Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr.Jörg H*****, vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dr.Peter K*****, vertreten durch Dr.Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Urteilsveröffentlichung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.März 1997, GZ 2 R 90/96m-10, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei wird gemäß den §§ 78 und 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).Der außerordentliche Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei wird gemäß den Paragraphen 78 und 402 EO in Verbindung mit Paragraph 526, Absatz 2, Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 528 a, in Verbindung mit Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Text
Begründung:
Der Kläger hielt am 30.9.1995 bei einer Veranstaltung einer Personenvereinigung ("Kameradschaft IV"), zu deren Angehörigen auch Vertreter der ehemaligen Wehrmacht des Deutschen Reichs und der Waffen-SS zählen, eine Rede, über die ua auch im österreichischen Fernsehen ausführlich und kritisch berichtet worden war. Der Kläger wurde am 19.12.1995 zu seiner Teilnahme und Rede im Fernsehen interviewt. Am nächsten Tag verbreitete der Beklagte über den Pressedienst seiner Partei eine Aussendung mit folgendem Text:
"K*****: Wiederbetätiger hat im Parlament nichts verloren.
(SK) 'Ein Nazi-Wiederbetätiger hat im österreichischen Parlament nichts verloren,' erklärte ***** Peter K***** Mittwoch gegenüber dem Pressedienst der *****, K***** forderte Jörg H***** im Zusammenhang mit seinem Auftritt vor SS-Schergen und seinem anschließenden Rechtfertigungsversuch auf, 'unverzüglich sein Abgeordnetenmandat zurückzulegen.' H***** betreibe mit seinem Auftritt unverhohlene NS-Wiederbetätigung, so K*****. 'Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß H***** im neuen Nationalrat, so als ob nichts geschehen wäre, Platz nimmt.'"
Etwas später erfolgte eine weitere Presseaussendung des Beklagten mit folgendem Text:
"H***** und Waffen SS: K*****: H***** soll Mandat zurücklegen
Utl.: Wiederbetätiger hat im Parlament nichts verloren - Auch H***** fordert Rücktritt =
Wien (APA) - ***** Peter K***** hat am Mittwoch ***** Jörg H***** aufgefordert, "unverzüglich sein Abgeordnetenmandat zurückzulegen'. "Ein Nazi-Wiederbetätiger hat im österreichischen Parlament nichts verloren', erklärte K***** im Pressedienst seiner Partei. H***** habe mit seinem Auftritt vor ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS 'unverhohlene NS-Wiederbetätigung' betrieben. K***** kann sich 'jedenfalls nicht vorstellen, daß H***** im neuen Nationalrat, so als ob nichts geschen wäre, Platz nimmt.'"
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und trug dem Beklagten die Unterlassung der Äußerung, der Kläger sei ein "Nazi-Wiederbetätiger" sowie gleichsinniger Äußerungen auf.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht hat zutreffend und im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Bezeichnung des Klägers als "Nazi-Wiederbetätiger" als überprüfbare Tatsachenbehauptung (vgl zur Abgrenzung zum unüberprüfbaren Werturteil MR 1994, 111 uva) qualifiziert, der auch (im Sinne des Grundsatzes, daß der Täter die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß) der Vorwurf innewohnt, der Kläger habe tatbildlich im Sinne der Bestimmungen des VerbotsG gehandelt. Auf die Zulässigkeit von Werturteilen im Rahmen des politischen Meinungskampfes wegen des Rechtfertigungsgrundes der freien Meinungsäußerung (Art 10 MRK) kommt es daher nicht an. Ein derartiges Grundrecht auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es nicht (MR 1993, 14; 6 Ob 2350/96g uva).Das Rekursgericht hat zutreffend und im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Bezeichnung des Klägers als "Nazi-Wiederbetätiger" als überprüfbare Tatsachenbehauptung vergleiche zur Abgrenzung zum unüberprüfbaren Werturteil MR 1994, 111 uva) qualifiziert, der auch (im Sinne des Grundsatzes, daß der Täter die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß) der Vorwurf innewohnt, der Kläger habe tatbildlich im Sinne der Bestimmungen des VerbotsG gehandelt. Auf die Zulässigkeit von Werturteilen im Rahmen des politischen Meinungskampfes wegen des Rechtfertigungsgrundes der freien Meinungsäußerung (Artikel 10, MRK) kommt es daher nicht an. Ein derartiges Grundrecht auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es nicht (MR 1993, 14; 6 Ob 2350/96g uva).
Bei rufschädigenden Tatsachenbehauptungen, die - wie hier - gleichzeitig auch ehrenbeleidigend sind, hat der Täter die Wahrheit seiner Behauptungen zu beweisen (MR 1995, 16 uva). Ein strafbares Verhalten des Klägers im Sinne des VerbotsG wurde jedoch nicht bescheinigt. Ein Strafverfahren gegen den Kläger wurde nicht eingeleitet (S 15 in ON 6). Die Äußerungen des Klägers sind zumindest nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht tatbildlich im Sinne der im Revisionsrekurs angeführten Tatbilder des VerbotsG (primär des § 3 g leg cit). Die dagegen auf ein vorgelegtes Privatgutachten gestützten Argumente im Revisionsrekurs gehen großteils von einem nicht festgestellten Zusammenhang der einzelnen Äußerungen des Klägers mit dem primär gezogenen Schluß aus, der Kläger habe eine verbrecherische Teilorganisation der NSDAP, nämlich die Waffen-SS verherrlicht (verharmlost). Dem sind die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes entgegenzuhalten. Der Kläger hat die strittigen Passagen seiner Rede vor der "Kameradschaft IV" im Fernsehinterview erläutert und sich dabei auf namhafte führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland berufen. Er habe die ältere Generation vor pauschalen Verbrechensvorwürfen in Schutz nehmen wollen. Diese Interpretation hätte der bescheinigungspflichtige Beklagte, der dem Kläger (auch) ein Vorsatzdelikt nach dem VerbotsG vorwarf, zu widerlegen gehabt.Bei rufschädigenden Tatsachenbehauptungen, die - wie hier - gleichzeitig auch ehrenbeleidigend sind, hat der Täter die Wahrheit seiner Behauptungen zu beweisen (MR 1995, 16 uva). Ein strafbares Verhalten des Klägers im Sinne des VerbotsG wurde jedoch nicht bescheinigt. Ein Strafverfahren gegen den Kläger wurde nicht eingeleitet (S 15 in ON 6). Die Äußerungen des Klägers sind zumindest nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht tatbildlich im Sinne der im Revisionsrekurs angeführten Tatbilder des VerbotsG (primär des Paragraph 3, g leg cit). Die dagegen auf ein vorgelegtes Privatgutachten gestützten Argumente im Revisionsrekurs gehen großteils von einem nicht festgestellten Zusammenhang der einzelnen Äußerungen des Klägers mit dem primär gezogenen Schluß aus, der Kläger habe eine verbrecherische Teilorganisation der NSDAP, nämlich die Waffen-SS verherrlicht (verharmlost). Dem sind die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes entgegenzuhalten. Der Kläger hat die strittigen Passagen seiner Rede vor der "Kameradschaft IV" im Fernsehinterview erläutert und sich dabei auf namhafte führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland berufen. Er habe die ältere Generation vor pauschalen Verbrechensvorwürfen in Schutz nehmen wollen. Diese Interpretation hätte der bescheinigungspflichtige Beklagte, der dem Kläger (auch) ein Vorsatzdelikt nach dem VerbotsG vorwarf, zu widerlegen gehabt.
Anmerkung
E48418 06AB1767European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00176.97V0001.1016.000Dokumentnummer
JJT_19971016_OGH0002_0060OB00176_97V0001_000