TE OGH 1997/11/26 9ObA239/97f

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Veröffentlicht am 26.11.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Edith Söllner und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sieglinde W*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Karin Sprachmann ua, Sekretäre der Gewerkschaft der Privatangestellten in Graz, wider die beklagte Partei C***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rainer H. Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3.975,49 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Februar 1997, GZ 8 Ra 204/96y-13, womit das Urteil des Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.März 1996, GZ 38 Cga 132/95i - 9, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens als unangefochten von dieser Entscheidung unberührt bleiben, werden im Umfang des noch streitverfangenen Anspruchs von S 3.975,45 brutto samt 4% Zinsen ab 30. 9. 1995 und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Rahmen an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin war von 2. 5. 1975 bis 30. 9. 1995 bei der Beklagten beschäftigt; das Arbeitsverhältnis endete (wegen Betriebsschließung) durch Arbeitgeberkündigung. Die Klägerin bezog zuletzt ein Gehalt von S 19.688 brutto monatlich (15 mal jährlich). Ihr wurden die Sonderzahlungen für das gesamte Jahr 1995 ausgezahlt. Ferner erhielt sie eine Urlaubsentschädigung für 21 Urlaubstage von S 16.456,86 brutto, bei deren Berechnung die anteiligen Sonderzahlungen nicht berücksichtigt wurden. Unter Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen wäre die Urlaubsentschädigung um S 3.975,49 brutto höher.

Mit dem Vorbringen, die Sonderzahlungen seien in die Berechnung der Urlaubsentschädigung einzubeziehen, begehrt die Klägerin den eben genannten Differenzbetrag.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Da die Sonderzahlungen für das gesamte Jahr bereits ausgezahlt worden seien, käme ihre Einbeziehung einer Verdoppelung der auf die Urlaubsentschädigung entfallenden Sonderzahlungsanteile gleich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Dienstgeber habe als Urlaubsentschädigung ein Entgelt in der Höhe zu zahlen, die das bei Verbrauch des Urlaubs in natura zu zahlende Entgelt gehabt hätte. Da hier bei Naturalverbrauch des Urlaubs durch die Klägerin keine weiteren Sonderzahlungen mehr angefallen wären, sondern der Urlaubszeitraum durch die bereits freiwillig bis Jahresende berechneten Sonderzahlungen abgedeckt gewesen sei, stünden ihr im Rahmen der Urlaubsentschädigung keine weiteren Sonderzahlungen mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Abweisung eines 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens und änderte es im übrigen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Höhe der Urlaubsentschädigung orientiere sich an jenem Urlaubsentgelt, das bei (hypothetisch) noch aufrechtem Dienstverhältnis (nach dessen tatsächlicher Beendigung) in der Dauer des zu entschädigenden Urlaubs gebührt hätte. Ergebe sich aus individual- oder kollektivrechtlichen Normen nichts anderes, seien die Entgeltansprüche einschließlich der Sonderzahlungsansprüche mit dem Dienstverhältnis zeitlich begrenzt. Diesfalls müßten in die für die Berechnung der Urlaubsentschädigung angenommene hypothetische Verlängerung des Dienstverhältnisses und der daraus resultierenden (Urlaubs-)Entgeltansprüche die anteiligen Sonderzahlungen einbezogen werden; dies schon deshalb, weil allfällige früher ausgezahlte Sonderzahlungen, die für einen Zeitraum nach Beendigung des Dienstverhältnisses bestimmt seien, unter dem Titel der Bereicherung zurückgefordert werden könnten, wenn sich nichts anderes aus individual- oder kollektivrechtlichen Normen ergebe. Eine solche Rückforderbarkeit sei der Normfall. Wer sich auf abweichende Regelungen stütze, müsse sie behaupten und beweisen. In diesem Sinne lehne Mayr (Adametz/Basalka/Mayr/Stummvoll, Kommentar zum Urlaubsgesetz 111) eine Einbeziehung von Sonderzahlungen in den Urlaubsentschädigungsanspruch nur ab, wenn für einen über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinausgehenden Zeitraum Sonderzahlungen geleistet worden seien und eine Rückforderung nicht möglich sei. Die Beklagte hätte daher behaupten und beweisen müssen, daß ihr eine Rückforderung der Sonderzahlungen nicht möglich sei; da sie diesen Beweis nicht angetreten habe, wirke sich der Anspruch der Klägerin auf Sonderzahlungen in der begehrten Erhöhung der Urlaubsentschädigung aus. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die hier zu lösende Rechtsfrage von erheblicher allgemeiner Bedeutung sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des noch offenen Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des in ihrem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages (SZ 48/19; Ris-Justiz RS0041774) berechtigt.

Der Anspruch auf Urlaubsentschädigung ist ein selbständiger

Erfüllungsanspruch (Kuderna, UrlG § 9 Rz 3 mwN, SZ 68/213), der

darauf gerichtet ist, die in natura nicht mehr erfüllbaren

Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers  in Ansehung des Urlaubsentgelts

zu wahren (SZ 52/75 = Arb 9.781 = DRdA 1981, 239 [Jabornegg] = EvBl

979/203 = IndS 1979, 1150 = JBl 1980, 439 = ZAS 1980/3 [Schrank], Arb

10.143 = EvBl 1982/189, Arb 10.275 = JBl 1985, 251 = RdW 1984, 116,

WBl 1988, 371, ARD 4808/33/97). Nach der einhelligen Rechtsprechung

des Obersten Gerichtshofes umfaßt das Urlaubsentgelt - und damit die

im vollen Ausmaß des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes zustehende

Urlaubsentschädigung - nicht nur laufende Bezüge im Sinn von während

des Urlaubs fortzuzahlenden Bezügen, sondern auch die zu einem

bestimmten Zeitpunkt fällig werdenden, auf die Zeit des nicht

verbrauchten Urlaubs entfallenden Anteile an Sonderzahlungen (SZ

52/75 = Arb 9.781 = DRdA 1981, 239 [Jabornegg] = EvBl 1979/203 = IndS

1979, 1150 = JBl 1980, 439 = ZAS 1980/3 [Schrank]; SZ 61/254; SZ

63/191 = ecolex 1991,115 = RdW 1991, 150; zuletzt - in Verfahren, an

denen die hier Beklagte beteiligt war - 9 ObA 75/97p = ecolex

1997,687; 9 ObA 80/97y und 8 ObA 78/97x).

Die hier zu beurteilende Frage, ob auch dann anteilige Sonderzahlungen bei der Berechnung der Urlaubsentschädigung zu berücksichtigen sind, wenn das Dienstverhältnis im Laufe des Jahres endet, die Sonderzahlungen aber bereits für das gesamte Jahr ausgezahlt wurden, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, weil die näheren Umstände der Zahlung der auf die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden Sonderzahlungen - insbesondere die Rechtsgrundlage dieser Zahlungen und allenfalls maßgebende einzel- oder kollektivvertragliche Normen - völlig ungeklärt sind. Das Erstgericht qualifizierte diese Zahlung - ohne sich allerdings auf entsprechende Feststellungen oder auch nur Behauptungen stützen zu können - als "freiwillige" Leistung der Beklagten. Demgegenüber verwies die Klägerin (erstmals) in ihrer Berufung auf eine der Zahlung zugrunde liegende Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 4 und § 109 ArbVG und - hinsichtlich der Urlaubsbeihilfe - auf kollektivvertragliche Normen. Die Beklagte nahm zu diesem Vorbringen in der Berufungsbeantwortung inhaltlich nicht Stellung, brachte aber vor, niemals die "Freiwilligkeit" der in Rede stehenden Zahlungen behauptet zu haben. Damit sind die näheren Umstände der über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus geleisteten Sonderzahlungen völlig ungeklärt, sodaß eine abschließende Beurteilung der Sache nicht möglich ist. Aus (nicht näher begründeten) Regel - Ausnahme - Verhältnissen abgeleitete Behauptungs- und Beweislastregeln, wie sie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Frage der Rückforderbarkeit der in Rede stehenden Zahlungen ableitete - können die notwendigen Klarstellungen nicht ersetzen.Die hier zu beurteilende Frage, ob auch dann anteilige Sonderzahlungen bei der Berechnung der Urlaubsentschädigung zu berücksichtigen sind, wenn das Dienstverhältnis im Laufe des Jahres endet, die Sonderzahlungen aber bereits für das gesamte Jahr ausgezahlt wurden, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, weil die näheren Umstände der Zahlung der auf die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden Sonderzahlungen - insbesondere die Rechtsgrundlage dieser Zahlungen und allenfalls maßgebende einzel- oder kollektivvertragliche Normen - völlig ungeklärt sind. Das Erstgericht qualifizierte diese Zahlung - ohne sich allerdings auf entsprechende Feststellungen oder auch nur Behauptungen stützen zu können - als "freiwillige" Leistung der Beklagten. Demgegenüber verwies die Klägerin (erstmals) in ihrer Berufung auf eine der Zahlung zugrunde liegende Betriebsvereinbarung gemäß Paragraph 97, Absatz eins, Ziffer 4 und Paragraph 109, ArbVG und - hinsichtlich der Urlaubsbeihilfe - auf kollektivvertragliche Normen. Die Beklagte nahm zu diesem Vorbringen in der Berufungsbeantwortung inhaltlich nicht Stellung, brachte aber vor, niemals die "Freiwilligkeit" der in Rede stehenden Zahlungen behauptet zu haben. Damit sind die näheren Umstände der über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus geleisteten Sonderzahlungen völlig ungeklärt, sodaß eine abschließende Beurteilung der Sache nicht möglich ist. Aus (nicht näher begründeten) Regel - Ausnahme - Verhältnissen abgeleitete Behauptungs- und Beweislastregeln, wie sie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Frage der Rückforderbarkeit der in Rede stehenden Zahlungen ableitete - können die notwendigen Klarstellungen nicht ersetzen.

Verfahren und Feststellungen erweisen sich daher als ergänzungsbedürftig, wobei es zur Schaffung der erforderlichen Tatsachengrundlage einer Verhandlung erster Instanz bedarf, in der das Erstgericht den Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern und sie zu zweckdienlichem Vorbringen anzuleiten haben wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E48469 09B02397

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:009OBA00239.97F.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19971126_OGH0002_009OBA00239_97F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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