TE OGH 1997/10/9 2Ob258/97y

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Veröffentlicht am 09.10.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Bozica L*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Steidl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Gegner der gefährdeten Partei Johann Georg L*****, vertreten durch Dr.Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, infolge außerordentlicher Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 2.Juli 1997, GZ 4 R 320/97f-104, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23.Mai 1997, GZ 27 C 3/94i-100, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben; zugleich wird auch der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 28.11.1994 wurde dem Gegner der gefährdeten Partei aufgetragen, dieser bis zum rechtskräftigen Abschluß des Scheidungsverfahrens einen monatlichen Unterhalt von S 4.850,- zu bezahlen.

Am 13.3.1997 brachte der Gegner der gefährdeten Partei den Antrag ein, die einstweilige Verfügung aufzuheben; es stehe der gefährdeten Partei kein Unterhaltsanspruch mehr zu, weil sie in eine Lebensgemeinschaft mit William A***** eingegangen sei. Es könne zwar eine Geschlechtsgemeinschaft zwischen ihr und diesen Mann nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, doch liege eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft vor.

Die gefährdete Partei sprach sich gegen den Aufhebungsantrag aus und brachte vor, daß sie zwar in der Wohnung des William A***** wohne, jedoch nur als Untermieterin; sie sei aus finanziellen Gründen zur Aufgabe ihrer bisherigen Wohnung gezwungen gewesen.

Das Erstgericht hob die einstweilige Verfügung auf, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Die gefährdete Partei lebt seit Jänner 1996 in der Wohnung des William A*****. Ihre Kleidungsstücke und weiteren Gebrauchsgegenstände wie Schuhe, Toilettenartikeln und Morgenmantel befinden sich in dessen Wohnung, teilweise sogar in seinem Schlafzimmer. Sie verläßt regelmäßig am Morgen gemeinsam mit ihm die Wohnung, die beiden halten sich tagsüber im Stadtbereich auf und kommen gegen Abend gemeinsam wieder in die Wohnung zurück. Auch bei den Besuchen des minderjährigen Sohnes der gefährdeten Partei hält sich diese tags- und nachtsüber in der Wohnung von A***** auf. A***** holt und bringt den Sohn von Völs in seine Wohnung und wieder zurück. Die gefährdete Partei kennt die genauen Vermögensverhältnisse des William A*****. Sie beschreibt detailliert seine Einnahmen aus der Pension und seine Ausgaben, wie Miete, Strom, Telefon und Versicherungsbeiträge.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß die gefährdete Partei mit William A***** eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft eingegangen sei. Die gefährdete Partei habe dadurch ihr Recht auf einstweiligen Unterhalt verwirkt, weshalb die einstweilige Verfügung aufzuheben sei.

Das dagegen von der gefährdeten Partei angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, eine Lebensgemeinschaft setze im allgemeinen eine Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, doch könne das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen; regelmäßig komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Das Wesen der Lebensgemeinschaft sei ein eheähnlicher, dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entsprechender Zustand. Ein derart ähnlicher Zustand sei gegeben, weil die gefährdete Partei die gesamte Wohnung des William A***** bewohne, sie gestalte mit diesem gemeinsam ihre Lebensführung und sei in allen Details über dessen wirtschaftliche Belange informiert. Diese Tatsachen ließen nicht auf das von der gefährdeten Partei behauptete Untermietverhältnis, sondern auf eine außereheliche Lebensgemeinschaft schließen.

Während aufrechter Ehe trete ein Unterhaltsverlust des unterhaltsberechtigten Ehegatten ein, wenn er eine außereheliche Lebensgemeinschaft eingehe. Da die Klägerin erst nach dem Erlassen der einstweiligen Verfügung vom 28.11.1994 die Lebensgemeinschaft mit William A***** aufgenommen habe, seien geänderte Verhältnisse im Sinne des § 399 Abs 1 Z 2 EO insofern gegeben, als ihr Unterhaltsanspruch mittlerweile ruhe. Damit sei auch ihr Sicherungsbedürfnis nachträglich weggefallen, weshalb die einstweilige Verfügung vom Erstgericht zu Recht aufgehoben worden sei.Während aufrechter Ehe trete ein Unterhaltsverlust des unterhaltsberechtigten Ehegatten ein, wenn er eine außereheliche Lebensgemeinschaft eingehe. Da die Klägerin erst nach dem Erlassen der einstweiligen Verfügung vom 28.11.1994 die Lebensgemeinschaft mit William A***** aufgenommen habe, seien geänderte Verhältnisse im Sinne des Paragraph 399, Absatz eins, Ziffer 2, EO insofern gegeben, als ihr Unterhaltsanspruch mittlerweile ruhe. Damit sei auch ihr Sicherungsbedürfnis nachträglich weggefallen, weshalb die einstweilige Verfügung vom Erstgericht zu Recht aufgehoben worden sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung abgewiesen werde.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der gefährdeten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist zulässig, weil das Rekursgericht wohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes richtig wiedergegeben, den festgestellten Sachverhalt aber unrichtig subsumiert hat; er ist im Sinne seines im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die gefährdete Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, von einer Lebensgemeinschaft könne nur gesprochen werden, wenn Personen verschiedenen Geschlechts wie Mann und Frau zusammenleben, ohne die Ehe geschlossen zu haben. Es müsse sich um einen Zustand handeln, der für das Zusammenleben von Ehegatten typisch sei. Dazu gehöre im allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Aus den Feststellungen ergebe sich aber lediglich, daß sie in der Wohnung des William A***** wohnt, daß sich dort auch Kleidungsstücke von ihr befinden und daß sie sich auch tagsüber im Stadtbereich gemeinsam mit diesem aufhält. Daraus könne aber nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich um eine eheähnliche Wohngemeinschaft handle. Der von den Untergerichten gezogene Schluß, es müsse sich auch um eine Wirtschaftsgemeinschaft handeln, weil sie über die finanziellen Verhältnisse von A***** Bescheid wisse, erscheine sehr gewagt.

Hiezu wurde erwogen:

Richtig ist, daß gemäß § 399 Abs 1 Z 2 EO wegen geänderter Verhältnisse die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung begehrt werden kann. Der Verlust des Unterhaltsanspruches wegen Rechtsmißbrauches (§ 94 Abs 2 Satz 2 ABGB) würde daher dazu führen, daß die einstweilige Verfügung aufzuheben wäre. Zu einem solchen kommt es unter anderem durch die Eingehung einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (EFSlg 42.564 ua). Eine Lebensgemeinschaft setzt im allgemeinen eine Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei allerdings das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Grundsätzlich ist das Wesen der Lebensgemeinschaft aber ein der Ehe ähnlicher, dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entsprechender Zustand (5 Ob 2104/96i; EFSlg 66.483, 63.510 f, 60.115 ua). Im vorliegenden Fall geht aber aus den Feststellungen des Erstgerichtes lediglich das Vorliegen einer Wohngemeinschaft hervor. Der Ansicht der Vorinstanzen, allein aus dem Umstand, daß die gefährdete Partei in allen Details über die wirtschaftlichen Belange des Wiliam A***** informiert war und mit ihm gemeinsam ihre Lebensführung gestaltete, ergebe sich bereits das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr setzt das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft insbesondere voraus, daß weitgehend entweder die Lebenserhaltungskosten gemeinsam getragen werden oder einer auch für den Lebensunterhalt des anderen aufkommt.Richtig ist, daß gemäß Paragraph 399, Absatz eins, Ziffer 2, EO wegen geänderter Verhältnisse die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung begehrt werden kann. Der Verlust des Unterhaltsanspruches wegen Rechtsmißbrauches (Paragraph 94, Absatz 2, Satz 2 ABGB) würde daher dazu führen, daß die einstweilige Verfügung aufzuheben wäre. Zu einem solchen kommt es unter anderem durch die Eingehung einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (EFSlg 42.564 ua). Eine Lebensgemeinschaft setzt im allgemeinen eine Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei allerdings das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Grundsätzlich ist das Wesen der Lebensgemeinschaft aber ein der Ehe ähnlicher, dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entsprechender Zustand (5 Ob 2104/96i; EFSlg 66.483, 63.510 f, 60.115 ua). Im vorliegenden Fall geht aber aus den Feststellungen des Erstgerichtes lediglich das Vorliegen einer Wohngemeinschaft hervor. Der Ansicht der Vorinstanzen, allein aus dem Umstand, daß die gefährdete Partei in allen Details über die wirtschaftlichen Belange des Wiliam A***** informiert war und mit ihm gemeinsam ihre Lebensführung gestaltete, ergebe sich bereits das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr setzt das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft insbesondere voraus, daß weitgehend entweder die Lebenserhaltungskosten gemeinsam getragen werden oder einer auch für den Lebensunterhalt des anderen aufkommt.

Zu dieser Frage wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu treffen haben. Sollte sich aus dem ergänzend zutreffenden Feststellungen das Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft ergeben, dann wird die einstweilige Verfügung vom 28.11.1994 aufzuheben sein. Andernfalls wäre hingegen der diesbezügliche Antrag des Gegners der gefährdeten Partei abzuweisen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf § 402 Abs 4 und § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf Paragraph 402, Absatz 4 und Paragraph 78, EO in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E47647 02A02587

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0020OB00258.97Y.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19971009_OGH0002_0020OB00258_97Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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