TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/4 2003/09/0043

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Veröffentlicht am 04.09.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §56;
KOVG 1957 §52 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Auer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 71, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 15. Oktober 2002, Zl. OB. 115-278524-003, betreffend Neubemessung der Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1920 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund eines Bescheides der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. März 1987 eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. Als Dienstbeschädigung des Beschwerdeführers wurden mit dem genannten Bescheid (jeweils mit kausalem Anteil 1/1) die folgenden Gesundheitsschädigungen anerkannt:

"1. Mit Knochenverblockung geheilter Schussbruch von Fußwurzel und Mittelfuß links in O-Fehlstellung mit Versteifung des unteren und Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes

2. Bewegungseinschränkung der Zehen links nach Schussbruch von Fußwurzel und Mittelfuß

3.

Reaktionslose Weichteilstecksplitter im linken Oberschenkel

4.

Reaktionslose Splitter- bzw. Incisionsnarben am linken Oberschenkel und am linken Vorfuß ohne zusätzliche Funktionsstörung."

Mit Eingabe vom 23. August 2001 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Anerkennung "der Metallsplitter im Kopf, sowie der Schädigung der WS, den Beckenschiefstand mit Beinlängendifferenz und dem Z.n. Implantation einer Knietotalendoprothese rechts" als mittelbare Dienstbeschädigung und Gewährung von Beschädigtenrente hiefür; diese Leiden seien eine Folge der anerkannten "DB" bzw. durch die Eigentümlichkeiten der Wehrdienstleistung entstanden.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 27. November 2001 wurde über diesen Antrag wie folgt entschieden:

"I.

Ihr Antrag vom 23.8.2001 auf Anerkennung der Leiden

1)

'Schädigung der Wirbelsäule'

2)

'Zustand nach Implantation einer Knietotalendoprothese rechts'

als Dienstbeschädigungen im Sinne des § 4 KOVG 1957 wird gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG 1991) in Verbindung mit § 86 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), in der derzeit geltenden Fassung, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II.

Ihr gleichzeitig eingelangter Antrag auf Anerkennung des Leidens 'Beckenschiefstand mit Beinlängendifferenz'

als Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, in der derzeit geltenden Fassung, wird abgewiesen.

III.

Auf Ihren gleichzeitig eingebrachten Antrag wird folgendes Leiden als Dienstbeschädigung gemäß § 4 Kriegsopferversorgungsgesetz (KOVG) anerkannt:

'Reaktionslose Weichteilstecksplitter im Schädel', Kausaler Anteil: 1/1

IV.

Ihr Antrag vom 23.8.2001 auf Erhöhung der Ihnen mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25.3.1987, OB. 115-278524-003, gewährten Grundrente wird gemäß §§ 4, 7, 11 und 52 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, in der derzeit geltenden Fassung, abgewiesen."

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die mit dem Spruchpunkt II. erfolgte Abweisung seines Antrages auf Anerkennung des Leidens "Beckenschiefstand mit Beinlängendifferenz" sei auf das zu Unrecht als schlüssig beurteilte Sachverständigengutachten vom 18. Oktober 2001 gestützt worden. Die Beinlängendifferenz resultiere aus der im Krieg erlittenen Schussverletzung, weil bei sämtlichen Untersuchungen vor dem Kriegseinsatz des Beschwerdeführers niemals eine unterschiedliche Beinlänge festgestellt worden sei. Der Beckenschiefstand sei eine Folgeerscheinung der Beinlängendifferenz; diese (die Beinlängendifferenz) habe sich in nachvollziehbarer Art und Weise durch das jahrelang ungleiche Auftreten ergeben.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2002 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. November 2001 bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, zur Prüfung der Berufungsgründe sei ein ärztlicher Sachverständigenbeweis einer Fachärztin für Orthopädie erstellt worden.

Vom medizinischen Standpunkt ergebe sich folgende Beurteilung:

"Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Längenunterschied von plus 1 cm links, der röntgenologisch verifiziert ist. Durch den erlittenen Schussbruch des linken Rücken- und Mittelfußes kann dieses vermehrte Längenwachstum nicht bedingt sein, weil die Verletzung im Alter von 20 Jahren stattgefunden hat und zu diesem Zeitpunkt das Längenwachstum der Extremitäten bereits abgeschlossen war. Außerdem könnte ein vermehrtes Wachstum nur dann stattfinden, wenn es zu einer Schädigung der Wachstumsfugen kommt, die aber in diesem Lebensalter sicher alle bereits verschlossen waren. Dass vor dem Kriegseinsatz eine unterschiedliche Beinlänge nicht festgestellt wurde liegt daran, dass eine solche geringe Differenz sicher keine Beschwerden verursacht hat und unbemerkt geblieben ist, obwohl sie bereits vorhanden war. Die Akausalität der Beinlängendifferenz links plus 1 cm ist, wie aus diesen Ausführungen ersichtlich, zweifelsfrei. Der aus dieser Beinlängendifferenz resultierende Beckenschiefstand ist bedeutungslos und verursacht keine Funktionsstörungen".

Mit Ausnahme der neu aufgenommenen Dienstbeschädigung unter Punkt 5. sei gegenüber dem Vergleichsgutachten keine maßgebliche Änderung zu verzeichnen. Ausgehend von der (eingehend) dargestellten Richtsatzeinschätzung gelangte die belangte Behörde zu der Einschätzung, dass eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. gerechtfertigt sei. Maßgebend hiefür sei, dass die MdE für die Dienstbeschädigung 1. (40 v.H.) durch die Dienstbeschädigung 2. (Mde 10 v.H.) und die Bedeutungslosigkeit der neu hinzugekommenen Dienstbeschädigung 5. (MdE 10 v.H.) nicht weiter erhöht werde; ein Zusammenwirken der einzelnen Gesundheitsschädigungen bestehe nicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde nach Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattete, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist u.a. die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.

Dabei hat die Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung über die Neubemessung der Beschädigtenrente von den als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen auszugehen und zu prüfen, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zu Grunde liegenden Befund eingetreten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0077).

Der Beschwerdeführer hat mit seiner Berufung den erstinstanzlichen Bescheid der Sache nach nur in den Spruchpunkten II. und IV. bekämpft und gerügt, dass das Leiden "Beckenschiefstand mit Beinlängendifferenz" nicht als eine Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 KOVG 1957 anerkannt worden sei.

Die belangte Behörde gelangte nach Einholung eines ärztlichen Sachverständigenbeweises (einer Fachärztin für Orthopädie) zu dem Ergebnis, dass das von der Kriegsverletzung betroffene linke Bein das längere Bein ist, und dass diese Beinlängendifferenz zweifelsfrei akausal sei; der aus dieser Beinlängendifferenz resultierende Beckenschiefstand verursache keine Funktionsstörungen und sei bedeutungslos.

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, dass der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 90 KOVG 1957 geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ereignis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2001, Zl. 99/09/0192).

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde (zusammengefasst) geltend, das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten sei deshalb nicht schlüssig, weil in dem im Jahr 1985 von Dr. L erstellten Vergleichsgutachten der Beinlängenunterschied nicht erwähnt sei. Es sei aber davon auszugehen, dass er damals genau untersucht worden sei.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten zu entkräften. Die Sachverständige hat nachvollziehbar (schlüssig) dargelegt, dass "durch den vom Beschwerdeführer erst in einem Alter von 20 Jahren erlittenen Schussbruch ein vermehrtes Längenwachstum nicht verursacht sein konnte, weil das Längenwachstum seiner Extremitäten bereits abgeschlossen war". Dass durch den Schussbruch die (bereits verschlossen gewesenen) Wachstumsfugen des Beschwerdeführers geschädigt worden seien, ist nicht bescheinigt und behauptet er auch selbst nicht.

Die Sachverständige hat auch nachvollziehbar begründet dargestellt, warum der geringe Längenunterschied (plus 1 cm links) nicht zu einem früheren Zeitpunkt festgehalten wurde bzw. früher unbemerkt blieb. Es trifft daher - entgegen dem diesbezüglichen Vorwurf der Beschwerde - nicht zu, dass sich das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten damit nicht auseinandergesetzt habe.

Zu dem ins Treffen geführten Beckenschiefstand ist darauf zu verweisen, dass dieser nach den Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens keine Funktionsstörungen beim Beschwerdeführer verursacht hat und bedeutungslos ist. Das Beschwerdevorbringen, der Beckenschiefstand "dürfte" eine auf Grund der Schussverletzung erfolgte Fehlbelastung der Beine sein und die Auswirkungen seien erst in den letzten Jahren für den Beschwerdeführer mit einer Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes verbunden gewesen, ist nur eine Mutmaßung. Mit dieser (bloß gegenteiligen) Behauptung, die einer Sachverständigengrundlage entbehren, kann das Gutachten eines Amtssachverständigen nicht entkräftet werden (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0077).

Nach dem Vorgesagten ist die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Abweisung der begehrten Anerkennung des Leidens "Beckenschiefstand und Beinlängendifferenz" als Dienstbeschädigung und die (bestätigte) Versagung der Neubemessung der Beschädigtenrente des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. September 2006

Schlagworte

Leidenszustand Maßgebende Veränderung Allgemein Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003090043.X00

Im RIS seit

19.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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