinden sich aufgrund einer vorläufigen Obsorgeentscheidung vom 1.8.1996 bei der Mutter. Diese holte den mj. Fabian unter Polizeiintervention vom Vater ab, wobei sich das Kind gegen die Mitnahme durch die Mutter heftig wehrte und aus der Wohnung ins Auto gezerrt wurde.

Fabian steht bereits am Beginn der Pubertät. Der Vater wird von ihm als sehr dominant in der Familie erlebt; ihm kommt als männliche Identifikationsfigur eine wichtige Bedeutung zu. Fabian beginnt sich bereits aus der Enge der Familie zu lösen, um sich an Gleichaltrigen zu orientieren. Er wünscht sich eine Versöhnung der Eltern und ihr weiteres Zusammenleben, ist sich aber bewußt, daß dieser Wunsch unrealistisch ist. Er ist durch die Streitsituation der Eltern deutlich irritiert, möchte sich aber nicht zwischen beiden entscheiden. Nach eigener Aussage will er zu beiden, vielleicht ein bißchen mehr zum Vater. Er hat die Lebenssituation bei der Mutter akzeptiert und fühlt sich trotz Rivalität zu den Geschwistern an diese gebunden.

Auch Sara steht emotionell zwischen den beiden Elternteilen. Sie versucht, die Vorteile bei jedem Elternteil zu sehen, und würde gern zwischen ihnen vermitteln. Sie ist auch sehr vorsichtig in ihren Äußerungen, um keinen der beiden zu verletzen. Sie erlebt das Bestreben der Eltern, sie jeweils auf die eigene Seite zu ziehen, sehr intensiv und versucht, sich möglichst aus diesem Konflikt herauszuhalten. Auch sie will von ihren Geschwistern nicht getrennt werden.

Die jüngste Tochter Lena besucht derzeit die erste Volksschule; sie ist ebenso wie ihre Schwester eine gute Schülerin. Sie ist emotional altersgemäß stark an die Mutter gebunden; ihr sind auch die Beziehungen zu den Geschwistern sehr wichtig. Auch sie will sich zwischen den Eltern nicht entscheiden und ist durch die Konfliktsituation irritiert. Auch für sie ist der Vater eine durchaus wichtige Bezugsperson.

Alle Kinder leiden unter der Trennung der Eltern und reagieren darauf mit unterschiedlichen Strategien.

Beide Elternteile sind in ihrer Erziehungsfähigkeit nicht generell beeinträchtigt. Die Mutter läßt den Kindern ziemlich viel Freiraum; im Alltag gehen aber von ihr die erzieherischen Forderungen aus, weshalb sie zum Teil als etwas strenger als der Vater erlebt wird. Daß die Kinder vor der Mutter aber Angst hätten bzw daß sie sie tatsächlich mißhandle, konnte nicht festgestellt werden.

Der Vater unternimmt mit den Kindern sehr viele Freizeitaktivitäten, ohne sich um schulische Belange zu kümmern oder mit ihnen zu lernen. Er versucht auch stark, sie auf seine Seite zu ziehen, und vermittelt ihnen das Gefühl, daß sie von ihm sehr wichtig genommen werden; daraus resultiert auch ein Teil seiner Attraktivität für die Kinder.

Persönlichkeitsmäßig zeigt der Vater eine relativ störanfällige Persönlichkeitsstruktur mit deutlicher neurotischer Verdrängungstätigkeit sowie auch einer starken Affektlabilität. Er neigt auch verstärkt dazu, eigene Strebungen auf die Kinder zu übertragen.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht aus, da die Eltern nicht bloß vorübergehend getrennt leben, sei über ihren Antrag zu entscheiden, wem künftig die Obsorge für die drei Minderjährigen allein zustehen soll. Dabei sei unter Berücksichtigung der Gesamtsituation und der Betreuungsmöglichkeiten der beiden Elternteile sowie deren Erziehungsfähigkeit eine dem Wohl der Kinder entsprechende Entscheidung zu treffen. Beide Elternteile seien räumlich in der Lage, die Kinder unterzubringen. Der Vater sei in der ehemaligen Ehewohnung verblieben, somit in einer für die Kinder gewohnten Umgebung, in die sie auch laufend während seiner Besuchszeiten zurückkommen. Er sei als Lehrer berufstätig und könne am Nachmittag die Betreuung der Kinder selbst übernehmen bzw unter Mithilfe allenfalls seiner Mutter organisieren. Die Mutter sei in eine andere Wohnung gezogen, in der die Kinder nun auch bereits ein halbes Jahr leben und sich gut eingewöhnt hätten. Die Wohnung liege ganz in der Nähe der bisherigen Ehewohnung, sodaß kein Schulwechsel notwendig sei. Die Mutter sei nun wieder berufstätig. Die Kinder würden durch schulische Einrichtungen bzw die mütterliche Familie während der Abwesenheit der Mutter betreut. Von der Betreuungsmöglichkeit, aber auch von der Erziehungsfähigkeit her seien somit beide Elternteile geeignet.

Die bisherigen Geschehnisse und die derzeitige wechselseitige negative Einstellung der Eltern zueinander lasse für die weitere Entwicklung der Kinder deren Ruhigstellung wesentlich erscheinen. Besonders die beiden älteren Kinder stünden derzeit unter einem starken Druck des Vaters und seiner stärkeren Einflußnahme auf die Kinder, was sich aus psychologischer Sicht negativ auf ihre weitere Entwicklung auswirke, sodaß die Belassung der Kinder bei der Mutter und die Obsorgezuteilung an sie für das Wohl der Kinder günstiger sei. Außerdem sei auch dem Willen der Kinder und vor allem auch deren Bindung untereinander eine wichtige Bedeutung zuzumessen. Nur für Fabian sei der Vater als männliche Bezugsperson wichtiger, Fabian beginne sich aber schon aus der familiären Bindung zu lösen. Die Geschwister hätten einen engen Zusammenhalt und wollten nicht getrennt werden. Eine solche Trennung würde sich auch für die Kinder, die die derzeitige Konfliktsituation der Eltern als äußerst belastend erleben, nur negativ auswirken. Das bestehende Besuchsrecht und die laufenden gemeinsamen Sportaktivitäten der Kinder mit dem Vater, welche die Mutter auch nicht unterbinde, gewährleisteten die für die Kinder auch wesentliche Kontakte zum Vater. Für die beantragte vorläufige Zuweisung der Kinder an den Vater bestehe keine Veranlassung, weil das Beweisverfahren keine unmittelbare Gefährdung der Kinder bei der Mutter ergeben habe.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Rechtsfragen der im § 14 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation nicht zur Entscheidung vorgelegen seien. Das Rekursgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin gelegen sein solle, daß das Erstgericht vor seiner Beschlußfassung unterlassen habe, die Kinder gemäß § 178 b ABGB zu hören. Tatsächlich sei die Anhörung der beiden über 10-jährigen Kinder Fabian und Sara vor Gericht nach der Aktenlage erstmals am 9.5.1997 erfolgt. Dieser ohne Ladung erfolgten Vorsprache der beiden Kinder sei die handschriftliche, am 16.4.1997 beim Erstgericht eingelangte und von allen drei Kindern unterfertigte Eingabe ON 90 vorangegangen, in der der Wunsch der Minderjährigen betont werde, beim Vater "wohnen zu wollen". Dieser Brief sei der Erstrichterin im Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung jedenfalls zur Kenntnis gelangt. Wenn auch der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes mit 6.5.1997 datiert sei, sei er doch erst am 9.5.1997 der Schreibabteilung übergeben und die schriftliche Abfassung des Beschlusses erst am 14.5.1997 in der Geschäftsstelle zur Ausfertigung abgegeben worden. Die Bindung des Erstgerichtes an die angefochtene Entscheidung sei aber gemäß der analog heranzuziehenden Bestimmung des § 415 ZPO erst mit der Abgabe der schriftlichen Abfassung des Beschlusses an die Geschäftsstelle eingetreten, weshalb das Erstgericht nicht gehindert gewesen sei, den Äußerungen der beiden Minderjährigen vom 9.5.1997 unter Bedachtnahme auf die bis dahin vorgelegenen Verfahrensergebnisse eine Relevanz beizumessen. Das Erstgericht habe im Rahmen seiner Entscheidungsfindung in diesen Äußerungen der Kinder keine weiteren entscheidungswesentlichen Umstände erkannt. Ein Verfahrensmangel sei nicht gegeben, zumal alle Kinder einer eingehenden Sachverständigenexploration unterzogen worden seien und sich die bekämpfte Entscheidung im wesentlichen auf die Ergebnisse dieses psychologischen Sachverständigengutachten stütze.Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Rechtsfragen der im Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG genannten Qualifikation nicht zur Entscheidung vorgelegen seien. Das Rekursgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin gelegen sein solle, daß das Erstgericht vor seiner Beschlußfassung unterlassen habe, die Kinder gemäß Paragraph 178, b ABGB zu hören. Tatsächlich sei die Anhörung der beiden über 10-jährigen Kinder Fabian und Sara vor Gericht nach der Aktenlage erstmals am 9.5.1997 erfolgt. Dieser ohne Ladung erfolgten Vorsprache der beiden Kinder sei die handschriftliche, am 16.4.1997 beim Erstgericht eingelangte und von allen drei Kindern unterfertigte Eingabe ON 90 vorangegangen, in der der Wunsch der Minderjährigen betont werde, beim Vater "wohnen zu wollen". Dieser Brief sei der Erstrichterin im Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung jedenfalls zur Kenntnis gelangt. Wenn auch der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes mit 6.5.1997 datiert sei, sei er doch erst am 9.5.1997 der Schreibabteilung übergeben und die schriftliche Abfassung des Beschlusses erst am 14.5.1997 in der Geschäftsstelle zur Ausfertigung abgegeben worden. Die Bindung des Erstgerichtes an die angefochtene Entscheidung sei aber gemäß der analog heranzuziehenden Bestimmung des Paragraph 415, ZPO erst mit der Abgabe der schriftlichen Abfassung des Beschlusses an die Geschäftsstelle eingetreten, weshalb das Erstgericht nicht gehindert gewesen sei, den Äußerungen der beiden Minderjährigen vom 9.5.1997 unter Bedachtnahme auf die bis dahin vorgelegenen Verfahrensergebnisse eine Relevanz beizumessen. Das Erstgericht habe im Rahmen seiner Entscheidungsfindung in diesen Äußerungen der Kinder keine weiteren entscheidungswesentlichen Umstände erkannt. Ein Verfahrensmangel sei nicht gegeben, zumal alle Kinder einer eingehenden Sachverständigenexploration unterzogen worden seien und sich die bekämpfte Entscheidung im wesentlichen auf die Ergebnisse dieses psychologischen Sachverständigengutachten stütze.

Nach den vom Erstgericht erzielten Verfahrensergebnissen, denen das Rekursgericht folge, sei sowohl die Eignung der Mutter als auch die des Vaters zur Pflege und Erziehung der Kinder anzunehmen. Entgegen der Ansicht des Vaters bedürfe es keiner näheren Aufklärung der Streitigkeiten der Eltern vom 30.7.1996, der vom Vater behaupteten Tätlichkeiten der Mutter gegen den mj. Fabian vom 31.1.1997 sowie der Äußerungen der Mutter vom 16. bzw 26.1.1997, die der Vater zum Anlaß für Anzeigen genommen habe. Die entscheidende Frage, durch welche Alleinzuteilung der Obsorge dem Kindeswohl am Besten entsprochen werde, habe durch das abgeführte Beweisverfahren, insbesondere durch das kinderpsychologische Gutachten, hinreichend geklärt werden können.

Das Erstgericht habe beachtet, daß bei der Entscheidung über die Zuteilung der Obsorge oberste Leitmaxime das Wohl des Kindes sei und die Eigeninteressen der Kinder gegenüber diesem Grundprinzip zurückzutreten hätten. Um besser beurteilen zu können, bei welchem Elternteil das Kindeswohl besser gewährleistet sei, seien bei der erstmaligen Obsorgezuteilung die Lebensverhältnisse der Kinder bei dem einen und dem anderen Elternteil in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen, wobei die Eignung des betreffenden Elternteils für die Ausübung der Obsorge von besonderem Gewicht sei und abzuwägen sei, welche der beiden die günstigsten Voraussetzungen für die künftige geistige, seelische und körperliche Entwicklung des Kindes bieten könne. Für die Zuteilung der Obsorge sei auch die Zukunftsprognose erforderlich, bei der alles Für und Wider sorgfältig abzuwägen sei, wobei es oft nur möglich sein werde, die voraussichtlich weniger schädliche Alternative für das Kind zu wählen. Der Argumentation des Erstgerichtes, das nach der gebotenen Gesamtschau der Obsorgezuteilung an die Mutter unter Bedachtnahme auf das zu wahrende Kindeswohl den Vorzug gegeben habe, sei zu folgen. Das Erstgericht habe bei seiner Obsorgeentscheidung einerseits die Bindung der Kinder zueinander und andererseits auch das Verhalten des Vaters, der seine Kinder bisher sehr stark in den Konflikt der Eltern einbezogen und sie dadurch belastet habe, zu Recht mitberücksichtigt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 178 b ABGB hat das Gericht vor Verfügungen, die die Pflege oder Erziehung eines Kindes betreffen, das Kind tunlichst persönlich zu hören; ein noch nicht 10-jähriges Kind kann auch durch den Jugendwohlfahrtsträger oder in anderer geeigneter Weise befragt werden. Das Kind ist nicht zu hören, wenn dadurch die Befragung oder durch einen Aufschub der Verfügung das Wohl des Kindes gefährdet wäre oder im Hinblick auf das Alter oder die Entwicklung des Kindes eine Meinungsäußerung nicht zu erwarten ist.Gemäß Paragraph 178, b ABGB hat das Gericht vor Verfügungen, die die Pflege oder Erziehung eines Kindes betreffen, das Kind tunlichst persönlich zu hören; ein noch nicht 10-jähriges Kind kann auch durch den Jugendwohlfahrtsträger oder in anderer geeigneter Weise befragt werden. Das Kind ist nicht zu hören, wenn dadurch die Befragung oder durch einen Aufschub der Verfügung das Wohl des Kindes gefährdet wäre oder im Hinblick auf das Alter oder die Entwicklung des Kindes eine Meinungsäußerung nicht zu erwarten ist.

Hier hat die Erstrichterin die beiden über 10 Jahre alten Kinder Fabian und Sara erstmals am 9.5.1997 anläßlich einer ohne vorherige Ladung erfolgten Vorsprache angehört. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, diese vor Abgabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle erfolgte Anhörung sei ausreichend, weil das Erstgericht zu dieser Zeit noch nicht an seine vorher gefällte Entscheidung gebunden sei, ist an sich zutreffend. Die - auch im Außerstreitverfahren anzuwendende - Vorschrift des § 416 Abs 2 ZPO gilt nämlich auch für Beschlüsse, die nicht prozeßleitender Natur sind (JBl 1987, 327; EvBl 1967/373; SZ 8/352).Hier hat die Erstrichterin die beiden über 10 Jahre alten Kinder Fabian und Sara erstmals am 9.5.1997 anläßlich einer ohne vorherige Ladung erfolgten Vorsprache angehört. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, diese vor Abgabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle erfolgte Anhörung sei ausreichend, weil das Erstgericht zu dieser Zeit noch nicht an seine vorher gefällte Entscheidung gebunden sei, ist an sich zutreffend. Die - auch im Außerstreitverfahren anzuwendende - Vorschrift des Paragraph 416, Absatz 2, ZPO gilt nämlich auch für Beschlüsse, die nicht prozeßleitender Natur sind (JBl 1987, 327; EvBl 1967/373; SZ 8/352).

Das Erstgericht hat somit an sich die Meinung der Kinder bei seiner Obsorgeentscheidung formell ausreichend berücksichtigt, indem es die beiden über 10 Jahre alten Kinder vor Abgabe des betreffenden Beschlusses an die Geschäftsstelle selbst gehört hat.

Im vorliegenden Fall hat aber das Erstgericht nicht alle relevanten Verfahrensergebnisse ausreichend berücksichtigt; dadurch hat es auch unterlassen, zu diesen Verfahrensergebnissen die Kinder eingehend anzuhören und erst danach ihre Ansichten zu berücksichtigen.

Der Wunsch des Kindes in bezug auf die Obsorgezuteilung ist zwar nicht allein ausschlaggebend. Maßgeblich ist ausschließlich das Kindeswohl, wobei die Eignung des betreffenden Elternteils für die Ausübung der Obsorge von besonderem Gewicht ist. Bei der Abwägung fallen insbesondere die Interessen des Kindes an einer möglichst guten Unterbringung, Verpflegung und Versorgung, an einer gedeihlichen seelisch-geistigen Entwicklung, an einer möglichst sachkundigen Erziehung und sorgfältigen Beaufsichtigung, aber auch sein emotionales Interesse, mit dem Elternteil leben zu können, zu dem die stärkere gefühlmäßige Bindung besteht, ins Gewicht. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, welcher Elternteil am ehestens ein intaktes Familienleben bieten kann (Schwimann in Schwimann, ABGB2, Rz 11 zu § 177 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Eignung des Elternteils zur ordnungsgemäßen Betreuung des Kindes ist aufgrund umfassender Erhebungen festzustellen (Schwimann aaO Rz 18).Der Wunsch des Kindes in bezug auf die Obsorgezuteilung ist zwar nicht allein ausschlaggebend. Maßgeblich ist ausschließlich das Kindeswohl, wobei die Eignung des betreffenden Elternteils für die Ausübung der Obsorge von besonderem Gewicht ist. Bei der Abwägung fallen insbesondere die Interessen des Kindes an einer möglichst guten Unterbringung, Verpflegung und Versorgung, an einer gedeihlichen seelisch-geistigen Entwicklung, an einer möglichst sachkundigen Erziehung und sorgfältigen Beaufsichtigung, aber auch sein emotionales Interesse, mit dem Elternteil leben zu können, zu dem die stärkere gefühlmäßige Bindung besteht, ins Gewicht. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, welcher Elternteil am ehestens ein intaktes Familienleben bieten kann (Schwimann in Schwimann, ABGB2, Rz 11 zu Paragraph 177, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Eignung des Elternteils zur ordnungsgemäßen Betreuung des Kindes ist aufgrund umfassender Erhebungen festzustellen (Schwimann aaO Rz 18).

Für eine abschließende Beurteilung dieser Kriterien für die Obsorgeentscheidung nach § 177 Abs 2 ABGB reichen hier die Entscheidungsgrundlagen nicht aus.Für eine abschließende Beurteilung dieser Kriterien für die Obsorgeentscheidung nach Paragraph 177, Absatz 2, ABGB reichen hier die Entscheidungsgrundlagen nicht aus.

Das Erstgericht hat sich mit den aktenkundigen (ON 49) schwerwiegenden Vorwürfen gegen die Mutter über ihre Vorgangsweise anläßlich der Abholung des mj. Fabian beim Vater nicht auseinandergesetzt. Der Stadthauptmann für den dritten Bezirk bezeichnete dies in der Übermittlung der betreffenden Meldung der intervenierenden Polizeibeamten an das Erstgericht so, daß die Vorgangsweise der Kindesmutter mehr an eine mittelalterliche Geiselnahme als an ein behutsames Vorgehen zum Wohl des Kindes erinnere (ON 49 AS 207).

Mit diesem Vorfall, dem doch erhebliche Bedeutung für die Beurteilung der Eignung der Mutter für die Ausübung der Obsorge beizumessen ist, haben sich weder die beigezogene Sachverständige Dr.Angelika Göttling noch die Vorinstanzen auseinandergesetzt auch das Kind ist vor Gericht dazu nicht befragt worden.

Das Erstgericht wird somit in einem ergänzenden Verfahren die näheren Umstände dieses Vorfalls zu klären und deren Bedeutung für die Obsorgeentscheidung begründet und nachvollziehbar darzulegen haben.

Weiters werden die Kinder in geeigneter Weise zu ihren dem Gericht vorliegenden Wünschen zur Obsorgezuteilung näher anzuhören sein, um deren Gewicht für die gerichtliche Entscheidung beurteilen zu können.

Erst nach Vorliegen der derart erweiterten Tatsachengrundlagen wird eine abschließende Beurteilung der maßgebenden Kriterien für die Obsorgeentscheidung möglich sein.

Textnummer

E47366

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0030OB00269.97Y.0917.000

Im RIS seit

17.10.1997

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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