TE Vwgh Erkenntnis 2006/8/31 2004/21/0227

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Veröffentlicht am 31.08.2006
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §34 Abs1 Z3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §34 Abs1 Z3 idF 2004/I/129;
AsylG 1997 §34b Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §66;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. Juli 2004, Zl. VwSen-400690/4/Gf/Sta, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Juli 2004, der noch am selben Tag vollzogen wurde, ordnete die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gegen den Mitbeteiligten, einen am 13. Mai 1972 geborenen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 34b Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz - AsylG iVm § 61 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG und § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung an.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Mitbeteiligte illegal nach Österreich eingereist sei und am 12. September 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Oktober 2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Seiner dagegen erhobenen Berufung sei vom unabhängigen Bundesasylsenat nicht Folge gegeben worden. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei mit hg. Beschluss vom 16. Juli 2003 (zur Zl. 2003/01/0198) abgelehnt worden.

Am 17. Juni 2004 habe der Mitbeteiligte einen neuen Asylantrag gestellt. Er habe vorgebracht, sein Heimatland (Provinz Kosovo) am 15. Juni 2004 aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Das Bundesasylamt habe diesen Folgeantrag mit Bescheid vom 2. Juli 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Auf Grund der wiederholten illegalen Einreisen in das Bundesgebiet und weil der Mitbeteiligte mittellos sowie ohne Krankenversicherungsschutz sei, sei zu befürchten, dass er sich - auf freiem Fuß belassen - dem weiteren Zugriff der Behörde wieder entziehen werde. Die Anhaltung in Schubhaft sei deshalb zur Sicherung der eingangs genannten Verfahren unbedingt erforderlich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Schubhaftbeschwerde statt und erklärte seine Anhaltung als rechtswidrig.

In ihrer Begründung legte die belangte Behörde näher dar, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des Mitbeteiligten die Prognosebeurteilung, er werde sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen oder dieses zumindest erschweren, "jedenfalls nicht unvertretbar" sei, dass jedoch die Möglichkeit der Anwendung eines gelinderen Mittels im Sinn des § 66 FrG die Verhängung der Schubhaft ausgeschlossen hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim Verwaltungsgerichtshof am 13. September 2004 eingelangte Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten samt einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, eingefügte

§ 34b AsylG lautete:

"Schubhaft

§ 34b. (1) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung mit Bescheid anordnen, wenn

1. der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat;

2. gegen den Asylwerber eine - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung gemäß der §§ 5a und 6 erlassen wurde, oder

3. der Fremde nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftig negativer Entscheidung einen neuerlichen Asylantrag (Folgeantrag) stellt oder einbringt.

(2) Auf Asylwerber, über die Schubhaft verhängt worden ist, findet das Fremdengesetz insgesamt Anwendung."

Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 237/03 u.a. (= VfSlg. 17.340), hat der Verfassungsgerichtshof u.a. den wiedergegebenen § 34b Abs. 1 Z. 3 AsylG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmung in den am 15. Oktober 2004 beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwaltungsgerichtshof und beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist; frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft (Kundmachung des Bundeskanzlers in BGBl. I Nr. 129/2004).

Im Hinblick auf diese gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof ausgesprochene Ausdehnung der Anlassfallwirkung ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung von Schubhaft so zu beurteilen, als ob die aufgehobene Bestimmung schon zum Zeitpunkt der im Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung nicht mehr bestanden hätte (vgl. Schäffer in Rill/Schäffer, Rz 93 und 94 zu Art. 140 B-VG; Rohregger in Korinek/Holoubek II/2, Rz 317 und 322 zu Art. 140 B-VG, jeweils mwN).

Da die Verhängung der Schubhaft über den Mitbeteiligten lediglich auf den - aufgehobenen - Tatbestand des § 34b Abs. 1 Z. 3 AsylG gestützt war, andere Gründe des § 34b Abs. 1 AsylG für eine Verhängung der Schubhaft also ungeprüft geblieben sind, fehlt dem oben dargestellten Bescheid vom 2. Juli 2004 damit die gesetzliche Grundlage. Der mit der vorliegenden Amtsbeschwerde angefochtene Ausspruch der belangten Behörde, dass die Anhaltung des Mitbeteiligten als rechtswidrig erklärt werde, erweist sich somit unabhängig davon als rechtsrichtig, ob - wie dies die Beschwerde in Abrede stellt - die Anwendung gelinderer Mittel im Sinn des § 66 FrG in Betracht gekommen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. August 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004210227.X00

Im RIS seit

27.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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