TE OGH 1997/10/7 4Ob297/97y

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Veröffentlicht am 07.10.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr.Herbert Klinner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christiane F*****, vertreten durch Dr.Peter Urbanek und Dr.Christian Lind, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Wiederaufnahme (Streitwert S 1,153.820 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23.April 1997, GZ 17 R 56/97y-21, womit aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 28.Oktober 1996, GZ 2 R 340/95a-17, aufgehoben und die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung:

Mit dem - vom Oberlandesgericht Wien bestätigten - Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 29.August 1995, 2 Cg 261/94g-13, wurde der dortige Beklagte (nunmehr Kläger) schuldig erkannt, der damaligen Klägerin (nunmehr Beklagte) S 1,153.820 sA zu zahlen. Damals waren die Gerichte davon ausgegangen, daß der (nunmehrige) Kläger nicht berechtigt gewesen sei, den mit der Beklagten geschlossenen Wildabschußvertrag vorzeitig zu kündigen; er sei also schuldig, das vereinbarte Entgelt zu entrichten.

Mit der am 5.Dezember 1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens 2 Cg 261/94g des Landesgerichtes St.Pölten. Er habe am 13.November 1995 einen Brief der Gattin seines verstorbenen Vertragspartners vom 7.November 1995 erhalten. Daraus gehe eindeutig hervor, daß aus dort näher angeführten Gründen der Vertrag nach dem ersten Probejahr jederzeit lösbar sein sollte. Der Kläger hätte mit dem genannten Schreiben ein neues Beweismittel, nämlich die Zeugin Annemarie F*****, aufgefunden, dessen Benützung im vorangegangenen Verfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte.

Die Beklagte beantragt die Zurück- oder Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe schon am 3.Oktober 1995 von der nunmehr vorgebrachten Tatsache Kenntnis erlangt. Die Frist des § 534 ZPO sei demnach nicht gewahrt worden, sodaß die Klage zurückzuweisen wäre.Die Beklagte beantragt die Zurück- oder Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe schon am 3.Oktober 1995 von der nunmehr vorgebrachten Tatsache Kenntnis erlangt. Die Frist des Paragraph 534, ZPO sei demnach nicht gewahrt worden, sodaß die Klage zurückzuweisen wäre.

Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmebegehren mit Urteil ab. Abgesehen davon, daß selbst aus der Aussage der Zeugin Annemarie F***** nicht zwingend auf das Zustandekommen einer Vereinbarung in dem vom Kläger gewünschten Sinne geschlossen werden könnte, seien auch mehrere Möglichkeiten für eine Fehlinterpretation durch diese Zeugin denkbar. Ihre nicht auf unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Aussage wäre somit nicht geeignet gewesen, im vorangegangenen Verfahren für den unmehrigen Kläger günstigere Sachverhaltsfeststellungen - insbesondere in dem Sinne, daß auf Grund der Parteienvereinbarung der Abschußvertrag nach Ablauf eines Probejahres ohne Angaben von Gründen jederzeit aufgelöst werden könnte - herbeizuführen. Im übrigen lasse die Aussage der Zeugin darauf schließen, daß sie entgegen der Parteiaussage des Klägers diesem bereits bei den Gesprächen im Oktober 1995 das gleiche wie in ihrem Schreiben vom 7.November 1995 mitgeteilt habe. Demzufolge wäre die am 5.Dezember 1995 eingelangte Klage nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 Z 4 ZPO erhoben und aus diesem Grund zurückzuweisen.Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmebegehren mit Urteil ab. Abgesehen davon, daß selbst aus der Aussage der Zeugin Annemarie F***** nicht zwingend auf das Zustandekommen einer Vereinbarung in dem vom Kläger gewünschten Sinne geschlossen werden könnte, seien auch mehrere Möglichkeiten für eine Fehlinterpretation durch diese Zeugin denkbar. Ihre nicht auf unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Aussage wäre somit nicht geeignet gewesen, im vorangegangenen Verfahren für den unmehrigen Kläger günstigere Sachverhaltsfeststellungen - insbesondere in dem Sinne, daß auf Grund der Parteienvereinbarung der Abschußvertrag nach Ablauf eines Probejahres ohne Angaben von Gründen jederzeit aufgelöst werden könnte - herbeizuführen. Im übrigen lasse die Aussage der Zeugin darauf schließen, daß sie entgegen der Parteiaussage des Klägers diesem bereits bei den Gesprächen im Oktober 1995 das gleiche wie in ihrem Schreiben vom 7.November 1995 mitgeteilt habe. Demzufolge wäre die am 5.Dezember 1995 eingelangte Klage nach Ablauf der vierwöchigen Frist des Paragraph 534, Absatz eins, Ziffer 4, ZPO erhoben und aus diesem Grund zurückzuweisen.

Aus Anlaß der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil auf, wies die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurück und sprach aus, daß der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof unzulässig sei. Aus dem Protokoll des Amtsgerichtes Meinerzhagen über die Aussage der Zeugin F***** gehe zweifelsfrei hervor, daß der Wiederaufnahmskläger den Sachverhalt, der Gegenstand der Wiederaufnahme des Verfahrens ist, schon im Oktober 1995 gekannt habe; durch das Schreiben vom 7. November 1995 sei der Inhalt des Gespräches nur bestätigt worden. Damit erweise sich aber die Wiederaufnahmsklage als verfristet. Hierüber sei daher zu Unrecht in Urteilsform erkannt worden. Eine Wiederaufnahmsklage sei nämlich auch dann mit Beschluß zurückzuweisen, wenn sich ihre Verspätung erst aus dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Klägers ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig von der Frage zulässig, ob eine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 519 mwN aus der Rechtsprechung, insbes Rz 1992/1; ecolex 1992, 695 uva). Er ist aber auch berechtigt:Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Klägers ist gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO unabhängig von der Frage zulässig, ob eine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu Paragraph 519, mwN aus der Rechtsprechung, insbes Rz 1992/1; ecolex 1992, 695 uva). Er ist aber auch berechtigt:

Der Erstrichter, der die Wiederaufnahmsklage mit Urteil abgewiesen hat, hat nur "ergänzend angemerkt", daß sie auch verspätet sein könnte, weil die Aussage der Zeugin Annemarie F***** darauf schließen lasse, daß der Kläger entgegen seiner Parteiaussage schon im Oktober 1995 all das erfahren habe, was aus dem Schreiben vom 7.November 1995 hervorgehe. Der Erstrichter hat damit nicht eindeutig eine Feststellung über den Inhalt des Gespräches zwischen Annemarie F***** und dem Kläger im Oktober 1995 getroffen; er hat nicht begründet, aus welchen Erwägungen er der Aussage der Zeugin mehr Glauben schenkte als derjenigen des Klägers.

Soweit das Berufungsgericht von einer vollständigen Information des Klägers schon im Oktober 1995 ausgegangen ist, hat es sich nicht auf eine - unbekämpft gebliebene oder als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und eines mängelfreien Verfahrens übernommene - Feststellung des Erstrichters, sondern lediglich auf den Text des Protokolls über die Rechtshilfevernehmung der Zeugin gestützt.

Mit Recht verweist der Kläger darauf, daß damit das Verfahren vor dem Berufungsgericht mangelhaft geblieben ist. Der Kläger hat in erster Instanz nach der Verlesung der Aussage der Zeugin vor dem Rechtshilfegericht ausdrücklich unter Beweis gestellt, daß anfangs Oktober 1995 bei dem Zusammentreffen mit Annemarie F***** diese noch keine zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage ausreichenden Angaben gemacht habe. In seiner Parteiaussage hatte der Kläger bekundet, daß Annemarie F***** bei der Zusammenkunft im Oktober 1995 erklärt hätte, sie könne derzeit nichts sagen und werde nachschauen. In der Folge habe er dann den Brief vom 5.November 1995 erhalten.

Im Hinblick auf diese Verfahrenslage war das Berufungsgericht nicht berechtigt, ohne nähere Erwägungen die Aussage der Zeugin Annemarie F***** seiner Entscheidung zugrundezulegen und daraus auf die Verspätung der Klage zu schließen.

Aus diesem Grund mußte in Stattgebung des Rekurses der angefochtene Beschluß aufgehoben werden. Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren unter Berücksichtigung der widerstreitenden Beweisergebnisse und der zu der maßgeblichen Frage gestellten Beweisanträge das Verfahren zu ergänzen und dann festzustellen haben, wann der Kläger tatsächlich die Information erhalten hat, welche ihn in die Lage versetzte, eine Wiederaufnahmsklage zu erheben. Dazu bedarf es genauer Feststellungen über den Inhalt der von Annemarie F***** im Oktober 1995 gemachten Mitteilungen.

Da der Kläger die Rechtzeitigkeit seiner Klageführung schlüssig behauptet hat, kommt eine Zurückweisung der Klage ohne mündliche Verhandlung (§ 538 ZPO) nicht in Frage. Vielmehr bedarf es einer Verhandlung, um die widerstreitenden Parteibehauptungen über die Rechtzeitigkeit zu klären. Mit Recht hat daher das Erstgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auch das Berufungsgericht wird die ergänzenden Feststellungen nur auf Grund einer mündlichen Berufungsverhandlung gewinnen können. Sollte danach die Klage als rechtzeitig anzusehen sein, würde das Gericht zweiter Instanz auf die Berufungsausführungen einzugehen haben.Da der Kläger die Rechtzeitigkeit seiner Klageführung schlüssig behauptet hat, kommt eine Zurückweisung der Klage ohne mündliche Verhandlung (Paragraph 538, ZPO) nicht in Frage. Vielmehr bedarf es einer Verhandlung, um die widerstreitenden Parteibehauptungen über die Rechtzeitigkeit zu klären. Mit Recht hat daher das Erstgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auch das Berufungsgericht wird die ergänzenden Feststellungen nur auf Grund einer mündlichen Berufungsverhandlung gewinnen können. Sollte danach die Klage als rechtzeitig anzusehen sein, würde das Gericht zweiter Instanz auf die Berufungsausführungen einzugehen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E47926 04A02977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0040OB00297.97Y.1007.000

Dokumentnummer

JJT_19971007_OGH0002_0040OB00297_97Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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