TE OGH 1997/11/25 1R123/97b

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Veröffentlicht am 25.11.1997
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Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Mag. Dr. Wanke-Czerwenka und KR Bahula in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr. H*****, 2) Dr. W*****, beide vertreten durch Dr.Herwig Hammerer, Dr.Alois Autherit, Rechtsanwälte in 3500 Krems, wider die beklagte Partei O*****, vertreten durch Dr.Ernst Haderer, Dr.Karl König, Rechtsanwälte in 3400 Klosterneuburg, wegen S 28.470,- samt Nebengebühren über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 23.1.1997, GZ 6 C 2183/96i-13, nach öffentlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei deren mit S 7.438,46 (darin S 1.239,74 USt) bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde das Begehren auf Zahlung von S 28.470,- samt 4 % Zinsen seit 11.7.1996 abgewiesen. Die dazu vom Erstgericht auf Seite 4 bis 5 der Entscheidung getroffenen Feststellungen, auf welche zur Vermeidung von Weitläufigkeiten verwiesen wird, beurteilte das Erstgericht rechtlich wie folgt: Die Streitteile haben einen Pauschalreisevertrag abgeschlossen, bei dem die Beklagte bzw. ihr Erfüllungsgehilfe durch Verzögerung des Abflugs mit der Leistung in Verzug geraten sei. § 918 Abs. 1 ABGB statuiere eine Rücktrittsmöglichkeit. Habe allerdings der Gläubiger die Leistung einmal als Erfüllung angenommen, stünden ihm nur mehr Gewährleistungsansprüche zu. Im vorliegenden Fall haben die Kläger die Reise angetreten. Eine Verzögerung des Abflugs um drei Stunden sei im internationalen Flugverkehr als üblich anzusehen und stelle keinen Mangel dar, der zur Wandlung berechtige. Der Mangel sei auch nicht wesentlich und unbehebbar. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts sei gemäß § 918 Abs.1 ABGB eine Nachfrist zu setzen. Dieser Voraussetzung seien die Kläger nicht nachgekommen, wobei anzumerken sei, daß die Nachfristsetzung von zweieinhalb Stunden unangemessen kurz sei.Mit dem angefochtenen Urteil wurde das Begehren auf Zahlung von S 28.470,- samt 4 % Zinsen seit 11.7.1996 abgewiesen. Die dazu vom Erstgericht auf Seite 4 bis 5 der Entscheidung getroffenen Feststellungen, auf welche zur Vermeidung von Weitläufigkeiten verwiesen wird, beurteilte das Erstgericht rechtlich wie folgt: Die Streitteile haben einen Pauschalreisevertrag abgeschlossen, bei dem die Beklagte bzw. ihr Erfüllungsgehilfe durch Verzögerung des Abflugs mit der Leistung in Verzug geraten sei. Paragraph 918, Absatz eins, ABGB statuiere eine Rücktrittsmöglichkeit. Habe allerdings der Gläubiger die Leistung einmal als Erfüllung angenommen, stünden ihm nur mehr Gewährleistungsansprüche zu. Im vorliegenden Fall haben die Kläger die Reise angetreten. Eine Verzögerung des Abflugs um drei Stunden sei im internationalen Flugverkehr als üblich anzusehen und stelle keinen Mangel dar, der zur Wandlung berechtige. Der Mangel sei auch nicht wesentlich und unbehebbar. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts sei gemäß Paragraph 918, Absatz , ABGB eine Nachfrist zu setzen. Dieser Voraussetzung seien die Kläger nicht nachgekommen, wobei anzumerken sei, daß die Nachfristsetzung von zweieinhalb Stunden unangemessen kurz sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts. Beantragt wird die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn. Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Entgegen der Auffassung der Berufungswerber ist das Erstgericht zu

Recht davon ausgegangen, daß die Kläger die von ihnen gebuchte

Pauschalreise bereits angetreten haben. Insbesondere in der deutschen

Judikatur wird der Reisebeginn verschiedentlich definiert, da § 651i

BGB auf den Reisebeginn abstellt. Reisebeginn liegt demnach dann vor,

wenn die beim Reiseveranstalter erworbenen Leistungen in Anspruch

genommen werden, d.h. bei einer Flugreise die mit dem Abflug

verbundenen Handlungen der Ticketkontrolle, Gepäckaufgabe etc. (LG

Hannover 30.1.1986 - 3 S 304/85 = NJW-RR 1986, 602 = Nies/Traut,

Reiserecht, Abflug-Verzögerung (1)). Schon mit dem Aushändigen der

Bordkarte und der Aufgabe des Gepäcks wird somit der Reisebeginn

angenommen (LG Stuttgart 27.2.1991 - 13 S 458/90 = TranspR 1991, 349

und 1991, 450 = Nies/Traut aaO, Abflug-Verzögerung (2)).

Im vorliegenden Fall hatten die Kläger nicht nur eingecheckt, vielmehr saßen sie bereits in der für den Abflug vorgesehenen Maschine.

Ein Mangel der Reise, der zur Wandlung berechtigen würde, ist jedoch in einer Abflugverspätung von dreieinviertel Stunden nicht zu sehen.

Gerade beim Massentourismus im Zusammenhang mit Pauschalreisen, bei

denen eine für den Kunden möglichst günstige Preisgestaltung erzielt

werden soll, müssen vom Reisenden nicht unerhebliche

Zeitverschiebungen, jedenfalls aber Flugverspätungen von etwa drei

Stunden beim Hinflug hingenommen werden (LG Hannover 30.1.1986; AG

Düsseldorf 19.12.1990 - 52 C 692/90 = MDR 1991, 839 = Nies/Traut aaO,

Flugverspätung (2)). So werden auch im Sinne der Frankfurter Tabelle

erst Verspätungen von über vier Stunden als ein eine Preisminderung

rechtfertigender Mangel angesehen (Tabelle des LG Frankfurt, NJW

1985, 115; LG Münster 28.11.1991 - 8 S 124/91 = MDR 1992, 450 =

Nies/Traut aaO, Flugverspätung (4)). Änderungen der Flugzeiten aus

Sicherheitsgründen (z.B. Wetter, Technik) sind schließlich als

zulässig zu erachten (LG Frankfurt 17.10.1988 - 2/24 S 364/87 =

NJW-RR 1989, 48 = TranspR 1989, 48 = Nies/Traut aaO,

Flugzeitänderung). Ein Wandlungsrecht der Kläger ist folglich jedenfalls zu verneinen.

Als unberechtigt wäre auch ein Rücktritt vom Vertrag anzusehen, wollte man davon ausgehen, daß die Reise noch nicht angetreten gewesen sei.

In diesem Zusammenhang verweisen die Kläger auf den Charakter der Reise als relatives Fixgeschäft. Ruhwedel (Der Luftbeförderungsvertrag2, 161) verweist mit Verweisen auf die deutsche Literatur auf den Charakter des Reisevertrags bzw. Luftbeförderungsvertrags bei Personenbeförderung als absolutes Fixgeschäft. Zechner (Reisevertragsrecht Rz 260) spricht von einem relativen Fixgeschäft, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Leistungshandlung an sich auch nach der vereinbarten Zeit möglich bleibt. Danach ist das Fixgeschäft charakterisiert durch die Festsetzung eines Zeitraumes für die Leistung und den Parteiwillen, wonach die Leistung außerhalb der vereinbarten Zeit nicht als Erfüllung angesehen wird. Auch nach Fischer-Czermak (JBl 1997, 279) handelt es sich bei den meisten Reiseveranstaltungen um ein relatives Fixgeschäft. In Bezug auf die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen spricht auch der OGH in ÖJZ 1990/63 = IPRE 3/177 von einem relativen Fixgeschäft im Sinne des § 919 Satz 2 ABGB, weil Natur und Zweck der vereinbarten Flugtermine schon im allgemeinen entnehmen lassen, daß der Gläubiger (hier Fluggast) an einer verspäteten Leistung kein Interesse hat (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10, 249; Reischauer in Rummel I2, Rz 7 zu § 919).In diesem Zusammenhang verweisen die Kläger auf den Charakter der Reise als relatives Fixgeschäft. Ruhwedel (Der Luftbeförderungsvertrag2, 161) verweist mit Verweisen auf die deutsche Literatur auf den Charakter des Reisevertrags bzw. Luftbeförderungsvertrags bei Personenbeförderung als absolutes Fixgeschäft. Zechner (Reisevertragsrecht Rz 260) spricht von einem relativen Fixgeschäft, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Leistungshandlung an sich auch nach der vereinbarten Zeit möglich bleibt. Danach ist das Fixgeschäft charakterisiert durch die Festsetzung eines Zeitraumes für die Leistung und den Parteiwillen, wonach die Leistung außerhalb der vereinbarten Zeit nicht als Erfüllung angesehen wird. Auch nach Fischer-Czermak (JBl 1997, 279) handelt es sich bei den meisten Reiseveranstaltungen um ein relatives Fixgeschäft. In Bezug auf die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen spricht auch der OGH in ÖJZ 1990/63 = IPRE 3/177 von einem relativen Fixgeschäft im Sinne des Paragraph 919, Satz 2 ABGB, weil Natur und Zweck der vereinbarten Flugtermine schon im allgemeinen entnehmen lassen, daß der Gläubiger (hier Fluggast) an einer verspäteten Leistung kein Interesse hat (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10, 249; Reischauer in Rummel I2, Rz 7 zu Paragraph 919,).

Zutreffend ist, daß bei einem Fixgeschäft der Rücktritt nicht erklärt werden muß, das Geschäft fällt automatisch weg, allein der Verzug führt somit zum Zerfall des Geschäfts (Reischauer aaO, Rz 3 zu § 919; Zechner aaO, Rz 260).Zutreffend ist, daß bei einem Fixgeschäft der Rücktritt nicht erklärt werden muß, das Geschäft fällt automatisch weg, allein der Verzug führt somit zum Zerfall des Geschäfts (Reischauer aaO, Rz 3 zu Paragraph 919 ;, Zechner aaO, Rz 260).

Zu berücksichtigen sind nun einerseits die obangeführten Phänomene des Massentourismus, die ebenso allgemein bekannt sind wie der Umstand, daß es im Flugverkehr aus technischen oder witterungsbedingten Gründen zu Verzögerungen kommen kann und andererseits der Umstand, daß der Flug nur einen Teil des Leistungspaketes im Rahmen des Reiseveranstaltungsvertrags (§ 31b Abs.2 Z 1 KschG) darstellt. Der erkennbare Zweck der gebuchten Reise ist der mehrtägige Aufenthalt in Malta, wobei die Ankunft für den Abend des 23.6.1996 vorgesehen war. Daß die Kläger an einem noch am vorgesehenen Abend erfolgenden Abflug kein Interesse mehr gehabt hätten, ließ sich in Ansehung von Reisedauer und Zweck weder aus diesen noch aus der Natur des Geschäfts entnehmen. Anders könnte es sein, wenn die Verspätung beim Abflug über den vorgesehenen Abflugtag hinausginge. Nach Treu und Glauben bezog sich der Parteiwille, wonach die Leistung außerhalb des fest bestimmten Reisezeitraums nicht als Erfüllung angesehen würde, somit auf die Tage, nicht aber die exakten Stunden und Minuten der Reiseleistung.Zu berücksichtigen sind nun einerseits die obangeführten Phänomene des Massentourismus, die ebenso allgemein bekannt sind wie der Umstand, daß es im Flugverkehr aus technischen oder witterungsbedingten Gründen zu Verzögerungen kommen kann und andererseits der Umstand, daß der Flug nur einen Teil des Leistungspaketes im Rahmen des Reiseveranstaltungsvertrags (Paragraph 31 b, Absatz , Ziffer eins, KschG) darstellt. Der erkennbare Zweck der gebuchten Reise ist der mehrtägige Aufenthalt in Malta, wobei die Ankunft für den Abend des 23.6.1996 vorgesehen war. Daß die Kläger an einem noch am vorgesehenen Abend erfolgenden Abflug kein Interesse mehr gehabt hätten, ließ sich in Ansehung von Reisedauer und Zweck weder aus diesen noch aus der Natur des Geschäfts entnehmen. Anders könnte es sein, wenn die Verspätung beim Abflug über den vorgesehenen Abflugtag hinausginge. Nach Treu und Glauben bezog sich der Parteiwille, wonach die Leistung außerhalb des fest bestimmten Reisezeitraums nicht als Erfüllung angesehen würde, somit auf die Tage, nicht aber die exakten Stunden und Minuten der Reiseleistung.

Davon, daß das gemischte Geschäft allein aufgrund der gegebenen Flugverzögerung zerfallen wäre, kann folglich nicht gesprochen werden. Selbst wenn man somit von einem Verzug der Beklagten mit der Transportlieferung ausginge, wäre es an den Klägern gelegen, wollten diese nicht unbegrenzt zuwarten, unter Nachfristsetzung den Rücktritt zu erklären, zumindest aber nach Rücktrittserklärung (JBl 1988, 241; JBl 1988, 447) eine angemessene Nachfrist verstreichen zu lassen und die Annahmebereitschaft zu bekunden (Zechner aaO, Rz 348). Eine Nachfristsetzung erübrigt sich nur dann, wenn festgestellt ist, daß die Beklagte auch nicht in angemessener Frist erfüllen würde (Zechner aaO, 348; JBl 1988, 241). Dies war jedoch hier nicht der Fall. Die Angemessenheit der Nachfrist hat sich nach dem Einzelfall zu richten, wobei auch der bis zur Rücktrittserklärung verstrichene Zeitraum zu berücksichtigen ist. In Ansehung des den Klägern bekannten Umstandes des Vorliegens eines technischen Gebrechens und der obdargestellten Situation im Massentourismus erweist sich die gewährte Nachfrist insgesamt jedoch als zu kurz.

Ein Reiseveranstaltungsvertrag (Reisevertrag) ist ein mit Geschäftsbesorgung verbundener Werkvertrag (Krejci in Rummel I2, Rz 55 zu §§ 1165f mwN). Nach § 1168 ABGB gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt und der Unternehmer zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen dadurch gehindert worden, daß die Kläger den Flughafen verließen. Die Beklagte als Unternehmer hat folglich Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, weshalb sich der entsprechende Rückforderungsanspruch der Kläger und demzufolge auch der Anspruch auf Ersatz von Fahrtkosten und Parkhausgebühren als verfehlt erweist.Ein Reiseveranstaltungsvertrag (Reisevertrag) ist ein mit Geschäftsbesorgung verbundener Werkvertrag (Krejci in Rummel I2, Rz 55 zu Paragraphen 1165 f, mwN). Nach Paragraph 1168, ABGB gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt und der Unternehmer zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen dadurch gehindert worden, daß die Kläger den Flughafen verließen. Die Beklagte als Unternehmer hat folglich Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, weshalb sich der entsprechende Rückforderungsanspruch der Kläger und demzufolge auch der Anspruch auf Ersatz von Fahrtkosten und Parkhausgebühren als verfehlt erweist.

Der Berufung war folglich der Erfolg zu versagen.

Die Kostententscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostententscheidung beruht auf Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Die Unzulässigkeit der Revision ergibt sich aus § 502 Abs.2 ZPO.Die Unzulässigkeit der Revision ergibt sich aus Paragraph 502, Absatz , ZPO.

Anmerkung

EWH00021 01R01237

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00007:1997:00100R00123.97B.1125.000

Dokumentnummer

JJT_19971125_LG00007_00100R00123_97B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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