Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Firma R*****, vertreten durch Dr.Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Arbeiterbetriebsrat der R***** GmbH & Co KG, vertreten durch Dr.Kurt Klein und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Erlöschens eines Exekutionstitels (Interesse S 100.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Juni 1997, GZ 8 Ra 33/97b-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.November 1996, GZ 36 Cga 100/96w-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit gerichtlichem Vergleich vom 25.9.1995 verpflichtete sich die klagende Partei, der beklagten Partei eine Abschrift der Jahresabschlüsse und deren Anhänge gemäß § 108 Abs 3 ArbVG für die Jahre 1992 und 1993 bis längstens 31.12.1995 zur Verfügung zu stellen.Mit gerichtlichem Vergleich vom 25.9.1995 verpflichtete sich die klagende Partei, der beklagten Partei eine Abschrift der Jahresabschlüsse und deren Anhänge gemäß Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG für die Jahre 1992 und 1993 bis längstens 31.12.1995 zur Verfügung zu stellen.
Aufgrund dieses Vergleiches wurde der beklagten Partei gegen die klagende Partei die bisher unbeendete Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen bewilligt. Unternehmensjahresabschlüsse wurden der beklagten Partei bisher von der klagenden Partei nicht zur Verfügung gestellt, sondern nur auf den Grazer Betrieb abgestellte sogenannte "abgeleitete" Teilbilanzen. Im Unternehmen der klagenden Partei bestehen zwei getrennte Betriebe in Graz und in Wels. Im Unternehmen ist lediglich ein Betriebsrat für Arbeiter für den Betrieb Graz errichtet, nicht jedoch ein Zentralbetriebsrat.
Die klagende Partei brachte in ihrer als "Oppositionsklage" bezeichneten Klage vor, die Exekution sei unzulässig, die klagende Partei habe den Vergleich vom 25.9.1995 durch Vorlage "abgeleiteter" Teilbilanzen erfüllt. Die Ansicht der beklagten Partei, die von der Klägerin zur Verfügung gestellten abgeleiteten Bilanzen entsprächen nicht der Regelung des ArbVG, sei unzutreffend. Sie beantragte daher, die Exekution für "unzulässig" zu erklären.
Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; die klagende Partei habe nicht Jahresabschlüsse des Unternehmens für die Jahre 1992 und 1993 zur Verfügung gestellt, sondern lediglich eigens für den Betrieb in Graz erstellte Teilbilanzen.
Ergänzend - in der Verhandlung vom 20.11.1996 (ON 10) - brachte die klagende Partei vor, Anspruch auf Vorlage einer Unternehmensbilanz habe nur der Zentralbetriebsrat, ein solcher sei aber nicht errichtet worden. Zwischen den Parteien sei bei Vergleichsabschluß klar gewesen, daß nur die den Betrieb Graz betreffenden "abgeleiteten" Bilanzen vorgelegt werden sollen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren aufgrund des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Vorlagepflicht des Betriebsinhabers gemäß § 108 Abs 3 ArbVG beziehe sich auf die Steuerbilanz. Dies ergäbe sich schon aus dem Gesetzestext, der durch die Worte "Vorlage an die Steuerbehörde" die Beziehung zur Steuerbilanz herstelle. Dem Betriebsrat sei mit der Abschrift der Bilanz ein Einblick in die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens (Betriebes) zu verschaffen. Auf diese Weise solle der Betriebsrat den gleichen Informationsstand erhalten, den die Gesellschaft bzw deren Leitung habe. Dies sei durch die für die Steuer erstellte Bilanz aufgrund des engen Bewertungsspielraumes eher möglich, da dabei strenge Bewertungsrichtlinien vorgegeben seien. Eine "abgeleitete", dh nicht zur Vorlage an die Steuerbehörde geeignete Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, erfülle daher nicht die Anforderungen des § 108 ArbVG. Richtig sei zwar, daß gemäß § 113 Abs 4 ArbVG in Unternehmungen, in denen ein Zentralbetriebsrat zu errichten sei, unter anderem die wirtschaftlichen Informations- und Interventionsrechte gemäß § 108 ArbVG von diesem auszuüben seien, jedoch habe sich die klagende Partei im Vergleich vom 25.9.1995, privatautonom zur Bereitstellung einer Abschrift der Jahresabschlüsse und deren Anhänge gemäß § 108 Abs 3 ArbVG für die Jahre 1992 und 1993 verpflichtet.Das Erstgericht wies das Klagebegehren aufgrund des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Vorlagepflicht des Betriebsinhabers gemäß Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG beziehe sich auf die Steuerbilanz. Dies ergäbe sich schon aus dem Gesetzestext, der durch die Worte "Vorlage an die Steuerbehörde" die Beziehung zur Steuerbilanz herstelle. Dem Betriebsrat sei mit der Abschrift der Bilanz ein Einblick in die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens (Betriebes) zu verschaffen. Auf diese Weise solle der Betriebsrat den gleichen Informationsstand erhalten, den die Gesellschaft bzw deren Leitung habe. Dies sei durch die für die Steuer erstellte Bilanz aufgrund des engen Bewertungsspielraumes eher möglich, da dabei strenge Bewertungsrichtlinien vorgegeben seien. Eine "abgeleitete", dh nicht zur Vorlage an die Steuerbehörde geeignete Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, erfülle daher nicht die Anforderungen des Paragraph 108, ArbVG. Richtig sei zwar, daß gemäß Paragraph 113, Absatz 4, ArbVG in Unternehmungen, in denen ein Zentralbetriebsrat zu errichten sei, unter anderem die wirtschaftlichen Informations- und Interventionsrechte gemäß Paragraph 108, ArbVG von diesem auszuüben seien, jedoch habe sich die klagende Partei im Vergleich vom 25.9.1995, privatautonom zur Bereitstellung einer Abschrift der Jahresabschlüsse und deren Anhänge gemäß Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG für die Jahre 1992 und 1993 verpflichtet.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Bei der Prüfung des Titels bei Bewilligung der Exekution komme es - auch wenn dieser aus einer Parteienerklärung bestehe - nur auf den objektiven Sinn an, nicht aber darauf, was die Parteien im Einzelfall wollten. Nach dem Vergleichswortlaut habe sich die klagende Partei zur Vorlage der "Jahresabschlüsse im Sinne des § 108 Abs 3 ArbVG" verpflichtet, ein davon abweichender Vergleichswille sei nicht zu ermitteln. Wegen des beidseitig zwingenden Charakters der Bestimmung des § 108 Abs 3 ArbVG sei eine abweichende Parteiabsicht unbeachtlich. Es erübrige sich daher auch ein Eingehen auf die Frage des Charakters der Klage als Oppositions- oder Impugnationsklage, sowie einer allfälligen Klagsänderung bzw eines Verstoßes gegen die Eventualmaxime. Der Impugnationsgrund einer vom Exekutionstitel abweichenden Parteienabsicht liege nicht vor. Zu prüfen sei nur die objektive Auslegung des im Titel verwendeten Begriffes "Jahresabschluß und dessen Anhänge gemäß § 108 Abs 3 ArbVG". Umfasse ein Unternehmen mehrere Betriebe, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden, so sei ein Zentralbetriebsrat zu bilden. Habe sich jedoch nur in einem dieser Betriebe ein Betriebsrat konstituiert, sei auch in einem mehrere Betriebe umfassenden Unternehmen kein Zentralbetriebsrat zu wählen. Im Unternehmen der klagenden Partei bestand somit keine Verpflichtung zur Bildung eines Zentralbetriebsrates, sodaß das wirtschaftliche Informationsrecht nach § 113 Abs 1 ArbVG von dem im Grazer Betrieb des Unternehmens der klagenden Partei konstituierten Betriebsrat auszuüben sei. Eine Einschränkung der Befugnisse des Betriebsrates nach § 108 Abs 3 ArbVG durch § 113 Abs 4 ArbVG bestehe nicht (DRdA 1991/16). Eine "abgeleitete" Bilanz nur für den Betrieb Graz erfülle nicht die Anforderungen des § 108 Abs 3 ArbVG mit dem Ziel, die Belegschaft über die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, nämlich das Unternehmen, zu informieren. Zwar sei in § 108 ArbVG immer wieder von der wirtschaftlichen (und finanziellen Lage) des "Betriebes" die Rede, doch sei auf die wirtschaftliche Lage der kaufmännisch-wirtschaftlichen Einheit, also des Unternehmens, und nicht auf die bloß arbeitstechnische Organisationseinheit des Betriebes abzustellen. Jede nach Handelsrecht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtete Gesellschaft habe diese im Sinne des § 108 Abs 3 ArbVG zu übermitteln. Ein Jahresabschluß eines Betriebes eines aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmens sei handelsrechtlich nicht vorgesehen, daher auch nicht Gegenstand der Regelung des § 108 Abs 3 ArbVG. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der klagenden Partei der beklagten Partei eine Abschrift der Jahresabschlüsse für die Jahre 1992 und 1993 samt Anhängen zu übermitteln. Wegen der Abweisung des Klagebegehrens könne eine amtswegige Berichtigung des Begehrens der Oppositionsklage unterbleiben.Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Bei der Prüfung des Titels bei Bewilligung der Exekution komme es - auch wenn dieser aus einer Parteienerklärung bestehe - nur auf den objektiven Sinn an, nicht aber darauf, was die Parteien im Einzelfall wollten. Nach dem Vergleichswortlaut habe sich die klagende Partei zur Vorlage der "Jahresabschlüsse im Sinne des Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG" verpflichtet, ein davon abweichender Vergleichswille sei nicht zu ermitteln. Wegen des beidseitig zwingenden Charakters der Bestimmung des Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG sei eine abweichende Parteiabsicht unbeachtlich. Es erübrige sich daher auch ein Eingehen auf die Frage des Charakters der Klage als Oppositions- oder Impugnationsklage, sowie einer allfälligen Klagsänderung bzw eines Verstoßes gegen die Eventualmaxime. Der Impugnationsgrund einer vom Exekutionstitel abweichenden Parteienabsicht liege nicht vor. Zu prüfen sei nur die objektive Auslegung des im Titel verwendeten Begriffes "Jahresabschluß und dessen Anhänge gemäß Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG". Umfasse ein Unternehmen mehrere Betriebe, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden, so sei ein Zentralbetriebsrat zu bilden. Habe sich jedoch nur in einem dieser Betriebe ein Betriebsrat konstituiert, sei auch in einem mehrere Betriebe umfassenden Unternehmen kein Zentralbetriebsrat zu wählen. Im Unternehmen der klagenden Partei bestand somit keine Verpflichtung zur Bildung eines Zentralbetriebsrates, sodaß das wirtschaftliche Informationsrecht nach Paragraph 113, Absatz eins, ArbVG von dem im Grazer Betrieb des Unternehmens der klagenden Partei konstituierten Betriebsrat auszuüben sei. Eine Einschränkung der Befugnisse des Betriebsrates nach Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG durch Paragraph 113, Absatz 4, ArbVG bestehe nicht (DRdA 1991/16). Eine "abgeleitete" Bilanz nur für den Betrieb Graz erfülle nicht die Anforderungen des Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG mit dem Ziel, die Belegschaft über die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, nämlich das Unternehmen, zu informieren. Zwar sei in Paragraph 108, ArbVG immer wieder von der wirtschaftlichen (und finanziellen Lage) des "Betriebes" die Rede, doch sei auf die wirtschaftliche Lage der kaufmännisch-wirtschaftlichen Einheit, also des Unternehmens, und nicht auf die bloß arbeitstechnische Organisationseinheit des Betriebes abzustellen. Jede nach Handelsrecht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtete Gesellschaft habe diese im Sinne des Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG zu übermitteln. Ein Jahresabschluß eines Betriebes eines aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmens sei handelsrechtlich nicht vorgesehen, daher auch nicht Gegenstand der Regelung des Paragraph 108, Absatz 3, ArbVG. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der klagenden Partei der beklagten Partei eine Abschrift der Jahresabschlüsse für die Jahre 1992 und 1993 samt Anhängen zu übermitteln. Wegen der Abweisung des Klagebegehrens könne eine amtswegige Berichtigung des Begehrens der Oppositionsklage unterbleiben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Ein vom Wortlaut des Vergleiches abweichendes übereinstimmendes Verständnis der Streitteile wäre nicht schlechthin unbeachtlich (4 Ob 522/76; 2 Ob 69/82; 1 Ob 718/86; 1 Ob 3/91 ua); hiezu ist aber nicht abschließend Stellung zu nehmen, weil die hiefür beweispflichtige klagende Partei erst in ihrem gegen die Eventualmaxime (§ 35 Abs 3 EO) verstoßenden, die Klage ergänzenden Vorbringen geltend machte, bei Vergleichsabschluß sei klar gewesen, daß lediglich eine wirtschaftliche Information über den Betrieb in Graz und nicht über das Gesamtunternehmen zu erteilen sei. Gingen die Vorinstanzen auf ein gegen die Eventualmaxime verstoßendes Vorbringen sachlich ein, hielten das Oppositionsbegehren aber dennoch nicht für berechtigt, darf der Oberste Gerichtshof wegen des zwingenden Charakters des § 35 Abs 3 EO nicht auf das ausgeschlossene Vorbringen Bedacht nehmen (3 Ob 94/92).Ein vom Wortlaut des Vergleiches abweichendes übereinstimmendes Verständnis der Streitteile wäre nicht schlechthin unbeachtlich (4 Ob 522/76; 2 Ob 69/82; 1 Ob 718/86; 1 Ob 3/91 ua); hiezu ist aber nicht abschließend Stellung zu nehmen, weil die hiefür beweispflichtige klagende Partei erst in ihrem gegen die Eventualmaxime (Paragraph 35, Absatz 3, EO) verstoßenden, die Klage ergänzenden Vorbringen geltend machte, bei Vergleichsabschluß sei klar gewesen, daß lediglich eine wirtschaftliche Information über den Betrieb in Graz und nicht über das Gesamtunternehmen zu erteilen sei. Gingen die Vorinstanzen auf ein gegen die Eventualmaxime verstoßendes Vorbringen sachlich ein, hielten das Oppositionsbegehren aber dennoch nicht für berechtigt, darf der Oberste Gerichtshof wegen des zwingenden Charakters des Paragraph 35, Absatz 3, EO nicht auf das ausgeschlossene Vorbringen Bedacht nehmen (3 Ob 94/92).
Soweit die Revisionswerberin einwendet, die vereinbarte Erweiterung der Informationsrechte des Betriebsrates verstoße gegen absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht, ist sie darauf zu verweisen, daß sie mit der vorliegenden Oppositionsklage nicht den Vergleich angefochten (siehe JBl 1976, 489; JBl 1986, 777; EvBl 1992/76), sondern geltend gemacht hat, sie habe die mit dem gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung erfüllt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO in Verbindung mit Paragraph 58, Absatz eins, ASGG.
Anmerkung
E48245 08B03307European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1997:008OBA00330.97F.1030.000Dokumentnummer
JJT_19971030_OGH0002_008OBA00330_97F0000_000