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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Sonja Fragner, Rechtsanwältin in 3500 Krems, Roseggerstraße 10/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 17. Februar 2004, Zl. Fr 3752/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, kam 1972 im Alter von 21 Jahren nach Österreich. Er wurde wie folgt strafgerichtlich verurteilt:
Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hernals vom 8. März 1993 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG eine Geldstrafe verhängt, weil er im Sommer 1992 eine genehmigungspflichtige Faustfeuerwaffe unbefugt besessen habe. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 4. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz, nämlich nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 18. September 1995 ein Messer "in der Machart einer Füllfeder", somit eine verbotene Waffe, unbefugt besessen habe.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführer (teilweise als Bestimmungstäter) wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung, nämlich wegen im Zeitraum Jänner 1992 bis Mai 1993 bewirkter Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, in den Jahren 1992 und 1993 bewirkter Verkürzungen an Kapitalertragssteuer und im Zeitraum Jänner 1991 bis Juli 1993 bewirkter Verkürzungen von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, zu einer Geldstrafe in der Höhe von ATS 2,4 Mio verurteilt, wobei die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von siebeneinhalb Monaten (unter Anrechnung von Vorhaften) bis 15. März 1996 wegen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sofort vollzogen wurde. Mit weiterem Urteil des genannten Gerichtes vom 11. Dezember 1996 wurde der Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens der teilweise vollendeten, teilweise versuchten Abgabenhinterziehung zu einer (Zusatz)Geldstrafe von ATS 320.000,-- verurteilt, weil er eine Verkürzung der Einkommenssteuer für 1992 bewirkt und für 1993 zu bewirken versucht habe. Den Rest der für den Nichteinbringungsfall angeordneten Ersatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verbüßte der Beschwerdeführer in der Zeit vom 17. August 2003 bis 31. Oktober 2003.
Unmittelbar vor dem Ende dieser Haft erließ der Magistrat der Stadt Krems mit Bescheid vom 30. Oktober 2003 gemäß "§ 36 in Verbindung mit § 39" des Fremdengesetzes 1997 (FrG) gegen den Beschwerdeführer ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, das mit den erwähnten Verurteilungen (nur den Inhalt der Strafregisterauskunft übernehmend) begründet wurde. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und der Beschwerdeführer noch am 31. Oktober 2003 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung kritisierte der Beschwerdeführer vor allem, dass das Aufenthaltsverbot ohne Bedachtnahme auf seine persönlichen Verhältnisse vor Ablauf der ihm von der Erstbehörde eingeräumten Stellungnahmefrist erlassen und demzufolge die am 31. Oktober 2003 fristgerecht überreichte Äußerung des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden sei. Weiters verwies der Beschwerdeführer mehrfach auf seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich seit 1972 und machte unter anderem die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 38 Abs. 1 Z 3 FrG geltend, weil ihm lange vor Begehung der Straftaten die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Darauf bezog sich der Beschwerdeführer auch in seiner Berufungsergänzung und brachte in diesem Zusammenhang vor, aus dem nunmehr vorgelegten Sozialversicherungsdatenauszug ergebe sich, dass er erstmals am 21. Februar 1972 einer Beschäftigung nachgegangen und bis Ende 1987 ununterbrochen in Österreich aufhältig gewesen sei, sodass er bereits 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft hätte beantragen können.
Dieser Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 2004 keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot auf § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und 3 FrG gestützt wurde.
Unter Bezugnahme auf die erwähnten Verurteilungen führte die belangte Behörde zur Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG aus, das erste Vergehen nach dem Waffengesetz habe darin bestanden, dass der Beschwerdeführer in seinem Lokal in Wien eine Pistole unbefugt besessen habe, wobei auch ein Magazin, Munition und ein Schulterhalfter beschlagnahmt worden seien. Dieses Verhalten sei geeignet, die körperliche Integrität anderer Personen zu gefährden, woran auch die Absicht nichts ändere, die Pistole lediglich zum Selbstschutz zu verwenden. Kaum zweieinhalb Jahre danach habe der Beschwerdeführer versucht, mit einer verbotenen Waffe ins Bundesgebiet einzureisen. Aufgrund dieser weiteren auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung sei trotz des mittlerweile vergangenen Zeitraums von acht Jahren die Annahme gerechtfertigt, dass vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht weiterhin eine Gefährdung ausgehe, weil er sich trotz der ersten Bestrafung nicht einsichtig gezeigt habe.
Die Abgabenhinterziehung in den Jahren 1992 und 1993 habe der Beschwerdeführer - so begründete die belangte Behörde weiter - dadurch begangen, dass er zur Gewinnsteigerung Schwarzarbeiter beschäftigt habe. Seine Unternehmen habe er nach der "Ostöffnung" mit der Absicht gegründet, "unverfroren die Not ausländischer Arbeitskräfte, welche ohne Arbeitsbewilligung nach Österreich strömten, auszunützen." Er habe die "Wirtschaftsflüchtlinge" als Schwarzarbeiter mit Stundenlöhnen von ATS 50,-- beschäftigt und mit gefälschten Papieren an Großbaufirmen weiterverliehen. Die Herbeiführung eines "Abgabenschadens" sei dabei "Motiv und Ziel" seiner Handlungsweise gewesen, wobei der lange Deliktszeitraum und der hohe Hinterziehungsbetrag von insgesamt etwa ATS 9 Mio. "auffallend" sei. Schwarzarbeit von ausländischen Arbeitskräften führe aber auf gesamtwirtschaftlicher Ebene vor allem durch den Entfall von Steuern, Abgaben und Beiträgen zu den Systemen der sozialen Sicherheit zu schweren volkswirtschaftlichen Schäden und zusätzlich zu Wettbewerbsverzerrungen. Es bestehe daher ein großes öffentliches Interesse an deren Unterbindung. Die Straftaten seien zwar schon vor zehn Jahren begangen worden, doch zeige der lange Deliktszeitraum von zwei Jahren sowie die "durchdachte" und professionelle Begehensweise die dahinter stehende beträchtliche Energie. Es sei daher davon auszugehen, dass auch in dieser Hinsicht nach wie vor eine Gefährdung vom Beschwerdeführer ausgehe.
Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass das sich aus dem schwerwiegenden Fehlverhalten in der Vergangenheit ergebende Persönlichkeitsbild auf "eine ausgeprägte sozialschädliche Neigung" des Beschwerdeführers "zur Missachtung von österreichischen Rechtsvorschriften" schließen lasse. Deshalb könne auch für sein zukünftiges Verhalten "nur eine schlechte Prognose" erstellt werden und es sei davon auszugehen, dass durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre.
Unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nach § 37 FrG stellte die belangte Behörde fest, aus dem (im Berufungsverfahren vorgelegten) Sozialversicherungsdatenauszug gehe hervor, dass der Beschwerdeführer von 1973 bis Ende 1987 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. In den Jahren 1988 bis Anfang 1990 habe sich der Beschwerdeführer nicht in Österreich aufgehalten. Von März 1990 bis April 1991 sei der Beschwerdeführer bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pensions- und krankenversichert gewesen. "Danach" sei der Beschwerdeführer für "einige Zeit" in Kroatien gewesen. Weiters stellte die belangte Behörde die Zeiten der Anhaltung in Haft mit 13. Juli bis 31. August 1993 und vom 18. September 1995 bis 22. September 1996 (nach der Aktenlage richtig: 15. März 1996) fest. Am 11. Juni 1997 sei der Beschwerdeführer von der damaligen Adresse in Wien abgemeldet worden, weil er sich nach dem Ergebnis einer "Hauserhebung" dort nicht mehr aufgehalten habe. In den letzten Jahren habe der Beschwerdeführer in Österreich über keine Wohnadresse verfügt. Eine Anfrage an das zentrale Melderegister sei erfolglos geblieben. Der Beschwerdeführer habe einen durchgängigen Aufenthalt in dieser Zeit auch gar nicht behauptet, sondern lediglich auf den Aufenthalt in den Jahren 1972 bis 1988 verwiesen.
Aus diesen Feststellungen folgerte die belangte Behörde, seit seiner Haftentlassung im August 1993 habe sich der Beschwerdeführer "nur mehr sporadisch" in Österreich aufgehalten. Die "Aufenthaltszeit" des Beschwerdeführers in Österreich ab 1988 sei durch "mehrjährige" Unterbrechungen und durch die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafen gekennzeichnet, wodurch die Integration des Beschwerdeführers trotz der langen Aufenthaltsdauer von 1972 bis 1988 nunmehr - auch aufgrund der Straftaten - "nur mehr als sehr gering" eingestuft werden könne. Die Integration verlange nämlich auch die Bereitschaft eines Fremden, die Rechtsordnung seines Aufenthaltsstaates zu respektieren.
Da die durchgängigen Aufenthaltszeiten mindestens zehn Jahre zurückliegen, seien sie im Verhältnis zu den begangenen Straftaten und den daraus abzuleitenden Gefahren als "nicht ausreichend" zu qualifizieren. Seine in Österreich lebenden volljährigen Kinder könnten den Beschwerdeführer im Übrigen in Kroatien besuchen. Die belangte Behörde erachtete daher die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie für nicht schwerwiegender als die nachteiligen Folgen bei der Abstandnahme von dessen Erlassung. Die Privatinteressen des Beschwerdeführer hätten "unter Gewichtung der bisherigen Ausführungen" - an anderer Stelle bezog sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf das in den vorangehenden Ausführungen beschriebene Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers und seine "Neigung zur Negierung österreichischer Rechtsvorschriften" - eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zurückzutreten, wobei diese Überlegungen auch für die Beurteilung des der Behörde eingeräumten Ermessens gelten würden.
Die Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung nach § 35 Abs. 2 und 3 FrG (iVm § 38 Abs. 1 Z 2 FrG) stünden - so führte die belangte Behörde noch aus - der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Da der erste der für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände im Sommer 1992 eingetreten sei, müssten die erforderlichen acht bzw. zehn Jahre Niederlassungsdauer von diesem Zeitpunkt "zurückgerechnet" werden. Somit könnten die genannten Bestimmungen, aber auch der § 38 Abs. 1 Z 3 FrG nicht angewendet werden, weil der Beschwerdeführer einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in den Jahren 1988 bis Anfang 1990 nicht nachgewiesen und selbst eingeräumt habe, für mehrere Jahre in Kroatien aufhältig gewesen zu sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne dieser Bestimmung gilt nach Abs. 2 Z 1 unter anderem, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, und nach Abs. 2 Z 3, wenn ein Fremder im Inland wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet weder die zwei erwähnten einschlägigen strafgerichtlichen Verurteilungen nach dem Waffengesetz noch die Bestrafung wegen (vorsätzlich begangener) Abgabenhinterziehung. Der darauf gegründeten Auffassung, es seien die zitierten Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht, tritt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht entgegen. Dagegen hegt auch der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken und demzufolge begegnet auch die von der belangten Behörde erstellte Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG keinem Einwand. Bei dieser Einschätzung durfte die belangte Behörde zutreffend vor allem aus dem den Finanzvergehen zugrundeliegenden, über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Fehlverhalten auf eine besondere kriminelle Energie des Beschwerdeführers in Bezug auf Wirtschaftsdelikte im Zusammenhang mit der illegalen Beschäftigung von Ausländern schließen. Angesichts der im großen Umfang planmäßig durchgeführten Hinterziehung öffentlicher Abgaben kann für sich genommen und nur allein wegen des seither verstrichenen Zeitraums - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt - noch nicht gesagt werden, die belangte Behörde hätte von einem Wegfall der Gefährdung ausgehen und dem Beschwerdeführer (damals) eine günstige Zukunftsprognose erstellen müssen.
In diese Richtung argumentiert die Beschwerde auch nicht. Aber auch der oben wiedergegebenen Argumentation der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 37 FrG und zur Ermessensübung tritt die Beschwerde nicht substanziiert entgegen. Im Ergebnis sind diese Überlegungen angesichts der massiven Finanzstraftaten des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof trotz des seither verstrichenen Zeitraums - auf Basis der getroffenen Feststellungen und bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - nicht zu beanstanden, hat doch die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass die Integration des Beschwerdeführers in den letzten Jahren relativiert wurde und seine Kinder erwachsen sind.
Im Zentrum der Beschwerdeausführungen steht die Auffassung, die belangte Behörde hätte das Aufenthaltsverbot nicht erlassen dürfen, weil dem Beschwerdeführer schon aufgrund des durchgehenden Aufenthaltes bis Ende 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Die Ausnahmebestimmung des § 38 Abs. 1 Z 3 FrG - die im Gegensatz zu den Tatbeständen des § 35 FrG keine ununterbrochene Niederlassungsdauer für die Zeit vor dem Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände verlange - sei aber schon dann erfüllt, wenn "zu irgendeinem Zeitpunkt" vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft bestanden habe.
Dem kann nicht gefolgt werden:
Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Einem Fremden kann die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz (vor 1995: ordentlichen Wohnsitz) ununterbrochen im Bundesgebiet hat (Z 1) und wenn die in den Z 2 bis 8 dieses Absatzes umschriebenen Verleihungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die Wendung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" in § 38 Abs. 1 Z 3 FrG dahin ausgelegt, dass der Fremde vor dem ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, bereits mehr als zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen in Österreich haben muss (vgl. unter Auseinandersetzung mit divergierender Judikatur zum Fremdengesetz 1992 das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170, und zahlreiche daran anknüpfende Erkenntnisse). Es kommt daher für die Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter diesem Gesichtspunkt darauf an, ob der Fremde bei Beginn seines das Aufenthaltsverbot tragenden strafbaren Verhaltens bereits über einen zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügte (vgl. zum Ganzen zuletzt das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zlen. 2005/21/0055, 0056).
Die belangte Behörde ging davon aus, dass im vorliegenden Fall die erste dem Aufenthaltsverbot zugrunde gelegte Straftat des Beschwerdeführers im Sommer 1992 begangen wurde. (Der Deliktszeitraum für die Abgabenhinterziehung begann sogar schon im Jänner 1991.) Entgegen der Beschwerdemeinung genügt es aber nicht, dass irgendwann vor diesem Zeitpunkt die Wohnsitzfrist des § 10 Abs. 1 StbG (und die übrigen Verleihungsvoraussetzungen) erfüllt waren, sondern für die Anwendung des Aufenthaltsverbots-Verbotes nach § 38 Abs. 1 Z 3 FrG kommt es darauf an, ob diese Bedingungen zu diesem Zeitpunkt erfüllt waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 99/18/0462). Dem entspricht im Ergebnis die Auffassung der belangten Behörde, die "Niederlassungsdauer" müsse von diesem Zeitpunkt "zurückgerechnet" werden.
Entscheidungswesentlich ist daher die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Beginn seines strafbaren Verhaltens über einen zehnjährigen "ununterbrochenen" ordentlichen Wohnsitz in Österreich verfügt hat. Das wäre ausgehend von der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich während der Jahre 1988 und 1989 nicht in Österreich aufgehalten, zu verneinen (vgl. zur Unterbrechung der Frist durch Verlegung des Wohnsitzes in den Heimatstaat das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0193; siehe dazu auch das Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2001/18/0074; zu demgegenüber nicht schädlichen vorübergehenden Abwesenheiten vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2004/01/0266).
In diesem Zusammenhang macht die Beschwerde aber - zutreffend - eine Verletzung des Parteiengehörs geltend. Die belangte Behörde habe es - so das Beschwerdevorbringen - unterlassen, den Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, "entsprechende Angaben über Nachweise seines Aufenthaltes in den Jahren 1987 bis 1990 zu machen". Hätte der Beschwerdeführer Kenntnis von der Ansicht der belangten Behörde gehabt, so hätte er nachgewiesen, dass er seit 1972 ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich aufhältig sei.
Der belangten Behörde ist zwar einzuräumen, dass sie versuchte, die der Erstbehörde - deren Vorgangsweise offenbar von dem Ziel geprägt war, rechtzeitig vor der bereits früher terminisierten Abschiebung ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot zu erlassen - unterlaufenen Verfahrens- und Begründungsmängel insbesondere durch konkrete Feststellungen zu den Straftaten und durch Bedachtnahme auf die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers zu sanieren. Sie hätte aber ihre beweismäßigen Schlussfolgerungen aus der Aktenlage, insbesondere zur Annahme, der Beschwerdeführer habe sich in den Jahren 1988 und 1989 nicht in Österreich aufgehalten, dem Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen und insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Davon war sie - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Meinung - nicht schon deshalb entbunden, weil der Beschwerdeführer "einen durchgängigen Aufenthalt in dieser Zeit auch gar nicht behauptet, sondern lediglich auf den Aufenthalt in den Jahren 1972 bis 1988 verwiesen" habe. Das lässt nämlich außer Acht, dass Letzteres nur im Zusammenhang mit der - von der belangten Behörde nicht geteilten - Rechtsansicht erfolgte, es genüge die Verleihungsvoraussetzungen für die Staatsbürgerschaft zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Beginn des strafbaren Verhaltens erfüllt zu haben. Aus dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Berufungsergänzung durfte daher noch nicht ohne Weiteres geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe damit jedenfalls zugestehen wollen, sich in diesem Zeitraum nicht in Österreich aufgehalten zu haben. Vielmehr hätte diese Frage einer Erörterung mit dem Beschwerdeführer bedurft, zumal er in der Berufung mehrfach auf seinen Aufenthalt "seit 1972" verwiesen hat, ohne (maßgebliche) Unterbrechungen zu erwähnen. Soweit er in seiner Stellungnahme gegenüber der Erstbehörde vorbrachte, für ein paar Jahre Österreich verlassen zu haben, um in Kroatien sein Elternhaus zu renovieren, so betrifft das ausdrücklich nur die Zeit "nach dem Krieg in Kroatien", somit offenbar die Zeit nach der Enthaftung Mitte März 1996, kann aber jedenfalls nicht auf den Zeitraum 1988/89 bezogen werden. Das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, für mehrere Jahre in Kroatien aufhältig gewesen zu sein, ist somit in Bezug auf den zuletzt genannten Zeitraum nicht schlüssig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei angemerkt wird, dass ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz (FPG) nicht vorliegt.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 31. August 2006
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004210110.X00Im RIS seit
04.10.2006