TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/4 2003/09/0143

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Veröffentlicht am 04.09.2006
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Index

L40014 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Oberösterreich;
L40015 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Salzburg;
L40054 Prostitution Sittlichkeitspolizei Oberösterreich;
L40055 Prostitution Sittlichkeitspolizei Salzburg;
L40056 Prostitution Sittlichkeitspolizei Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1;
PolStG Slbg 1975 §3 Abs3;
PolStG Slbg 1975 §3 Abs4;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des F in O, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. September 2003, Zl. 0/912-5102/1-2003, betreffend Untersagung der Verwendung von Räumlichkeiten für Zwecke der Prostitution, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem an die Bundespolizeidirektion Salzburg gerichteten Schreiben vom 18. Dezember 2002 teilte der Beschwerdeführer mit, er beabsichtige, an einem näher angeführten Standort in der E-Straße der Landeshauptstadt Salzburg einen Bordellbetrieb zu eröffnen. Niederschriftlich gab der Beschwerdeführer vor dieser Behörde am 18. Dezember 2002 an, es handle sich um einen 24- Stunden-Betrieb in einem Hotel mit 19 Zimmern.

Nach Einholung von Stellungnahmen des Magistrats der Landeshauptstadt Salzburg, der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Salzburg, dem Einlangen von ablehnenden Stellungnahmen von Anrainern, der Direktion eines Gymnasiums sowie der diesbezüglichen Gewährung von Parteiengehör an den Beschwerdeführer untersagte die Bundespolizeidirektion Salzburg mit Bescheid vom 25. Juni 2003 die angezeigte Verwendung von Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution gemäß § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes.

Der Bescheid der Behörde erster Instanz wurde u.a. im Wesentlichen damit begründet, dass sich am 28. und am 30. Jänner 2003 sowie kurz vor dem 12. Februar 2003 Buttersäureanschläge auf das Bordell ereignet hätten. Dabei seien außer sechs Bordellbediensteten noch zwei unbeteiligte Anrainer geschädigt worden.

In unmittelbarer Nähe zum Standort des Bordells befänden sich eine Volksschule und ein Privatgymnasium. Die Ausübung von Prostitution in unmittelbarer Nähe von Schulen gefährde die sittliche Entwicklung junger Menschen in erheblichem Ausmaß.

Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, dass der Eingang zu dem angeführten Gymnasium ganz woanders liege und von diesem nicht auf das Grundstück, auf welchem das Bordell liege, eingesehen werden könne. Eine Auswirkung auf Schüler und Jugendliche wäre nicht gegeben und der Charakter des angezeigten Bordells sei im Betrieb von außen nicht erkennbar. Bei den Buttersäureanschlägen wären zwei unbeteiligte Anrainer nur deshalb geschädigt worden, weil sie ihre Fahrzeuge widerrechtlich am Hotelparkplatz abgestellt hätten. Buttersäureanschläge kämen immer wieder vor. Dazu führte die Behörde erster Instanz aus, die Buttersäureattentate wären wohl nicht eingetreten, wenn sich im gegenständlichen Hotel kein Rotlichtlokal angesiedelt hätte.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sich das gegenständliche Lokal in einer Lage ohne unmittelbare Nachbarn befinde und es sich dabei um Mischgebiet handle. Es liege an der zweitmeistbefahrenen Straße in Salzburg, sodass es dort allein schon erhebliche Lärmbeeinträchtigungen durch den Verkehr gebe, die Zufahrt sei nur durch eine Privatstraße möglich, sodass auch insofern die Umgebung nicht beeinträchtigt werde. Sämtliche Bushaltestellen befänden sich in einer anderen Straße. Die in Unterschriftenlisten geäußerten Befürchtungen hätten sich nicht bestätigt. Im Strafregister des Beschwerdeführers seien keine Vorstrafen eingetragen, getilgte Vorstrafen seien nicht anzulasten. Es bestünden keine Verbindungen zur Suchtgiftszene. Der Geschäftsführer Wolfgang M. sei nicht vorbestraft und nicht einmal die Behörde behaupte, dass er der deutschen Rotlichtszene zuzurechnen sei. Durch Buttersäureanschläge seien nur zwei unbeteiligte Anrainer geschädigt worden, weil sie widerrechtlich ihr Fahrzeug am Hotelparkplatz abgestellt hätten.

Buttersäureanschläge kämen immer wieder auch bei Eröffnungen von Diskotheken vor. In einer ergänzenden Stellungnahme führte der Beschwerdeführer aus, dass der Betrieb des gegenständlichen Bordells völlig gesetzeskonform ablaufe, im Gegensatz dazu sei eine Reihe von gleichartigen Etablissements in der Umgebung unrechtmäßig. Das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft sei durch seinen Betrieb nicht gestört. Er sei von Schulen ausreichend weit entfernt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. September 2003 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass im vorliegenden Fall zu prüfen gewesen sei, ob im Hinblick auf die Umgebung der Situierung des gegenständlichen Etablissements mit Missständen, etwa sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher Natur, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Nachbarschaft störten, zu rechnen sei.

Es sei festzuhalten, dass sich in unmittelbarer Nähe des Bordells auch zahlreiche Wohnungen, darunter ein Schwesternschülerinnenheim, und darüber hinaus ein Gymnasium befänden. Das verfahrensgegenständliche Objekt wäre zwar nicht von der E-Straße erschlossen, sondern die Zufahrt erfolge im Wege einer Privatstraße über ein eigenes Grundstück von einer stark befahrenen anderen Straße her, es gelte aber im Hinblick auf die benachbarten Wohnobjekte und das Gymnasium zu bedenken, dass sich Personen immer wieder in der näheren Umgebung des Etablissements aufhalten könnten, und sei es nur, um dort etwa Spaziergänge zu machen. Die in diesem Zusammenhang von der Behörde erster Instanz angeführten moralischen und sittlichen Bedenken würden in Ansehung der engen räumlichen Nähe durch die belangte Behörde geteilt, zumal das gegenständliche Etablissement rund um die Uhr geöffnet habe. Es sei in diesem Zusammenhang zu befürchten, dass in Ansehung der bloßen räumlichen Nähe des Etablissements zum Gymnasium das Thema Prostitution in einer Art und Weise und in einer Intensität angesichts des Umstandes einer Internatsschule thematisiert werde, wie dies gerade für Mittelschulanfänger auf Grund ihres Alters aus erzieherischen Gründen nicht tunlich erscheine.

Dass sich die Nachbarschaft bereits massiv beeinträchtigt fühle, beweise die Übermittlung einer Unterschriftenliste von "Anrainern". Die belangte Behörde verkenne in diesem Zusammenhang nicht, dass diesen Anrainern eine wie auch immer geartete Parteistellung nicht zukomme, doch sei der Umstand ihres doch massiven und nachdrücklichen Auftretens, ebenso wie jenes der Direktion des Gymnasiums ein wesentliches Indiz dafür, dass bereits eine Störung in sittlichkeitspolizeilicher Hinsicht aufgetreten sei. Es bestehe sohin der erhebliche Verdacht, dass es im Hinblick auf die Umgebung zu sittlichkeitspolizeilichen Missständen, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Nachbarschaft störten, kommen werde. Die Situierung des gegenständlichen Etablissements sei amtsbekannt, entsprechendes Kartenmaterial liege im Akt ein, weshalb die Durchführung eines Ortsaugenscheins nicht notwendig gewesen sei.

In den Monaten Jänner bis Mai 2003 hätten sich vier Buttersäureanschläge ungeklärter Herkunft sowohl auf das Hotel als auch auf Fahrzeuge von sechs Mitarbeitern des Bordells und zwei unbeteiligte Anrainerfahrzeuge ereignet. Die Argumentation des Beschwerdeführers, es handle sich um einen Privatparkplatz und die unbeteiligten geschädigten Anrainer seien gewissermaßen selbst verantwortlich, weil sie ihre Fahrzeuge unberechtigt abgestellt hätten, sei nicht überzeugend. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass nicht abgeschrankte Privatparkplätze immer wieder von Unbefugten benutzt würden, diese hätten zwar mit Besitzstörungsklagen oder im Falle der Behinderung allenfalls mit einer kostenpflichtigen Abschleppung zu rechnen, nicht aber mit Buttersäureattentaten oder sonstigen willkürlichen Beschädigungen ihrer Fahrzeuge. Allein aus diesen mehrfachen Vorfällen resultiere nicht nur ein zu befürchtender, sondern ein bereits eingetretener Missstand in sicherheitspolizeilicher Hinsicht, der das örtliche Gemeinschaftsleben in der Nachbarschaft in hohem Maße beeinträchtige.

Bereits diese von der belangten Behörde dargestellten Gründe rechtfertigten die ausgesprochene Untersagung der Ausübung der Prostitution, ohne dass es dazu einer weiteren Auseinandersetzung mit den übrigen von der Behörde erster Instanz ins Treffen geführten Argumente bedurft hätte.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass im konkreten Fall zu befürchten sei, dass die Verwendung der gegenständlichen Räumlichkeiten zu Missständen insbesondere sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher Art führen werde, die das örtliche Gemeinschaftsleben der Nachbarschaft im Hinblick auf die Umgebung (Wohngebiet mit Schulen) störe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Dazu erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 3 Abs. 3, 4 und 5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975, i.d.F. LGBl. Nr. 56/2003 (LPStG), lauten:

"§ 3

...

(3) Wer beabsichtigt, eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, hat dies der Gemeinde anzuzeigen. Die künftige oder weitere solche Verwendung ist zu untersagen, wenn hiegegen Bedenken der im Abs. 4 genannten Art bestehen.

(4) Die Gemeinde kann von der Anwendung des Abs. 1 durch Verordnung bestimmte Teile des Gemeindegebietes oder auf Antrag des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten durch Bescheid bestimmte allgemein zugängliche Bauten oder Räumlichkeiten ausnehmen, wenn nicht zu befürchten ist, dass dies im Hinblick auf die Umgebung oder auf den Charakter der Gemeinde zu Missständen (insbesondere sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher oder hygienischer Art) führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft stören. Eine solche, im Ermessen liegende bescheidmäßige Ausnahme, kann auch befristet und unter Auflagen erteilt werden; sie ist zu widerrufen, wenn erhebliche Missstände der genannten Art dies erfordern. Abs. 2 lit. c sowie Untersagungen gemäß Abs. 5 gelten nicht für Objekte, für die eine Ausnahme nach den vorstehenden Bestimmungen erteilt wurde, und hiezu gehörige Räumlichkeiten.

(5) Die Gemeinde kann ferner für das Gemeindegebiet oder bestimmte Teile des Gemeindegebietes die erwerbsmäßige Prostitution durch Verordnung für einen Zeitraum von jeweils höchstens drei Jahren untersagen, wenn dort die Prostitution zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören. Die Untersagung kann wiederholt werden, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass sich die Missstände bei Wegfall der Verordnung wiederholen würden."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil die Untersagung eines Bordells nur dann zulässig sei, wenn Missstände das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft störten. Ein Missstand sei für sich allein nach dem Gesetzeswortlaut unbeachtlich, sofern er sich nicht in der vom Gesetz umschriebenen Form auf die Umgebung auswirke. Das gegenständliche Bordell bringe keine Störung des Gemeinschaftslebens mit sich, insbesondere sei es bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits etwa fünfeinhalb Monate in Betrieb gewesen, und es habe in diesem mehrmonatigen Betrieb keinen einzigen Vorfall gegeben, der die Bedenken der Behörde stütze. Die Bedenken der belangten Behörde könnten die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Untersagung nicht rechtfertigen. Die erfolgten Anschläge mit Buttersäure hätten keine Gefahr für das Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft zur Folge gehabt. Eine Gefährdung bzw. Interessensbeeinträchtigung durch einen Betrieb sei nämlich nur dann diesem Betrieb zuzurechnen, wenn sie typischerweise vom Betrieb selbst ausgingen.

Die Feststellung der belangten Behörde treffe nicht zu, dass sich der Bordellbetrieb des Beschwerdeführers in "unmittelbarer Nähe" zu einer Volksschule und einem Gymnasium befinde. Vielmehr sei der Betrieb als Bordell nicht einmal von der in der Nähe sich befindlichen Straße aus erkennbar und könne von den beiden erwähnten Schulen überhaupt nicht eingesehen werden. Die Nachbarn und die Leitung des erwähnten Gymnasiums sprächen in ihren Stellungnahmen den Bordellbetrieb des Beschwerdeführers nicht speziell an, sondern träten vielmehr ganz allgemein für eine Schließung der im gegenständlichen Bereich bestehenden einschlägigen Betriebe ein. Der angefochtene Bescheid leide - insbesondere hinsichtlich mangelnder Feststellungen betreffend die Lage des Bordellbetriebes - an Verfahrensmängeln.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob ausreichende Anhaltpunkte für die Befürchtung gemäß § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes vorlagen, dass der Betrieb des gegenständlichen Bordells "im Hinblick auf die Umgebung oder auf den Charakter der Gemeinde zu Missständen (insbesondere sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher oder hygienischer Art) führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft stören". Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung ausgeführt, sie ermächtige zur Untersagung der Nutzung einer Wohnung oder Räumlichkeit zur erwerbsmäßigen Prostitution, wenn Bedenken bestehen, es könne dadurch zu das örtliche Gemeinschaftsleben in der Nachbarschaft störenden Missständen kommen, wobei für eine solche Annahme die begründete Möglichkeit des Eintritts solcher Missstände genüge. Die entsprechenden Bedenken müssten zwar in der konkreten Umgebung bzw. im konkreten Charakter der Gemeinde ihre Grundlage haben. Sie seien aber dann gerechtfertigt, wenn das Bordell in einem Stadtteil betrieben werden solle, der überwiegend Wohnzwecken diene und nach den Erfahrungen der Behörde auf Grund der mit einem Bordell im Allgemeinen verbundenen Auswirkungen auf die Umgebung mit Störungen des örtlichen Gemeinschaftslebens in der Nachbarschaft, d.h. in dem in Rede stehenden Wohngebiet, (zumindest) zu befürchten seien (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2001, Zl. 99/10/0172).

Zu der mit § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger LPStrG ähnlichen Untersagungsbestimmung des § 2 Abs. 1 Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes und des § 7 Z. 3 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass diese präventiven Charakter besitzen. Für die Untersagung bzw. Versagung der Genehmigung sei es nicht erforderlich, dass mit dem Eintritt der in der Bestimmung genannten Auswirkungen sicher zu rechnen sei; vielmehr genüge es, dass hiefür die "Wahrscheinlichkeit" spreche, die "Befürchtung" der im Gesetz angeführten, zur Untersagung führenden Folgen müsse ihre Grundlage in den "örtlichen oder sachlichen Verhältnissen" haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/10/0075, vom 14. Mai 2001, Zl. 2000/10/0158, und vom 18. Juli 2002, Zl. 2002/09/0039, zu § 2 Abs. 1 Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes und die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2005, Zl. 2002/09/0141, sowie vom selben Tag, Zl. 2002/09/0156, zu § 7 Z. 3 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes).

Den Tatbestand des § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger SPStrG hat die belangte Behörde im Hinblick darauf für gegeben erachtet, als sich in "unmittelbarer Nähe" des gegenständlichen Hotels zahlreiche Wohnungen, darunter auch ein Schwesternschülerinnenheim und darüber hinaus ein Gymnasium befänden. Auf Grund des Umstandes einer Internatsschule sei dies gerade für Mittelschulanfänger aus erzieherischen Gründen nicht tunlich. Dass sich die Nachbarschaft massiv beeinträchtigt fühle, beweise eine Unterschriftenliste der "Anrainer".

Wesentliches Begründungselement für die Untersagung des gegenständlichen Bordellbetriebes ist somit dessen "unmittelbare Nähe" zu Wohnungen und näher angeführten Einrichtungen. Die belangte Behörde hat allerdings keine konkreten Feststellungen dahingehend getroffen, was unter der von ihr angesprochenen "unmittelbaren Nähe" zu verstehen sei. Sie hat auch nicht dargelegt, ob und inwiefern das Bordell oder dessen Betrieb etwa von Schülern auf dem Schulweg oder im Schulbetrieb wahrgenommen wird oder sich auf sonstige Weise auswirkt. Sie hat sich auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt, die Zufahrt zum gegenständlichen Bordell sei nur durch eine Privatstraße möglich, sodass die Umgebung nicht beeinträchtigt werde, und dass es von Schulen ausreichend weit entfernt sei und von diesen nicht eingesehen werden könne. Wenn sie meint, aus dem im Akt einliegenden Kartenmaterial sei die "unmittelbare Nähe" des gegenständlichen Bordells zu den angeführten Einrichtungen ersichtlich, so kann dies nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 19. Oktober 2005, Zl. 2002/09/0141, sowie vom selben Tag, Zl. 2002/09/0156, zu der mit § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger LPStrG ähnlichen Untersagungsbestimmung des § 7 Z. 3 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes dargelegt, dass mit der "Lage" eines Bordellbetriebes allein oder dem bloßen Vorhandensein bestimmter Einrichtungen in der Umgebung nicht hinreichend begründet werden kann, dass und warum in einem konkreten Fall eine Belästigung der Nachbarschaft oder eine Verletzung des örtlichen Gemeinschaftslebens zu erwarten sei und daher der Versagungsgrund nach den anzuwendenden Vorschriften gegeben sein solle. Dies gilt ebenso für die Beurteilung, ob ein Bordell im Sinne der § 3 Abs. 3 i. V.m. Abs. 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft stört. Warum der beabsichtigte Bordellstandort erwarten lasse, dass eine solche Störung zu erwarten sei, wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet.

Die belangte Behörde hätte präzisieren müssen, durch welche zu erwartenden, konkreten Auswirkungen des gegenständlichen Betriebes und der Art und Weise, in welcher dieser insbesondere im Hinblick auf dessen Nähe zu Wohnungen, Schulen und anderen Einrichtungen nach außen in Erscheinung tritt, das Eintreten der in § 3 Abs. 4 LPStrG angeführten Missstände zu befürchten ist.

Dies gilt auch für die unbestritten auf dem zum Bordellbetrieb gehörenden Parkplatz erfolgten Anschläge mit Buttersäure. Die belangte Behörde hat weder dargelegt, inwiefern dies eine im Sinne der § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 PStrG relevante Störung des örtlichen Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft bedeute.

Auch die Tatsache, dass sich Anrainer in Unterschriften gegen das gegenständliche Bordell geäußert und von der Behörde dessen Untersagung gefordert haben, berechtigt ohne Weiteres nicht zur Annahme, dass durch das gegenständliche Bordell eine Störung des örtlichen Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft tatsächlich zu erwarten ist.

Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid daher unvollständig begründet, weil nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden kann, dass im vorliegenden Fall die Annahme des § 3 Abs. 3 i. V.m. Abs. 4 PStrG tatsächlich gerechtfertigt war. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 4. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003090143.X00

Im RIS seit

22.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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