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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des CO in W, geboren am 9. November 1986, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den am 10. Jänner 2006 mündlich verkündeten und am 9. April 2006 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zlen. 257.851/11- II/04/06 und 257.851/14-II/04/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte am 3. März 2004 in das Bundesgebiet und beantragte am selben Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 20. Jänner 2005 gab er an, sein Vater sei Vorsitzender der MASSOB, welche sich für die Freiheit von Biafra einsetze, gewesen und sei von der Polizei getötet worden. Der Beschwerdeführer sei kein "Vollmitglied" dieser Bewegung gewesen, habe allerdings einer "Jugendorganisation" angehört. Er werde in Nigeria von der Polizei auf Grund der Aktivitäten seines Vaters gesucht. Auch seine Mutter und seine zwei jüngeren Geschwister seien geflüchtet.
Mit Bescheid vom 26. Jänner 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria festgestellt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig, sodass eine asylrelevante Verfolgung in Nigeria nicht habe festgestellt werden können. Die Behauptung, der Beschwerdeführer wäre von der Polizei verfolgt worden, sei nur allgemein in den Raum gestellt worden, seine Angaben hätten den Eindruck einer "oberflächlichen und vagen" Rahmengeschichte, welche er emotionslos vorgetragen habe, gemacht. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Fahne von Biafra richtig aufzuzeichnen, was angesichts seiner Angaben über die Aktivität seines Vaters in der MASSOB und seiner eigenen Mitgliedschaft in deren "Jugendorganisation" gegen seine Glaubwürdigkeit spreche. Dagegen spreche auch, dass er den Anführer dieser Bewegung "fehlerhaft" bezeichnet und zum Vorhalt, dass "die MASSOB in Nigeria nur mehr eine Randbewegung darstellt und in der Öffentlichkeit keine Unterstützung mehr erfahre" nur lapidar sein Vorbringen wiederholt habe, anstatt seine persönliche Position zu diesem Thema darzulegen. Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur allgemeinen Situation in Nigeria. Die Grundversorgung mit Lebensmitteln sei in Nigeria im städtischen Bereich gewährleistet, sodass kein Anhaltspunkt bestehe, dass der Beschwerdeführer - ein "junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann" - im Falle der Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten könnte. Der Beschwerdeführer habe keine "familiären Anbindungen" in Österreich.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Berufung, die die belangte Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 AsylG abwies. Die belangte Behörde schloss sich in der (in der Verhandlungsschrift beurkundeten) Begründung ihrer Entscheidung der Beurteilung des Bundesasylamtes hinsichtlich der mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers an. Diese Beurteilung begegne auf der Grundlage des in der Verhandlung aufgenommenen Sachverständigenbeweises keinen Bedenken, zumal der Beschwerdeführer den präzisen Darlegungen der landeskundlichen Sachverständigen lediglich gänzlich unsubstanziiert entgegen getreten sei. Da auch sonstige Gefährdungen nicht hervorgekommen seien, sei die Berufung gegen die Spruchteile I. und II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen gewesen. Auch die gegen Spruchteil III. gerichtete Berufung sei abzuweisen gewesen, wobei die nicht zielstaatsbezogene Fassung dieses Spruchteiles "im Interesse der möglichsten Wahrung der Dispositionsfreiheit" des Beschwerdeführers beizubehalten gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit - also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die gewürdigten Beweise in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind.
Die Beschwerde beschränkt sich darauf, das von der belangten Behörde als nicht glaubhaft gewertete Vorbringen des Beschwerdeführers zu wiederholen, ohne sich mit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Beweiswürdigung im Einzelnen auseinander zu setzen. Eine solche Auseinandersetzung enthielt - bezogen auf den erstinstanzlichen Bescheid - schon die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid und deren Ergänzung, auf die in der Beschwerde verwiesen wird, nicht. Die Beschwerde vermag schließlich auch keine beim Beschwerdeführer vorliegenden konkreten Gründe aufzuzeigen, die gegen die Zulässigkeit seines Refoulement nach Nigeria sprechen würden.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Die Beschwerde ist jedoch hinsichtlich der unveränderten Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides erfolgreich.
Die belangte Behörde hat verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Es war daher die Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 5. September 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006200031.X00Im RIS seit
04.10.2006