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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Wien ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Unternehmung der Stadt Wien "Stadt Wien - Wiener Wohnen", eine Unternehmung im Sinne des §71 Wiener Stadtverfassung, der u.a. die Verwaltung der Wr. Gemeindewohnungen übertragen ist, hat die Vergabe der Dienstleistungen "Transportleistungen für Delogierungsgut" durch ihre neun dezentralen Außenstellen ausgeschrieben.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat sich an allen neun Ausschreibungen beteiligt.
Mit Antrag vom 23. März 2000 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft beim Wiener Vergabekontrollsenat (VKS) einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren, insbesondere "die rechtswidrige Entscheidung der Auftraggeberin, Einzelausschreibungen anstatt eines einheitlichen Ausschreibungsverfahrens durchzuführen, für nichtig [zu] erklären".
Mit Bescheid vom 5. Mai 2000, ZVKS - S 161/00, wurde dieser Antrag zurückgewiesen und dies u.a. wie folgt begründet:
"Konkrete Umstände oder Indizien dafür, dass die Antragsgegnerin zur Umgehung des §3 Abs1 WLVergG den Gesamtauftrag über Transportleistungen aufgeteilt hätte, um Bestimmungen über die Schwellenwerte zu umgehen, hat die Antragstellerin weder behauptet, noch haben sich nach der Aktenlage dafür Indizien ergeben. Vielmehr erweist sich die Vornahme von neuen [gemeint wohl: neun] Einzelausschreibungen im Hinblick auf die seit 1.1.2000 geltende Struktur der Antragsgegnerin als gerechtfertigt.
Unbestritten ist, dass der Schwellenwert bei jeder dieser neun Ausschreibungen 200.000,-- Euro [richtig wohl: ECU] (= etwa 2,752.000,-- ATS) nicht überschreitet. Voraussetzung für die Anwendbarkeit und Geltung der Bestimmungen des WLVergG auf ein Vergabeverfahren ist jedoch, dass die im §1 Abs1 leg. cit. angeführten Schwellenwerte überschritten werden. Da dies gegenständlich nicht der Fall ist, war bereits aus diesem Grunde, sowohl der Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens als auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der VKS hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Auch die mitbeteiligte Partei Stadt Wien "Stadt Wien - Wiener Wohnen" hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. Februar 2002 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Satzteiles "- und Dienstleistungs" in §1 Abs1 Z1 Wiener Landesvergabegesetz (WLVergG), LGBl. 36/1995, ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G108/02, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß der in Prüfung gezogene Satzteil verfassungswidrig war.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
Die Entscheidung des VKS, mit der sich dieser für unzuständig erklärt, über den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf §1 Abs1 Z1, wonach Dienstleistungsaufträge einen bestimmmten Schwellenwert überschreiten müssen, damit ihre Vergabe dem Wiener Landesvergabegesetz unterliegt. Nur bei Erreichen des diesbezüglich normierten Schwellenwertes hat eine Vergabe eines Dienstleistungsauftrags nach den Bestimmungen des WLVergG zu erfolgen und ist der VKS zur Überprüfung der korrekten Vorgangsweise hinsichtlich dieser Vergabe zuständig.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese ihre gesetzliche Zuständigkeit nicht in Anspruch nimmt. Da die als verfassungswidrig erkannte Wortfolge in §6 Abs1 BVergG gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist und deshalb einer meritorischen Entscheidung des VKS über die zu vergebenden Dienstleistungsaufträge nicht mehr im Wege steht, verletzt der angefochtene Zurückweisungsbescheid das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündiche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1210.2000Dokumentnummer
JFT_09979390_00B01210_00