TE OGH 1997/10/28 4Ob250/97m

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) M***** GmbH & Co KG, und 2.) M***** GmbH, ***** vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei t*****GmbH, ***** vertreten durch Dr.Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den bestätigenden Teil des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11.Juli 1997, GZ 2 R 87/96w-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28.Juni 1996, GZ 39 Cg 44/96f-5, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der klagenden Parteien wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Zur Sicherung des inhaltsgleichen Anspruchs der klagenden Parteien gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort bei sonstiger Exekution verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Abonnements von Zeitungen und/oder Zeitschriften, deren Medieninhaberin und/oder Verlegerin sie ist, gemeinsam mit anderen Waren (Nebenwaren) zu einem Gesamtpreis anzukündigen, wenn der Aufpreis für die Nebenwaren nicht mehr als 15 % des üblichen Handelspreises der Nebenwaren beträgt und/oder der Gesamtpreis unter dem gleichzeitig angekündigten Preis und/oder dem üblichen Preis der Nebenwaren liegt, insbesondere es zu unterlassen, ein Halbjahres-Abonnement von tv-media und drei Video-Film-Kassetten, die einen angekündigten Wert von zumindest S 450,-- aufweisen, zu einem Gesamtpreis von S 299,-- anzukündigen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten des Provisiorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hingegen endgültig.

Text

Begründung:

Die Streitteile vertreiben ua Fernsehprogrammzeitschriften. Auf der Titelseite der Ausgabe Nr 17/96 ihrer Programmzeitschrift kündigte die Beklagte an: "3 Videos für Jeden! Mit dem Kombi-Angebot von TV-Media zum Bestpreis". Auf den Seiten 2 und 3 dieser Zeitschriftennummer führte die Beklagte folgendes aus: "Das Video-Abo: Für nur 299 öS! 3 Top-Videos zum TV-Media-Abonnement! Sie bekommen ihr Kombi-Abo fast geschenkt! Im weiteren Text der Ankündigung wird ausgeführt, daß der Preis von S 299,-- für ein 25-Wochen-Abonnement und 3 Videofilme nach freier Wahl aus 24 im einzelnen dort angeführten Filmtiteln gilt. Zum Vergleich wird mehrmals darauf verwiesen, daß 25 Exemplare der Zeitschrift TV-Media in der Trafik S 250,-- kosten, und daß für 3 Top-Videos nur ein ganz kleiner Aufpreis zu zahlen sei. Auf Seite 6 der Ausgabe Nr 18/96 der Zeitschrift - TV-Media führte die Beklagte - neben der bereits angeführten Ausgestaltung ihres Angebots - an, daß die Kunden bei dem Preis von S 299,-- mehrere 100 S sparen, weil ein halbes Jahr TV-Media allein in der Trafik S 250,-- koste und ein guter Video-Film kaum unter S 150,-- erhältlich sei. Filmfreunde bekämen also drei Video-Klassiker für ihre Videothek zum Bestpreis und TV-Media sozusagen als Test-Abo ohne Aufpreis dazu.

Auch in den Ausgaben 19 und 20/96 ihrer Zeitschrift und in einem der Tageszeitung "Die Presse" vom 13.5.1996 beigelegten Werbeblatt warb die Beklagte für ihr Kombiangebot. In der Nummer 26/96 ihrer Programmzeitschrift klärte die Beklagte weiter auf, daß zum Gesamtpreis von S 299,-- S 39,-- Transportkosten kämen, und daß ein Abonnement ihrer Zeitschrift für 25 Wochen S 150,-- koste.

Die von der Beklagten im Rahmen ihrer Werbeaktion angebotenen Video-Filme kosten anderswo zwischen S 179,-- bis S 249,--/Stück. Die Beklagte hat diese um S 50,--/Stück erworben.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragen die Klägerinnen, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Abonnements von Zeitungen und/oder Zeitschriften, deren Medieninhaber und/oder Verleger sie ist, gemeinsam mit anderen Waren (Nebenwaren) zu einem Gesamtpreis anzukündigen, wenn der Aufpreis für die Nebenwaren nicht mehr als 15 % des üblichen Handelspreises der Nebenwaren beträgt und/oder der Gesamtpreis unter dem gleichzeitig angekündigten Preis und/oder dem üblichen Preis der Nebenwaren liegt, soferne das Angebot geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung, allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu dem angekündigten Preis zu erwerben, zum Kauf des Zeitungs- und/oder Zeitschriftenabonnements zu verleiten, insbesondere es zu unterlassen, ein Halbjahres-Abo tv-media und drei Video-Film-Kassetten, die einen angekündigten Wert von zumindest S 450,-- aufweisen, zu einem Gesamtpreis von S 299,-- anzukündigen;

in eventu:

Ein Halbjahres-Abonnement von tv-media und drei Video-Filme, die jeweils üblicherweise zumindest S 150,-- kosten, zu einem Kombi-Angebotspreis von S 299,-- anzukündigen.

Die Preise für die von der Beklagten angekündigten Videofilme lägen bei den als Billigverkäufern bekannten Händlern zwischen S 179,-- und S 269,--. Sowohl nach den Preisausführungen der Beklagten als nach den Preiserhebungen der Klägerinnen liege der Wert der angebotenen Videofilme weit (um 50 % oder um 150 %) über dem Preis des gesamten Kombi-Angebots. Somit liege ein sittenwidriges kopflastiges Vorspannangebot vor, bei dem die Nebenware einen höheren Wert habe als die Hauptware. Darüberhinaus sei das Kombi-Angebot billiger, als die drei Videofilme anderswo kosteten. Gehe man vom Durchschnittspreis eines Videofilms von S 249,-- aus, so erhalte der Besteller des Kombi-Angebots für den angegebenen Aufpreis von S 49,-- einen Gegenwert von S 747,-- somit das 15-fache des Aufpreises. Auch wenn man den Abonnementpreis für 25 Wochen mit S 150,-- zugrundelege, erhalte der Besteller drei Videofilme um einen Aufpreis von S 149,--. Der Aufpreis für die Videofilme sei daher ein Scheinpreis. Die angesprochenen Verkaufskreise würden somit aus rein sachfremden Motiven zur Bestellung des Kombi-Angebots verleitet.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Daß die drei Videofilme um einen Scheinpreis angekündigt würden, hätten die Klägerinnen nicht bescheinigt. Der Preis für ein Halbjahres-Abonnement ihrer Zeitschrift betrage S 150,--. Die im Rahmen des Kombi-Angebots angekündigten Videofilme habe sie um S 50,--/Stück erworben und im Kombiangebot mit S 149,-- kalkuliert. Dazu komme ein Versandkostenanteil von S 39,--, so daß die Interessenten S 338,-- zu zahlen hätten. Ihre Gestehungskosten betrügen dagegen S 300,--. Eine verschleierte Zugabe liege nicht vor. Der für die Videofilme verlangte Preis sei kostendeckend. Ihr Kombi-Angebot sei auch nicht "kopflastig". In dem Zeitraum ihrer Werbung hätten sich von insgesamt 4996 Neuabonnenten 1799 für das reine Halbjahres-Abonnement entschieden. Vom Gesamtpreis für das Kombi-Angebot gehe kein übertriebener Anlockeffekt aus, weil jedermann eine Leerkassette um S 50,-- mit einem aktuellen Videofilm zum Verleihpreis von S 35,-- bespielen könne.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Eine Zugabe liege hier nicht vor, weil die Videofilme nicht zu einem Scheinpreis abgegeben worden seien. Auch durch den besonders günstigen Gesamtpreis werde kein übertriebener Anlockeffekt erzeugt, weshalb das Kombi-Angebot auch nicht gegen § 1 UWG verstoße.Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Eine Zugabe liege hier nicht vor, weil die Videofilme nicht zu einem Scheinpreis abgegeben worden seien. Auch durch den besonders günstigen Gesamtpreis werde kein übertriebener Anlockeffekt erzeugt, weshalb das Kombi-Angebot auch nicht gegen Paragraph eins, UWG verstoße.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Hauptsicherungsbegehrens, erließ jedoch eine einstweilige Verfügung im Sinne des Eventualbegehrens. Weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Zugabe liege nicht vor, weil die Beklagte die Nebenware weder unentgeltlich noch zu einem Scheinpreis angekündigt habe. Zutreffend habe das Erstgericht das Sicherungshauptbegehren daher abgewiesen.

Die Beklagte habe aber mit einem besonders günstigen Gesamtpreis einen übertriebenen Anlockeffekt erzeugt und damit gegen § 1 UWG verstoßen. Die drei Videofilme seien zu einem kleinen Aufpreis zum Abonnementpreis angekündigt worden. Bei den üblichen Preisen für Videofilme von S 250/Stück, aber auch nur S 150/Stück sei das Angebot durchaus geeignet, den Verbraucher ohne sachliche Prüfung, allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die er sonst nicht gekauft hätte.Die Beklagte habe aber mit einem besonders günstigen Gesamtpreis einen übertriebenen Anlockeffekt erzeugt und damit gegen Paragraph eins, UWG verstoßen. Die drei Videofilme seien zu einem kleinen Aufpreis zum Abonnementpreis angekündigt worden. Bei den üblichen Preisen für Videofilme von S 250/Stück, aber auch nur S 150/Stück sei das Angebot durchaus geeignet, den Verbraucher ohne sachliche Prüfung, allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die er sonst nicht gekauft hätte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den stattgebenden Teil dieses Beschlusses gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wurde mit Beschluß vom 23.9.1997 mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit eines Vorspannangebots zurückgewiesen.

Der gegen den abweisenden Teil von den Klägerinnen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, weil das Rekursgericht in Wahrheit ein auf ein sittenwidriges Vorspannangebot gerichtetes, zulässiges allgemeines Sicherungsbegehren abgewiesen und nur ein engeres, auf die konkreten Preise Bezug nehmendes Verbot erlassen hat. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zutreffend weist der Revisionsrekurs der Klägerinnen darauf hin, daß das Sicherungshauptbegehren nicht auf einen Zugabenverstoß gerichtet ist, wenngleich die Klägerinnen auch mit einem Scheinpreis argumentiert haben. Das hat im Begehren aber keinen Niederschlag gefunden. Der Beklagten soll im Rahmen des Sicherungshauptantrages verboten werden, Zeitungen oder Zeitschriften mit Nebenwaren zu einem Gesamtpreis anzukündigen, wenn der Aufpreis für die Nebenwaren nicht mehr als 15 % des üblichen Handelspreises für die Nebenwaren beträgt und/oder der Gesamtpreis unter dem gleichzeitig angekündigten Preis liegt, sofern das Angebot geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu dem angekündigten Preis zu erwerben, zum Kauf des Zeitungs- und/oder Zeitschriftenabonnements zu verleiten, insbesondere ein Halbjahres-Abonnement der Zeitschrift und drei Videofilmkassetten, die einen angekündigten Wert von zumindest S 450,-- aufweisen, zu einem Gesamtpreis von S 299,-- anzukündigen. Dieses Begehren orientiert sich an der Rechtsprechung, wonach ein Vorspannangebot dann sittenwidrig ist, wenn die Koppelung der Hauptware mit der preisgünstigen Nebenware geeignet ist, sachliche Erwägungen beim Konsumenten gänzlich auszuschließen, also geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die sie erfahrungsgemäß sonst nicht gekauft hätten (ÖBl 1993, 73 - Badezimmerradio) und ein unzulässiges Vorspannangebot dann nicht mehr vorliegt, wenn die Auslagen für das Kombinationsangebot höher sind als die Auslagen für die Vorspannware (MR 1995, 64 - Sega-Mega-Drive-Vorspannangebot). Die angekündigten Preisvorteile erwecken auch hier den Eindruck, daß der Aufpreis für die Nebenware äußerst geringfügig ist und wesentlich unter den gleichzeitig angekündigten Preis oder dem üblichen Preis der Nebenware liegt. Unter diesen Umständen wird der für ein sittenwidriges Vorspannangebot typische unsachliche Anreiz erweckt, die Hauptware allein wegen der Nebenware zu erwerben. Die beantragte Beschränkung des Verbots, die darin liegt, daß der Aufpreis für die Nebenware nicht mehr als 15 % des üblichen Handelspreises der Nebenwaren beträgt, ist zwar kein von der Rechtsprechung gefordertes Sittenwidrigkeitskriterium, sie hat aber, weil den Klägerinnen nicht mehr zugesprochen werden darf, als sie beantragt haben, im gerichtlichen Verbot zu verbleiben.

Ob der Satzteil "sofern das Angebot geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu dem angekündigten Preis zu erwerben, zum Kauf des Zeitungsund/oder Zeitschriftenabonnenments zu verleiten" das Verbot unbestimmt macht, ist nicht zu entscheiden, weil sich aus der davorstehenden Beschreibung bereits diese Sittenwidrigkeitskriterien ergeben, so daß dieser zur Gänze entfallen kann.

Mit einem im Sinne des Eventualantrags erlassenen Verbot wäre der Exekutionstitel auf die konkreten Preise der Aktion der Beklagten beschränkt. Die Klägerinnen haben aber, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille; ÖBl 1991, 216 - Brennendes Zündholz uva) Anspruch auf eine allgemeinere Fassung des Verbots, dem ihr Hauptbegehren entspricht.

Daher war eine einstweilige Verfügung im Sinne des Sicherungshauptbegehrens mit den vorgenommenen Modifikationen zu erlassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich, soweit sie die Kosten der Klägerinnen betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie die Kosten der Beklagten betrifft auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich, soweit sie die Kosten der Klägerinnen betrifft, auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, soweit sie die Kosten der Beklagten betrifft auf Paragraphen 78,, 402 EO, Paragraphen 40,, 50, 52 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E47923 04AA2507

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0040OB00250.97M.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19971028_OGH0002_0040OB00250_97M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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