TE OGH 1997/10/15 3Ob152/97t

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Veröffentlicht am 15.10.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Rohrer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Osman G*****, vertreten durch Dr.Andreas Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Herbert G*****, wegen Unzulässigkeit einer Räumungsexekution infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 6.März 1997, GZ 40 R 105/97f-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 6.November 1996, GZ 10 C 1739/96i-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung in einem Haus des Beklagten. Am 28. September 1994 erklärte er in einem Schreiben an den Beklagten als Vermieter, die Hauptmietrechte seinem Sohn abzutreten, der sie übernehme. Dieser wäre nach österreichischem Recht minderjährig. Er verdiente als Lehrling im Zeitpunkt der Abtretungserklärung weniger als 4.000 S monatlich. Der Mietzins samt "Nebenkosten" beträgt 1.400 S monatlich. Dazu kommen noch Zahlungen für Strom und Gas von 816 S monatlich. Diese Kosten deckte bisher der Kläger. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Mietrechtsabtretung erfolgte bisher nicht. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis gegenüber dem Kläger und dessen Sohn gerichtlich auf. Die Aufkündigung gegen letzteren wurde mangels rechtzeitiger Einwendungen rechtswirksam. Eine Räumungsexekution ist anhängig.

Dagegen wendet sich die vorliegende Exszin- dierungsklage. Der Kläger begehrt den Ausspruch, daß "die Vornahme der Räumung" wider seinen Sohn unzulässig sei. Dieser habe die Mietrechte mangels Geschäftsfähigkeit nicht übernehmen können. Das Rechtsgeschäft bedürfe jedenfalls der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts. Daran fehle es. Die Abtretung der Mietrechte sei überdies ein Insichgeschäft gewesen. Er habe seinen minderjährigen Sohn dabei nicht vertreten können und sei daher nach wie vor Mieter. Der Wohnungsgebrauch seines Sohnes beruhe auf familien- rechtlichen Beziehungen.

Der Beklagte wendete ein, der Sohn des Klägers sei aufgrund seines Einkommens als Lehrling im Zeitpunkt der Mietrechtsabtretung selbständig verpflichtungsfähig gewesen. In Beurteilung dessen Geschäftsfähigkeit sei auf die erwartbare künftige Einkommensentwicklung Bedacht zu nehmen. Mangels Geschäftsfähigkeit sei die Mietrechts- abtretung schwebend unwirksam. Sie sei demnach bis zur Versagung einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht "als wirksam zu behandeln". Überdies liege in Wahrheit "eine reine Sachüberlassung nach § 151 ABGB" vor, die weder einen Vertretungsakt des gesetzlichen Vertreters noch eine Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht erfordere.Der Beklagte wendete ein, der Sohn des Klägers sei aufgrund seines Einkommens als Lehrling im Zeitpunkt der Mietrechtsabtretung selbständig verpflichtungsfähig gewesen. In Beurteilung dessen Geschäftsfähigkeit sei auf die erwartbare künftige Einkommensentwicklung Bedacht zu nehmen. Mangels Geschäftsfähigkeit sei die Mietrechts- abtretung schwebend unwirksam. Sie sei demnach bis zur Versagung einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht "als wirksam zu behandeln". Überdies liege in Wahrheit "eine reine Sachüberlassung nach Paragraph 151, ABGB" vor, die weder einen Vertretungsakt des gesetzlichen Vertreters noch eine Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht erfordere.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger könne seinen minderjährigen Sohn als gesetzlicher Vertreter ohne eine Genehmigung des Pflegschaftsgerichts rechtsgeschäftlich nicht wirksam verpflichten, soweit dessen Geschäftsfähigkeit nach dem Geschäftsinhalt zu verneinen sei. Bei Dauerschuldverhältnissen sei zwar auf künftiges Einkommen aufgrund eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Bedacht zu nehmen, eine Übernahme des Minderjährigen aus dem Lehr- in ein Arbeitsverhältnis mit einem höheren Einkommen als 4.000 S monatlich sei jedoch nicht gesichert. Daher erstrecke sich dessen Geschäftsfähigkeit nicht auf die Übernahme der Mietrechte, verbliebe ihm doch vom Lehrlingseinkommen nach Abzug der Wohnungskosten nur ein Betrag von etwa 1.800 S für die Deckung der sonstigen Lebensbedürfnisse. Die Mietrechtsabtretung sei somit bis zu deren allfälligen Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht schwebend unwirksam. Deshalb sei der Kläger nach wie vor Mieter und habe daher ein Recht, aus dem sich die Unzulässigkeit der Räumungsexekution gegen seinen Sohn ergebe.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungs- gegenstands 50.000 S übersteige, ließ die ordentliche Revision nicht zu und erwog in rechtlicher Hinsicht: Der Name des Minderjährigen weise "nicht unbedingt auf österreichische Staatsbürgerschaft" hin. Im Falle seiner Geschäftsfähigkeit entweder nach § 151 Abs 2 ABGB oder aufgrund eines "allenfalls nicht österreichischen Personal- statuts" wäre der Abtretungsvertrag wirksam. Wäre dessen Geschäftsfähigkeit dagegen zu verneinen, sei die Mietrechtsabtretung schwebend unwirksam. Darauf könne sich jedoch der Kläger als Vertragspartner nicht berufen, weil er an seine Erklärung gebunden sei.Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungs- gegenstands 50.000 S übersteige, ließ die ordentliche Revision nicht zu und erwog in rechtlicher Hinsicht: Der Name des Minderjährigen weise "nicht unbedingt auf österreichische Staatsbürgerschaft" hin. Im Falle seiner Geschäftsfähigkeit entweder nach Paragraph 151, Absatz 2, ABGB oder aufgrund eines "allenfalls nicht österreichischen Personal- statuts" wäre der Abtretungsvertrag wirksam. Wäre dessen Geschäftsfähigkeit dagegen zu verneinen, sei die Mietrechtsabtretung schwebend unwirksam. Darauf könne sich jedoch der Kläger als Vertragspartner nicht berufen, weil er an seine Erklärung gebunden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig - an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden - und berechtigt.Die Revision ist zulässig - an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht gebunden - und berechtigt.

Die Mietrechtsabtretung gemäß § 12 MRG ist mit der Willenseinigung

der Vertragspartner verbindlich (SZ 63/63 = JBl 1990, 797 [Iro] =

EvBl 1990/144 = MietSlg 42.223/17 = WoBl 1990,140 = EFSlg 64.223 =

JUS Z 443 = NRsp 1990/164). Deren unmittelbare Wirk- samkeit setzt

jedoch auf beiden Seiten, wenn wie hier nicht § 151 Abs 2 ABGB

eingreift, volle Geschäftsfähigkeit voraus (immolex 1997, 234 [Pfiel

- dort rechtsgeschäftliche Überlassung des Gebrauchs iSd § 30 Abs 2 Z

4 MRG]; Iro, Die Übertragung des Mietrechts an Wohnungen, RZ 1983,

213). Das Erstgericht erkannte in diesem Zusammenhang zutreffend, daß

eine wirksame Mietrechtsübernahme durch einen Minderjährigen als

Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs gemäß § 154 Abs 3

ABGB die Ge- nehmigung des Pflegschaftsgerichts erforderte (Medwed,

Eintritts- und Übernahmsrechte von Minderjährigen im Mietenrecht, ÖJZ

1992, 614 [615]; Schwimann in Schwimann, ABGB**2 Rz 20 f zu § 154; aM

Iro aaO). Wären die Fragen der Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit

des Sohns des Klägers nach österreichischem Recht zu beurteilen und

demzufolge zu verneinen, bestünde bis zur Erteilung einer solchen

Genehmigung ein Schwebezustand, der nichts an der Bindung der

Vertragspartner änderte (Schwimann in Schwimann aaO Rz 29 zu § 154;

Pichler in Rummel, ABGB**2 Rz 17 zu §§ 154, 154a je mN aus der Rsp). Das bedeutet jedoch - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und des Beklagten - nicht, daß ein derartiges schwebend unwirksames Rechtsgeschäft im Verhältnis zu Dritten - hier gegenüber dem Vermieter als Restpartei des Hauptmietverhältnisses gemäß § 12 Abs 2 MRG - wirksam ist. Das Argument des Berufungsgerichts, dem Kläger sei es verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit seiner rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zu berufen, trägt daher die Klageabweisung nicht, ist doch für die Entscheidung nicht die Bindung des Klägers als Vertragspartner der allenfalls bis zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung schwebend unwirksamen Mietrechtsabtretung, sondern nur die Frage maßgeblich, in wessen Vermögen sich die (noch) nicht rechtswirksam abgetretenen Mietrechte befinden. Danach wäre aber der Kläger im Verhältnis zum Vermieter nach wie vor in der Rechtsposition des Hauptmieters. Aufgrund solcher Prämissen griffe aber die Räumungsexekution gegen den minderjährigen Sohn des Hauptmieters in unzulässiger Weise in dessen Rechtsstellung ein, ergäbe sich doch das Gebrauchsrecht des Verpflichteten aus seiner familien- rechtlichen Beziehung zum Hauptmieter.Pichler in Rummel, ABGB**2 Rz 17 zu Paragraphen 154,, 154a je mN aus der Rsp). Das bedeutet jedoch - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und des Beklagten - nicht, daß ein derartiges schwebend unwirksames Rechtsgeschäft im Verhältnis zu Dritten - hier gegenüber dem Vermieter als Restpartei des Hauptmietverhältnisses gemäß Paragraph 12, Absatz 2, MRG - wirksam ist. Das Argument des Berufungsgerichts, dem Kläger sei es verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit seiner rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zu berufen, trägt daher die Klageabweisung nicht, ist doch für die Entscheidung nicht die Bindung des Klägers als Vertragspartner der allenfalls bis zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung schwebend unwirksamen Mietrechtsabtretung, sondern nur die Frage maßgeblich, in wessen Vermögen sich die (noch) nicht rechtswirksam abgetretenen Mietrechte befinden. Danach wäre aber der Kläger im Verhältnis zum Vermieter nach wie vor in der Rechtsposition des Hauptmieters. Aufgrund solcher Prämissen griffe aber die Räumungsexekution gegen den minderjährigen Sohn des Hauptmieters in unzulässiger Weise in dessen Rechtsstellung ein, ergäbe sich doch das Gebrauchsrecht des Verpflichteten aus seiner familien- rechtlichen Beziehung zum Hauptmieter.

Es ist daher im fortgesetzten Verfahren unumgänglich, den Umfang der Geschäftsfähigkeit des Verpflichteten im Zeitpunkt der Mietrechtsabtretung zu klären. Im Falle österreichischer Staatsangehörigkeit wäre die Streitsache aufgrund der einleitenden Rechtsausführungen im Sinne einer Klagestattgebung spruchreif, fehlt es doch an einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Mietrechts- abtretung. Wäre der Verpflichtete dagegen nicht österreichischer Staatsangehöriger, wäre seine Voll- bzw Minderjährigkeit gemäß § 12 IPRG nach dem Personalstatut zu beurteilen. Im vorliegenden Einzelfall wäre auch für dessen rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit nicht das Geschäfts-, sondern das Personalstatut maßgeblich (Näheres dazu bei Schwimann in Rummel aaO Rz 3 zu § 12 IPRG). Daraus werden sich erst die am Umfang der Geschäfts- fähigkeit zu messenden Gültigkeitsvoraussetzungen für die Übernahme von Mietrechten gemäß § 12 MRG durch den allenfalls Minderjährigen ergeben.Es ist daher im fortgesetzten Verfahren unumgänglich, den Umfang der Geschäftsfähigkeit des Verpflichteten im Zeitpunkt der Mietrechtsabtretung zu klären. Im Falle österreichischer Staatsangehörigkeit wäre die Streitsache aufgrund der einleitenden Rechtsausführungen im Sinne einer Klagestattgebung spruchreif, fehlt es doch an einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Mietrechts- abtretung. Wäre der Verpflichtete dagegen nicht österreichischer Staatsangehöriger, wäre seine Voll- bzw Minderjährigkeit gemäß Paragraph 12, IPRG nach dem Personalstatut zu beurteilen. Im vorliegenden Einzelfall wäre auch für dessen rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit nicht das Geschäfts-, sondern das Personalstatut maßgeblich (Näheres dazu bei Schwimann in Rummel aaO Rz 3 zu Paragraph 12, IPRG). Daraus werden sich erst die am Umfang der Geschäfts- fähigkeit zu messenden Gültigkeitsvoraussetzungen für die Übernahme von Mietrechten gemäß Paragraph 12, MRG durch den allenfalls Minderjährigen ergeben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung stützt sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E48354 03AA1527

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0030OB00152.97T.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19971015_OGH0002_0030OB00152_97T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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