TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/5 2006/18/0181

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Veröffentlicht am 05.09.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des E M (früher: B T) in D, geboren 1980, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Juni 2005, Zl. SD 115/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Juni 2005 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Sierra Leone, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen Behauptungen im Jahr 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am 17. Juni 2002 einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei noch anhängig. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 14. März 2003 sei der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer von Oktober bis Dezember 2002 dadurch gewerbsmäßig Suchtgift veräußert habe, dass er einem namentlich bekannten Abnehmer insgesamt zumindest 24 Gramm Heroin und eine nicht feststellbare Menge Kokain verkauft habe.

Am 1. März 2004 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens des Betruges gemäß § 146 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, weil er unter Vortäuschung, dass es sich bei der übergebenen Substanz um verbotenes Suchtgift handle, einem Abnehmer eine Kugel, die Teile eines Taschentuches enthalten habe, um EUR 50,-- verkauft habe.

Auf Grund dieser Straftaten sei gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2004 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden.

Weder dieses Aufenthaltsverbot noch die vorausgegangenen Verurteilungen hätten den Beschwerdeführer zu rechtskonformem Verhalten bewegen können. Am 27. Oktober 2004 habe er in Wien versucht, zwei Kugeln Kokain und drei Kugeln Heroin einer unbekannt gebliebenen Abnehmerin zu verkaufen. Deshalb sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 27 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei die bedingte Nachsicht der bei der erstgenannten Verurteilung verhängten Strafe widerrufen worden.

Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 36 Abs. 1 FrG seien daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gegeben.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe er nicht geltend gemacht. Der mit dem Aufenthalt verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Wer in Österreich wiederholt dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher Rechtsvorschriften erkennen. Der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr an, die sich gerade im Fall des Beschwerdeführers manifestiert habe. Die Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer müsse daher zu seinen Ungunsten ausfallen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch als keinesfalls gewichtig. Dabei sei zu bedenken, dass die soziale Komponente dieser Integration durch das wiederholte strafbare Verhalten entsprechend gemindert werde. Angesichts des Mangels familiärer Bindungen in Österreich sei das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet gering. Dem gegenüber stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe "völlig verkannt", dass er bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin gelebt habe, die er in der Folge - nach Bescheiderlassung - geheiratet habe. Die Behörde habe zu seiner persönlichen Situation keine Ermittlungen durchgeführt; es sei nicht ersichtlich, wie sie zu der unrichtigen Feststellung über das Fehlen familiärer Bindungen im Bundesgebiet gelangt sei.

Damit bestreitet der Beschwerdeführer die Feststellung im angefochtenen Bescheid nicht, wonach er im Verwaltungsverfahren keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht habe. Er bringt auch nicht vor, aus welchen Gründen er keine Gelegenheit gehabt habe, im Verwaltungsverfahren - etwa in der Berufung - die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin geltend zu machen.

Beim Vorbringen betreffend das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides handelt es sich somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Schon aus diesem Grund geht das - umfangreiche - Beschwerdevorbringen, das Aufenthaltsverbot sei aus europarechtlichen Gründen unzulässig, weil der Beschwerdeführer als Lebensgefährte einer Österreicherin wie ein begünstigter Drittstaatsangehöriger zu behandeln sei, ins Leere.

2. Dass das Aufenthaltsverbot auch unter Zugrundelegung der Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen im Bundesgebiet habe, und ohne Bedachtnahme auf die Sonderbestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige unzulässig wäre, wird in der Beschwerde nicht konkret behauptet.

Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt; angesichts des diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens ist die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), begegnet aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keinen Bedenken.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 5. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180181.X00

Im RIS seit

03.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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