TE OGH 1997/12/2 10ObS416/97t

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Veröffentlicht am 02.12.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Hermann Weber und Ing.Mag.Dr.Gustav Liebhart (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Arno E*****, Pensionist, derzeit *****, geriatrische Abteilung des Landeskrankenhauses *****, vertreten durch Dr.Gottfried Hammerschlag und Dr.Wilehlm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. September 1997, GZ 8 Rs 148/97i-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12.März 1997, GZ 32 Cgs 110/96z-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1.4.1996 Pflegegeld in Höhe der Stufe 4 nach dem Bundespflegegeldgesetz im Ausmaß von monatlich S 8.535 zu gewähren. Das Mehrbegehren auf Leistung eines höheren Pflegegeldes, insbesondere eines solchen der Stufe 5 im Ausmaß von S 11.591 monatlich wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat die Verfahrenskosten aller drei Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 31.3.1936 geborene Kläger erlitt im April 1996 einen Schlaganfall mit nachfolgender halbseitiger Lähmung rechts. Er leidet an einer motorischen Aphasie, die einem Sprachverlust gleichzusetzen ist. Eine Verständigung mit ihm ist jedoch möglich, da eine Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit nicht vorliegt. Der Kläger muß gewaschen werden, beim Be- und Entkleiden ist überwiegend Fremdhilfe notwendig. Ein entsprechend vorbereitetes und zerkleinertes Essen kann er eigenhändig zu sich nehmen, auch Rasieren und Zähneputzen ist ihm möglich. Der Kläger ist aber zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen, da er weder steh- noch gehfähig ist. Er ist in der Lage, sich vom und in den Rollstuhl (Rollwagen) selbst zu transferieren und kann auch stundenweise alleingelassen werden. Es besteht jedoch bei ihm ein kompletter Funktionsausfall der rechten oberen und unteren Extremitäten und eine Funktionsbeeinträchtigung der linken oberen und unteren Extremitäten. Beim An- und Auskleiden, beim Aufsuchen der Toilette und bei der Körperpflege kann der Kläger nur "spurenweise" mithelfen, so daß er hier dauernd Hilfe benötigt. Ein Katheter ist nach der Operation, die zwischenzeitig erfolgt ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr notwendig.

Mit Bescheid der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 7.6.1996 wurde dem Kläger aufgrund seines Antrages vom 5.4.1996 ab 1.4.1996 ein Pflegegeld nach dem BPGG in Höhe der Stufe 4 von monatlich S 8.535 gewährt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Zahlung eines höheren Pflegegeldes gerichtete Klage.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Einstufung richtig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dahin statt, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger das Pflegegeld der Stufe 5 nach dem BPGG im Ausmaß von monatlich S 11.591 ab 1.4.1996 zu zahlen. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß gemäß § 4 Abs 3 BPGG iVm § 8 Einstufungsverordnung (EinstV) für Personen, die auf den Gebrauch des Rollstuhls angewiesen seien und einen deutlichen Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten aufweisen, ohne weitere Prüfung ein Pflegebedarf von mehr als 180 Stunden monatlich und ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand anzunehmen sei. Dies entspreche einem Pflegegeld der Stufe 5.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dahin statt, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger das Pflegegeld der Stufe 5 nach dem BPGG im Ausmaß von monatlich S 11.591 ab 1.4.1996 zu zahlen. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß gemäß Paragraph 4, Absatz 3, BPGG in Verbindung mit Paragraph 8, Einstufungsverordnung (EinstV) für Personen, die auf den Gebrauch des Rollstuhls angewiesen seien und einen deutlichen Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten aufweisen, ohne weitere Prüfung ein Pflegebedarf von mehr als 180 Stunden monatlich und ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand anzunehmen sei. Dies entspreche einem Pflegegeld der Stufe 5.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Voraussetzung "deutlicher Ausfall der oberen Extremitäten" sei bereits dann anzunehmen, wenn ein Arm praktisch gebrauchsunfähig sei. Daher erfülle der Kläger die Voraussetzungen für ein Pflegegeld der Stufe 5, nämlich einen Pflegebedarf von mehr als 180 Stunden im Monat und das Erfordernis eines außergewöhnlichen Pflegeaufwandes.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung insoweit, als dem Kläger ein höheres Pflegegeld als ein solches der Stufe 4 zugesprochen wurde.

Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidend für die Einstufung des Klägers nach § 4 Abs 2 BPGG ist nach der bereits zitierten Bestimmung des § 8 Z 3 EinstV, ob ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten gegeben ist. Diese Anspruchsvoraussetzung kann, wie der Senat wiederholt dargelegt hat (10 ObS 87/97k, 10 ObS 128/97i, 10 ObS 173/97g, 10 ObS 266/97h, 10 ObS 241/97g und 10 ObS 292/97g), auch dann angenommen werden, wenn zwar nur ein Arm gelähmt, das heißt praktisch gebrauchsunfähig ist, der (die) Betroffene jedoch nicht mehr in der Lage ist, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt. Ist der (die) Betroffene wegen des Ausfalls der Funktionen auch nur einer oberen Extremität dazu nicht mehr in der Lage, dann sind die Voraussetzungen nach § 8 Z 3 EinstV anzunehmen. Auch § 22 Abs 4 der Richtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (SozSi 1994, 686 - Amtliche Verlautbarung Nr 120/1994) hält einen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich und einen außergewöhnlichen Pflegeaufwand (also die Pflegegeldstufe 5) dann für gegeben, wenn "der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl wegen eines deutlichen Ausfalles der Funktionen der oberen Extremitäten nicht mehr möglich ist." Der Senat hält diese Umschreibung für sachgerecht und legt § 8 Z 3 EinstV in diesem Sinn aus (so auch 10 ObS 128/97i, 10 ObS 241/97g; 10 ObS 292/97g). Ist jedoch die betroffene Person trotz des deutlichen Ausfalls von Funktionen einer oberen Extremität noch in der Lage, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, ist also mit anderen Worten der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl noch möglich, dann sind die Voraussetzungen nach § 8 Z 3 EinstV nicht erfüllt (10 ObS 292/97g).Entscheidend für die Einstufung des Klägers nach Paragraph 4, Absatz 2, BPGG ist nach der bereits zitierten Bestimmung des Paragraph 8, Ziffer 3, EinstV, ob ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten gegeben ist. Diese Anspruchsvoraussetzung kann, wie der Senat wiederholt dargelegt hat (10 ObS 87/97k, 10 ObS 128/97i, 10 ObS 173/97g, 10 ObS 266/97h, 10 ObS 241/97g und 10 ObS 292/97g), auch dann angenommen werden, wenn zwar nur ein Arm gelähmt, das heißt praktisch gebrauchsunfähig ist, der (die) Betroffene jedoch nicht mehr in der Lage ist, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt. Ist der (die) Betroffene wegen des Ausfalls der Funktionen auch nur einer oberen Extremität dazu nicht mehr in der Lage, dann sind die Voraussetzungen nach Paragraph 8, Ziffer 3, EinstV anzunehmen. Auch Paragraph 22, Absatz 4, der Richtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (SozSi 1994, 686 - Amtliche Verlautbarung Nr 120/1994) hält einen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich und einen außergewöhnlichen Pflegeaufwand (also die Pflegegeldstufe 5) dann für gegeben, wenn "der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl wegen eines deutlichen Ausfalles der Funktionen der oberen Extremitäten nicht mehr möglich ist." Der Senat hält diese Umschreibung für sachgerecht und legt Paragraph 8, Ziffer 3, EinstV in diesem Sinn aus (so auch 10 ObS 128/97i, 10 ObS 241/97g; 10 ObS 292/97g). Ist jedoch die betroffene Person trotz des deutlichen Ausfalls von Funktionen einer oberen Extremität noch in der Lage, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, ist also mit anderen Worten der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl noch möglich, dann sind die Voraussetzungen nach Paragraph 8, Ziffer 3, EinstV nicht erfüllt (10 ObS 292/97g).

Nach den Feststellungen ist der Kläger noch in der Lage, sich von selbst, also ohne fremde Hilfe vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, also sich selbständig in und aus dem Rollstuhl zu transferieren. Eine diagnosebezogene Einstufung nach § 8 Z 3 EinstV kommt daher nicht in Betracht. Unbestritten ist, daß der Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt. Für das Erfordernis eines außergewöhnlichen Pflegeaufwandes, der nach § 6 EinstV funktionsbezogen dann vorliegt, wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist, fehlen entsprechende Anhaltspunkte. Damit liegen aber die Voraussetzungen für ein höheres als das von der beklagten Partei anerkannte Pflegegeld der Stufe 4 nicht vor.Nach den Feststellungen ist der Kläger noch in der Lage, sich von selbst, also ohne fremde Hilfe vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, also sich selbständig in und aus dem Rollstuhl zu transferieren. Eine diagnosebezogene Einstufung nach Paragraph 8, Ziffer 3, EinstV kommt daher nicht in Betracht. Unbestritten ist, daß der Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt. Für das Erfordernis eines außergewöhnlichen Pflegeaufwandes, der nach Paragraph 6, EinstV funktionsbezogen dann vorliegt, wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist, fehlen entsprechende Anhaltspunkte. Damit liegen aber die Voraussetzungen für ein höheres als das von der beklagten Partei anerkannte Pflegegeld der Stufe 4 nicht vor.

In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da dem Kläger lediglich die dem angefochtenen Bescheid entsprechende Leistung zuerkannt wurde, ist von einem vollständigen Unterliegen imgerichtlichen Verfahren auszugehen. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG. Da dem Kläger lediglich die dem angefochtenen Bescheid entsprechende Leistung zuerkannt wurde, ist von einem vollständigen Unterliegen imgerichtlichen Verfahren auszugehen. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

Anmerkung

E48500 10C04167

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:010OBS00416.97T.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19971202_OGH0002_010OBS00416_97T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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