TE OGH 1997/11/20 2Ob317/97z

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Veröffentlicht am 20.11.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ewald J*****, vertreten durch Dr.Lutz Hötzl und Dr.Manfred Michalek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, ***** vertreten durch Dr.Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 142.509,04 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Juni 1997, GZ 14 R 85/97s-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.Jänner 1997, GZ 25 Cg 12/95h-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes, das bezüglich des Zuspruchs von S 91.509,94 sA an den Kläger als rechtskräftig unberührt bleibt, bezüglich des Zuspruchs von S 51.000 sA und ferner im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Am 1.10.1994 streifte in Österreich ein in Ungarn zugelassener Reisebus in einer Linkskurve den wegen der schmalen Fahrbahn am rechten Rand anhaltenden, in Deutschland zugelassenen PKW des Klägers, der seinen Wohnsitz ebenfalls in Deutschland hat. Das Verschulden trifft allein den Lenker des in Ungarn zugelassenen Busses. Am PKW des Klägers wurden der vordere und hintere Kotflügel links längsseitig zerkratzt und eingedrückt; weiters wurde der linke Außenspiegel beschädigt. Die Reparaturkosten betrugen S 91.509,94.

Der Kläger begehrt den Ersatz dieser Reparaturkosten sowie im Hinblick auf die Vorschadensfreiheit seines Fahrzeuges eine merkantile Wertminderung von S 51.000, insgesamt somit S 142.509,04 sA.

Die beklagte Partei bestritt die Verpflichtung zum Ersatz einer merkantilen Wertminderung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - folgende Feststellung traf:

"Das Fahrzeug war Erstbesitz und vorschadensfrei und ergibt sich eine angemessene Wertminderung in der Höhe von S 51.000".

Diese Feststellung gründete das Erstgericht auf das Gutachten eines österreichischen Sachverständigen.

Das von der beklagten Partei im Umfang des Zuspruchs der Wertminderung von S 51.000 sA angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Rechtsfrage der merkantilen Wertminderung führte das Berufungsgericht aus, daß eine solche dadurch entstehe, daß ein repariertes Kraftfahrzeug wegen potentiell verborgen gebliebener Mängel im Verkehr geringer bewertet werde. Bei Kraftfahrzeugen ergebe sich eine Wertminderung aus der gefühlsmäßigen Abneigung des Käuferpublikums gegen wenngleich auch vollständig reparierte Kraftfahrzeuge. Die über die Reparaturkosten hinausgehende Wertminderung resultiere aus dem Verdacht unentdeckter Mängel und schlage sich in einem geminderten Verkehrswert der Sache nieder. Es handle sich dabei um einen positiven Schaden, der neben den Reparaturkosten zu ersetzen sei. Der Schädiger habe die Differenz zwischen dem Zeitwert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalles und dem Zeitpunkt im reparierten Zustand nach dem Unfall zu ersetzen.

Die in der Berufung vertretene Ansicht der beklagten Partei, es sei auf die Haltung des Käuferpublikums in der Bundesrepublik Deutschland abzustellen und es hätte dessen Verhalten durch einen deutschen Sachverständigen erforscht werden müssen, lehnte das Berufungsgericht ab. Da die Wertminderung nach objektiven Gesichtspunkten zu bemessen sei, sei der Wohnsitz des Geschädigten außerhalb Österreichs unbeachtlich, so lange - wie im vorliegenden Fall - österreichisches Recht anzuwenden sei.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht entschieden habe, nach welchen Grundsätzen die Wertminderung eines in Österreich beschädigten deutschen PKWs zu berechnen sei. Diesbezüglich sprächen auch plausible Gründe dafür, auf den Wohnort des Eigentümers des beschädigten und reparierten PKW abzustellen, weshalb die Wertminderung nach den dort gegebenen Marktverhältnissen ermittelt werden müßte.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren auf Zahlung von S 51.000 sA abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben bzw dieses als unzulässig zurückzuweisen.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, sie ist auch berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, in Deutschland werde der Minderwert von einwandfrei reparierten Kraftfahrzeugen vom Käuferpublikum anders bewertet als in Österreich. Bei der gebotenen Ermittlung der Wertminderung nach objektiven Kriterien seien auch die regionalen Marktverhältnisse zu berücksichtigen. Die Frage, ob für die Ermittlung der Wertminderung österreichische oder deutsche Marktverhältnisse heranzuziehen seien, könne nur eine Rechtsfrage sein. Die Ansicht, es sei die Höhe der Wertminderung nach österreichischen Marktverhältnissen zu beurteilen, weil österreichisches Recht anzuwenden sei, sei unrichtig. Es hätte daher der Beiziehung eines deutschen Sachverständigen bedurft.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Art 3 des Übereinkommens vom 4.5.1971, BGBl 1975/387, über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (Haager Straßenverkehrsübereinkommen) österreichisches Recht zur Anwendung kommt.Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 3, des Übereinkommens vom 4.5.1971, BGBl 1975/387, über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (Haager Straßenverkehrsübereinkommen) österreichisches Recht zur Anwendung kommt.

Nach § 1323 ABGB muß bei der Leistung des Schadenersatzes im Falle der Untunlichkeit der Naturalherstellung "der Schätzungswert vergütet werden". Dieser richtet sich gemäß § 1332 ABGB bei leichter Fahrlässigkeit nach dem gemeinen Wert, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte. Es kommt also nicht auf den Wert der Sache gerade für den Geschädigten an (subjektive Berechnung), sondern ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse auf den objektiven Verkehrswert, es hat eine objektive oder abstrakte Schadensberechnung zu erfolgen (Koziol/Welser, Grundriß10 I 459 mwN). Aus § 1332 ABGB ergibt sich aber nicht unmittelbar, welcher Ort für die Bemessung des gemeinen Wertes maßgebend ist. Bei der Feststellung der Höhe des Wertersatzes für eine bei einem Unfall im Inland beschädigte bewegliche Sache ist nach ständiger Rechtsprechung in der Regel auf den gemeinen Wert der Sache abzustellen, den diese am Wohnort des Geschädigten hat, weil der Geschädigte durch den Ersatz des Schätzungswertes der beschädigten Sache in die Lage versetzt werden soll, sich ein Ersatzstück anzuschaffen (8 Ob 194/74; 2 Ob 190/79 = IPRE 1, 66; ZVR 1987/94; für den Bereich des Schadenersatzes wegen Schlechterfüllung siehe SZ 49/37 = EvBl 1976/213; vgl auch SZ 55/67). Demgegenüber vertritt Koziol (Haftpflichtrecht I3 Rz 10/26), die Ansicht, schon der Wortlaut des § 305 ABGB spreche dafür, daß es für die Bewertung auf den Ort ankomme, an dem sich die Sache befinde, weil die Schätzung nach dem Nutzen erfolgen solle, den die Sache mit Rücksicht auf den "Ort gewöhnlich und allgemein leistet" und die Verhältnisse des Eigentümers gerade keine Rolle spielen sollen. Sei aber nicht auf den Eigentümer und auf dessen subjektive Verhältnisse abzustellen, so könne nur der Ort maßgebend sein, an dem sich das Vermögensgut befindet. Nur wenn auf diesen Ort abgestellt werde, komme es zu einer objektiv-abstrakten Berechnung es Schadens und bleibe die Situation des konkreten Eigentümers unberücksichtigt. Da der gemeine Wert der Sache gemäß § 1332 ABGB "zur Zeit der Beschädigung" zu ermitteln sei, sei der Lageort zu diesem Zeitpunkt relevant und könne daher auch keine Berücksichtigung finden, daß der Eigentümer die Sache an einen anderen Ort, etwa an seinen Wohnsitz, gebracht hätte, wäre sie nicht zerstört worden.Nach Paragraph 1323, ABGB muß bei der Leistung des Schadenersatzes im Falle der Untunlichkeit der Naturalherstellung "der Schätzungswert vergütet werden". Dieser richtet sich gemäß Paragraph 1332, ABGB bei leichter Fahrlässigkeit nach dem gemeinen Wert, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte. Es kommt also nicht auf den Wert der Sache gerade für den Geschädigten an (subjektive Berechnung), sondern ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse auf den objektiven Verkehrswert, es hat eine objektive oder abstrakte Schadensberechnung zu erfolgen (Koziol/Welser, Grundriß10 römisch eins 459 mwN). Aus Paragraph 1332, ABGB ergibt sich aber nicht unmittelbar, welcher Ort für die Bemessung des gemeinen Wertes maßgebend ist. Bei der Feststellung der Höhe des Wertersatzes für eine bei einem Unfall im Inland beschädigte bewegliche Sache ist nach ständiger Rechtsprechung in der Regel auf den gemeinen Wert der Sache abzustellen, den diese am Wohnort des Geschädigten hat, weil der Geschädigte durch den Ersatz des Schätzungswertes der beschädigten Sache in die Lage versetzt werden soll, sich ein Ersatzstück anzuschaffen (8 Ob 194/74; 2 Ob 190/79 = IPRE 1, 66; ZVR 1987/94; für den Bereich des Schadenersatzes wegen Schlechterfüllung siehe SZ 49/37 = EvBl 1976/213; vergleiche auch SZ 55/67). Demgegenüber vertritt Koziol (Haftpflichtrecht I3 Rz 10/26), die Ansicht, schon der Wortlaut des Paragraph 305, ABGB spreche dafür, daß es für die Bewertung auf den Ort ankomme, an dem sich die Sache befinde, weil die Schätzung nach dem Nutzen erfolgen solle, den die Sache mit Rücksicht auf den "Ort gewöhnlich und allgemein leistet" und die Verhältnisse des Eigentümers gerade keine Rolle spielen sollen. Sei aber nicht auf den Eigentümer und auf dessen subjektive Verhältnisse abzustellen, so könne nur der Ort maßgebend sein, an dem sich das Vermögensgut befindet. Nur wenn auf diesen Ort abgestellt werde, komme es zu einer objektiv-abstrakten Berechnung es Schadens und bleibe die Situation des konkreten Eigentümers unberücksichtigt. Da der gemeine Wert der Sache gemäß Paragraph 1332, ABGB "zur Zeit der Beschädigung" zu ermitteln sei, sei der Lageort zu diesem Zeitpunkt relevant und könne daher auch keine Berücksichtigung finden, daß der Eigentümer die Sache an einen anderen Ort, etwa an seinen Wohnsitz, gebracht hätte, wäre sie nicht zerstört worden.

Diesen Ausführungen vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Wohl ergibt sich aus § 305 ABGB, daß auf den Nutzen abzustellen ist, den die Sache gewöhnlich leistet, doch leistet gewöhnlich die Sache den Nutzen eben nicht am Ort der Beschädigung, sondern an dem Ort, wo sie gewöhnlich benützt wird. Dies ist der Ort, der in § 305 ABGB gemeint und der daher für den gemeinen Wert maßgebend ist. Auch das aus § 1332 ABGB abgeleitete Argument vermag nicht zu überzeugen. Die Frage, für welche Zeit der gemeine Wert zu ermitteln ist, hat nichts damit zu tun, welcher Ort hiefür maßgebend ist. Es ist durchaus denkbar, den Wert für die Zeit der Beschädigung unter Berücksichtigung eines anderen Ortes als den, an dem sich die Sache zu dieser Zeit befand, zu bemessen. Dies ist auch sachgerecht, weil ja der Geschädigte auf diese Weise in die Lage versetzt wird, sich ein Ersatzstück zu verschaffen, das denselben Nutzen leistet wie die beschädigte Sache gewöhnlich geleistet hat. Im übrigen sind auch die Reparaturkosten nicht nach dem Ort der Beschädigung zu bemessen. Der hier vertretenen Ansicht steht nicht entgegen, daß der Schaden objektiv-abstrakt zu berechnen ist, Es werden dabei nämlich nicht die Verhältnisse des Geschädigten, sondern jene des Fahrzeuges berücksichtigt und der Schaden wird für den danach maßgebenden Ort ohnedies objektiv-abstrakt und nicht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Geschädigten und somit subjektiv berechnet.Diesen Ausführungen vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Wohl ergibt sich aus Paragraph 305, ABGB, daß auf den Nutzen abzustellen ist, den die Sache gewöhnlich leistet, doch leistet gewöhnlich die Sache den Nutzen eben nicht am Ort der Beschädigung, sondern an dem Ort, wo sie gewöhnlich benützt wird. Dies ist der Ort, der in Paragraph 305, ABGB gemeint und der daher für den gemeinen Wert maßgebend ist. Auch das aus Paragraph 1332, ABGB abgeleitete Argument vermag nicht zu überzeugen. Die Frage, für welche Zeit der gemeine Wert zu ermitteln ist, hat nichts damit zu tun, welcher Ort hiefür maßgebend ist. Es ist durchaus denkbar, den Wert für die Zeit der Beschädigung unter Berücksichtigung eines anderen Ortes als den, an dem sich die Sache zu dieser Zeit befand, zu bemessen. Dies ist auch sachgerecht, weil ja der Geschädigte auf diese Weise in die Lage versetzt wird, sich ein Ersatzstück zu verschaffen, das denselben Nutzen leistet wie die beschädigte Sache gewöhnlich geleistet hat. Im übrigen sind auch die Reparaturkosten nicht nach dem Ort der Beschädigung zu bemessen. Der hier vertretenen Ansicht steht nicht entgegen, daß der Schaden objektiv-abstrakt zu berechnen ist, Es werden dabei nämlich nicht die Verhältnisse des Geschädigten, sondern jene des Fahrzeuges berücksichtigt und der Schaden wird für den danach maßgebenden Ort ohnedies objektiv-abstrakt und nicht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Geschädigten und somit subjektiv berechnet.

Der erkennende Senat sieht sich aus diesen Gründen nicht veranlaßt, von der zitierten Rechtsprechung abzugehen. Im fortgesetzten Verfahren wird daher die merkantile Wertminderung an dem Ort, an dem sich das Fahrzeug des Klägers gewöhnlich befand, zu ermitteln sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E48346 02A03177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0020OB00317.97Z.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19971120_OGH0002_0020OB00317_97Z0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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