TE OGH 1997/9/25 2Ob250/97x

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Veröffentlicht am 25.09.1997
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 9.November 1984 geborenen Marlene J*****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten, Jugendhilfe, 3100 St.Pölten, Heßstraße 6, als Unterhaltssachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 28.Mai 1997, GZ 10 R 157/97h-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 2.Mai 1997, GZ 1 P 2804/97p-26, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Vater des am 9.11.1984 geborenen Kindes hat sich in Scheidungsvergleich vom 26.3.1992 verpflichtet, dem Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.720,- zu bezahlen.

Das Kind stellte am 12.3.1997 den Antrag, den ihm Scheidungsvergleich festgesetzten Unterhaltsbetrag ab dem 1.2.1997 auf S 3.800,-

monatlich zu erhöhen.

Der Vater sprach sich gegen diese Erhöhung aus, weil er mit Ende Februar 1997 von seinem Arbeitgeber gekündigt worden sei, und derzeit nur Notstandshilfe beziehe.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von S 3.660,- für den Monat Februar 1997 und wies das Mehrbegehren von S 140,- für diesen Zeitraum sowie das gesamte Erhöhungsbegehren ab dem 1.3.1997 ab.

Es ging davon aus, daß der Vater als gelernter Rauchfangkehrer ab dem 11.3.1996 in einem Rauchfangkehrermeisterbetrieb gearbeitet habe und dort am 3.7.1996 fristlos entlassen worden sei, weil ihm wegen Fahrens im alkoholisierten Zustand der Führerschein entzogen worden war. Er habe nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung als Fließbandarbeiter gefunden, die bereits am 28.2.1997 durch Kündigung durch den Dienstgeber wieder beendet worden sei. Seither beziehe er Notstandshilfe von S 272,30 täglich. Der Vater habe im Februar 1997 ein Durchschnittseinkommen von S 18.284,28 erzielt, woraus sich eine Unterhaltsverpflichtung von S 3.660,- für diesen Monat ergebe. Das Erstgericht lehnte eine Anspannung des Vaters auf das im Februar 1997 erzielte Einkommen für die Zeit ab dem 1.3.1997 ab, weil selbst im Falle eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes nicht automatisch vom erzielbaren Einkommen ausgegangen werden dürfe, sofern sich der Unterhaltspflichtige ernsthaft und zielstrebig um einen neuen Arbeitsplatz bemühe.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von S 140,- für den Monat Februar sowie des weiteren Erhöhungsbegehrens ab März 1997 gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge.

Es gab die Rechtsprechung wieder, daß selbst eine durch den Unterhaltspflichtigen verschuldete Kündigung oder Entlassung mit nachfolgender Arbeitslosigkeit dann nicht zur Anwendung der Anspannungstheorie führe, wenn sich der Arbeitslose auf jede ihn zumutbarer Weise ernsthaft und zielstrebig um einen neuen Arbeitsplatz bemühe. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die Arbeitslosigkeit in der Absicht herbeigeführt worden sei, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen und damit den Unterhaltsberechtigten zu schädigen.

Zwar fehlten nähere Feststellungen darüber, aus welchen Gründen der Vater seinen Arbeitsplatz im Februar 1997 verloren habe, doch gehe aus dem Akt hervor, daß die Kündigung durch den Dienstgeber innerhalb der Probezeit deshalb erfolgt sei, weil der Vater den Beitritt der Gewerkschaft abgelehnt habe, nicht bereit gewesen sei, über Gebühr Überstunden zu leisten und außerdem mehrere gegen ihn laufende Exekutionsverfahren Schwierigkeiten bereitet hätten. Es könne von einem sorgfältigen und maßgerechten Unterhaltspflichtigen nicht verlangt werden, gröbere Beschneidungen seiner Rechte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, wie dies ein Zwang zum Gewerkschaftsbeitritt trotz der in Österreich herrschenden Vereinsfreiheit bzw eine mittelbare Pflicht zur Leistung kollektivvertraglich nicht gedeckten Überstunden darstellten, hinzunehmen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der vom Vater zu leistende Unterhaltsbeitrag ab 1.2.1997 auf monatlich S 3.660,- angehoben werde. Hilfsweise wird eine Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht beachtet hat, und im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Unterhaltsschuldner alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können. Er muß alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen. Tut er dies nicht, so wird er behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74 = EvBl 1990/128 = ÖA 1991, 99 = RZ 1993/101). Bei einem (auch verschuldeten) Arbeitsplatzverlust kommt es ganz maßgeblich auf das Verhalten des Unterhaltspflichtigen nach Verlust des Arbeitsplatzes an (2 Ob 2376/96t). Der Unterhaltsschuldner darf auf ein von ihm tatsächlich nicht erzieltes Einkommen nur dann angespannt werden, wenn ihn ein Verschulden, also zumindest leichte Fahrlässigkeit, daran trifft, daß er keine

Erwerbstätigkeit ausübt (vgl EFSlg 74.108 = ÖA 1995, 60 = ÖJZ LSKErwerbstätigkeit ausübt vergleiche EFSlg 74.108 = ÖA 1995, 60 = ÖJZ LSK

1995/16 = RZ 1995/76). Darüber hinaus muß der Unterhaltspflichtige

neben den Vermittlungsversuchen des für ihn zuständigen Arbeitsamtes eigene Anstrengung unternehmen, ein Arbeitsverhältnis einzugehen (ÖA 1991, 142; ÖA 1992, 55).

Das Rekursgericht hat angenommen, daß die Weigerung des Unterhaltspflichtigen, "der Gewerkschaft beizutreten" bzw "über Gebühr und Überstunden zu leisten" ihn nicht als Verschulden anzulasten sei. Selbst wenn man von diesen Umständen ausgeht, sind sie aber ungenügend, weil das nachfolgende Verhalten des Unterhaltspflichtigen nicht festgestellt wurde.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Anstrengungen der Vater nach Verlust seines Arbeitsplatzes unternommen hat, um einen neuerlichen Arbeitsplatz zu finden.

Anmerkung

E47646 02A02507

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0020OB00250.97X.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19970925_OGH0002_0020OB00250_97X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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