TE OGH 1997/10/29 6Ob245/97s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.1997
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Verein S*****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Vavrovsky Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, wider die beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Ö*****, vertreten durch Dr.Christoph Koller, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, wegen Unterlassung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 11.Juli 1997, GZ 1 R 160/97y-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 20.Mai 1997, GZ 9 Cg 61/97i-6, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß die klagende und gefährdete Partei der beklagten und Gegner der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.058,88 S (darin 676,48 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen hat.

Die klagende und gefährdete Partei hat der beklagten und Gegner der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.070,72 S (darin 845,12 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung und die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In Reaktion auf einen Leserbrief, der den Tiergarten H***** positiv hervorhob und den Leser aufforderte, Patenschaften für Tiere zu übernehmen, verfaßte der Obmann des beklagten Vereins einen Leserbrief, in welchem er den Tiergarten H***** namentlich erwähnte und Zootierhaltung als Tierquälerei bezeichnete. Er führte wörtlich aus: "Sie (die Verfasserin des Leserbriefes) sollte einen Aufruf zum mehrmaligen Besuch und zur Übernahme von Zootierpatenschaften besser unterlassen, denn Zootierhaltung bedeutet in jedem Fall Tierquälerei. Eine "artgerechte" Haltung von Tieren in Zoos ist nicht möglich. Wenn Frau S... meint, die Patenschaften kämen den Tieren zugute, irrt sie, denn das einzig Gute, das man gefangenen Tieren tun könnte, wäre sie freizulassen und das wird mit den Patenschaften sicher nicht geschehen".

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrt die klagende Partei, dem beklagten Verein mit einstweiliger Verfügung herabsetzende Äußerungen des Inhalts, die Zootierhaltung der Klägerin stelle Tierquälerei dar, zu verbieten; ferner habe er den Aufruf zum Nichtbesuch des Tiergartens H***** zu unterlassen.

Der auf den Vorwurf der Tierquälerei im Sinn des § 222 StGB - somit auf unrichtige Tatsachenbehauptungen - gestützte Aufruf des Beklagten sei geeignet, wirtschaftlich bedeutsame Interessen der Klägerin zu schädigen.Der auf den Vorwurf der Tierquälerei im Sinn des Paragraph 222, StGB - somit auf unrichtige Tatsachenbehauptungen - gestützte Aufruf des Beklagten sei geeignet, wirtschaftlich bedeutsame Interessen der Klägerin zu schädigen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Leserbrief des Beklagten kritisiere lediglich die Zootierhaltung als solche und erhebe der Klägerin gegenüber nicht konkret den Vorwurf der Tierquälerei. Er sei aus dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt.

Das Rekursgericht erließ verbot dem Beklagten Äußerungen, wonach die Zootierhaltung der Klägerin Tierquälerei darstelle, sowie den Aufruf, einen vermehrten Besuch des ***** Tiergartens H***** nicht vorzunehmen. Das darüber hinausgehende Begehren, einen Aufruf zum Nichtbesuch des Tiergartens zu unterlassen, wies das Rekursgericht ab.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der vom Beklagten erhobene Vorwurf der Tierquälerei habe sich auf den Tiergarten H***** bezogen und sei objektiv nachprüfbar. Die Klägerin werde damit eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt. Ein wirtschaftlicher Schade sei nicht ausgeschlossen, da sich manche Interessenten vom Besuch des Tiergartens und der Übernahme einer Patenschaft abhalten lassen könnten. Der Beklagte könne sich auch nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, da er mit seiner Äußerung die Grenzen sachgerechter Kritik überschritten habe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht das Recht der freien Meinungsäußerung unrichtig beurteilt hat. Er ist auch berechtigt.

Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung richten sich gleich der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (MuR 1995, 97; MuR 1995, 137 je mwN, zuletzt 6 Ob 2060/96a). Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier Lesern einer Tageszeitung - bei ungezwungener Auslegung verstanden wird, wobei die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung im allgemeinen eine Rechtsfrage ist, die von den näheren Umständen des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt (6 Ob 2060/96a mwN).

Der verständige unbefangene Durchschnittsleser wird die Äußerung "Zootierhaltung bedeutet in jedem Fall Tierquälerei. Eine "artgerechte" Haltung von Tieren in Zoos ist nicht möglich. ... Das einzig Gute, das man gefangenen Tieren tun könnte, wäre sie freizulassen ...." nicht entnehmen, daß die klagende Zoobetreiberin tatsächlich Tiere im Sinn des § 222 StGB roh mißhandelt oder quält. Der Vorwurf ist in seiner Gesamtheit Ausdruck und Kundgabe der eigenen (wertenden) Meinung des Beklagten, wonach artgerechte Haltung von Zootieren nicht möglich sei und deshalb - nach Auffassung des Beklagten - Tierquälerei darstelle.Der verständige unbefangene Durchschnittsleser wird die Äußerung "Zootierhaltung bedeutet in jedem Fall Tierquälerei. Eine "artgerechte" Haltung von Tieren in Zoos ist nicht möglich. ... Das einzig Gute, das man gefangenen Tieren tun könnte, wäre sie freizulassen ...." nicht entnehmen, daß die klagende Zoobetreiberin tatsächlich Tiere im Sinn des Paragraph 222, StGB roh mißhandelt oder quält. Der Vorwurf ist in seiner Gesamtheit Ausdruck und Kundgabe der eigenen (wertenden) Meinung des Beklagten, wonach artgerechte Haltung von Zootieren nicht möglich sei und deshalb - nach Auffassung des Beklagten - Tierquälerei darstelle.

Diese wertende Meinungsäußerung ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht rechtswidrig. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt es bei der zur Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik erforderlichen Interessenabwägung auf die Art des eingeschränkten Rechts, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (Korn/Neumayr, Persönlichkeitsschutz 60; SZ 61/210; zuletzt 6 Ob 2230/96a und 6 Ob 2300/96w). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (zuletzt 6 Ob 2230/96a und 6 Ob 2300/96w), daß dem verfassungsrechtlich gewährleisteten und jedermann eingeräumten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 3 StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zukommt. Sogar massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an einem konkreten Sachverhalt orientiert, ist zulässig, solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden (vgl EGMR in MR 1986, 4; MR 1989, 15; zuletzt 6 Ob 2300/96w).Diese wertende Meinungsäußerung ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht rechtswidrig. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt es bei der zur Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik erforderlichen Interessenabwägung auf die Art des eingeschränkten Rechts, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (Korn/Neumayr, Persönlichkeitsschutz 60; SZ 61/210; zuletzt 6 Ob 2230/96a und 6 Ob 2300/96w). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (zuletzt 6 Ob 2230/96a und 6 Ob 2300/96w), daß dem verfassungsrechtlich gewährleisteten und jedermann eingeräumten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10, MRK; Artikel 3, StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zukommt. Sogar massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an einem konkreten Sachverhalt orientiert, ist zulässig, solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden vergleiche EGMR in MR 1986, 4; MR 1989, 15; zuletzt 6 Ob 2300/96w).

Nach diesen Grundsätzen fällt die Interessenabwägung im gegenständlichen Fall zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung aus. Der Beklagte zeigt als Reaktion auf einen Leserbrief das allgemein bekannte und diskutierte Problem nicht artgerechter Tierhaltung in Zoos auf, was seiner Auffassung nach Tierquälerei sei, weil es besser sei, die Tiere freizulassen. Er überschreitet damit die Grenzen zulässiger Kritik nicht, war doch seine Kritik nicht als Vorwurf eines von der im Leserbrief zur Debatte gestellten Zootierhaltung unabhängigen unehrenhaften Verhaltens der Klägerin als Zoobetreiber zu verstehen.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs ist im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 und 402 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO, wobei der Oberste Gerichtshof auch über die Verfahrenskosten erster Instanz neu zu entscheiden hatte (Fasching II Anm 5 zu § 50 ZPO; ders ZPR2 Rz 467; Delle-Karth RZ 1997, 185; EvBl 1969/143; vgl Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß 409 f). Von der in der Klage vorgenommenen Bewertung des Unterlassungsbegehrens mit 100.000 S war auszugehen. Äußerungskosten konnten nicht zuerkannt werden, da die Äußerung verspätet erstattet wurde.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 78 und 402 EO in Verbindung mit Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO, wobei der Oberste Gerichtshof auch über die Verfahrenskosten erster Instanz neu zu entscheiden hatte (Fasching römisch II Anmerkung 5 zu Paragraph 50, ZPO; ders ZPR2 Rz 467; Delle-Karth RZ 1997, 185; EvBl 1969/143; vergleiche Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß 409 f). Von der in der Klage vorgenommenen Bewertung des Unterlassungsbegehrens mit 100.000 S war auszugehen. Äußerungskosten konnten nicht zuerkannt werden, da die Äußerung verspätet erstattet wurde.

Die nicht in der vierzehntägigen Frist des § 402 Abs 3 EO erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.Die nicht in der vierzehntägigen Frist des Paragraph 402, Absatz 3, EO erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.

Anmerkung

E48064 06A02457

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00245.97S.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19971029_OGH0002_0060OB00245_97S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten