TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/12 2003/03/0282

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Veröffentlicht am 12.09.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KflG 1999 §14 Abs1;
KflG 1999 §14 Abs2;
KflG 1999 §14 Abs3;
KflG 1999 §14 Abs4;
KflG 1999 §7 Abs1 Z4 litb;
KflG 1999 §7 Abs1 Z4 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Schneider & Schneider Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stephansplatz 8a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 24. September 2003, Zl 248.933/12-II/ST7/2003, betreffend Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession (mitbeteiligte Partei: H GmbH in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 19. September 2002 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Konzession zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der geplanten internationalen Kraftfahrlinie Wien - Kardjali (Bulgarien).

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2002 teilte die belangte Behörde ua der Beschwerdeführerin (Inhaberin einer Konzession zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Wien - Sofia) mit, dass um diese Konzession angesucht worden sei und ersuchte um Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen ("widrigenfalls Zustimmung angenommen" werde) insbesondere dazu, ob ein zusätzliches Verkehrsbedürfnis als vorhanden erachtet werde bzw ob das Unternehmen auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderlaufe. Sollten Einwendungen gemäß § 7 Abs 1 Z 4 lit b des Kraftfahrliniengesetzes, BGBl I Nr 203/1999 (KflG), erhoben werden, sei "die Höhe des zu erwartenden Fahrgast- und des damit verbundenen Einnahmenausfalls bekannt zu geben und letzterer zu den Gesamteinnahmen der betroffenen Linie ins Verhältnis zu setzen".

Die Beschwerdeführerin nahm zum Antrag mit Schreiben vom 28. Oktober 2002 Stellung und erhob Einwendungen dahin, dass die zusätzliche Linie zu einer einschneidenden Gefährdung ihrer Linie führen würde. Die beantragte Kraftfahrlinie (Streckenlänge von Wien nach Kardjali insgesamt 1.358 km) verlaufe im Streckenabschnitt Wien - Sofia (Streckenlänge 1.075 km, also 79,16 % der Gesamtstrecke) streckengleich zu der von der Beschwerdeführerin geführten Kraftfahrlinie Wien - Sofia. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2001 auf dieser Linie 17.056 Fahrgäste befördert und dabei "Verkehrseinnahmen nach Abzug der Vertriebskosten" in Höhe von ATS 6,387.412,-- erzielt. Es sei davon auszugehen, dass etwa 8.528 Fahrgäste (50 %) "auf die neue Linie übergehen werden", sodass mit Mindereinnahmen von 50 % zu rechnen sei. Eine allfällige Hintanhaltung unzulässiger Konkurrenzierung durch bescheidmäßige Erteilung von Auflagen scheitere schon daran, dass solche Konzessionsbeschränkungen "in Drittstaaten behördlicherseits nicht exekutiert" würden und ihnen daher auch nicht Folge geleistet würde.

Diesen Einwendungen trat die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2003 entgegen: Der behauptete einschneidende Einnahmenausfall stelle lediglich eine Vermutung dar, zumal sowohl Abfahrtsort als auch -zeit "in einem ausreichenden Abstand zur bestehenden Linie" gewählt worden seien. Die von der Beschwerdeführerin genannten Einnahmen würden bezweifelt, weil sich ausgehend von 17.056 Fahrgästen und einem von der mitbeteiligten Partei erhobenen Fahrkartenpreis von EUR 75,-- ein Umsatz in der Höhe von EUR 1,279.200,-- ergebe und nicht die von der Beschwerdeführerin angegebenen EUR 464.191,33. Die von der Beschwerdeführerin behauptete 50 %ige Fahrgastreduktion sei durch nichts belegt. Da der Endpunkt der von der mitbeteiligten Partei beantragten Kraftfahrlinie (Kardjali) 283 km von dem Endpunkt der von der Beschwerdeführerin betriebenen Linie (Sofia) entfernt liege, könne kaum vom selben Verkehrsraum die Rede sein. Bei den von der beantragten Kraftfahrlinie erschlossenen Orten in Bulgarien nach Sofia (Plovdiv, Haskovo und Kardjali) handle es sich um große Städte mit diversen Anschlussmöglichkeiten.

Den Auftrag der belangten Behörde vom 24. April 2003, im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2002, Zlen 99/03/0439 bis 0441, die Höhe des zu erwartenden Fahrgast- und des damit verbundenen Einnahmenausfalls bekannt zu geben, "diese Daten mit den aktuellen Gesamteinnahmen und mit der Gesamtzahl der Beförderungsfälle der betroffenen Linie ins Verhältnis zu setzen" und insbesondere den Begriff "Verkehrseinnahmen abzüglich der Vertriebskosten" zu definieren, beantwortete die Beschwerdeführerin mit ihrer Stellungnahme vom 12. Mai 2003. Sie legte darin dar, dass sie unter dem Begriff "Verkehrseinnahmen abzüglich der Vertriebskosten" jene Erträge verstehe, die ihr "nach Abzug der (externen) Vertriebskosten, ds insbesondere Haltestellengebühren, Provisionen für Fahrkartenverkäufe, vom Gesamtumsatz tatsächlich" verblieben. Bezogen auf das Geschäftsjahr 2001 habe der Gesamtumsatz EUR 623.441,--, die Vertriebskosten EUR 159.249,66 und die verbleibenden Verkehrseinnahmen daher EUR 464.191,33 betragen.

Die tatsächlichen Erlöse seien deshalb geringer als die durch Multiplikation von Fahrgastsumme und Regelfahrpreis ermittelte Zahl, weil die Fahrgäste nahezu ausschließlich Rückfahrerermäßigungen in Anspruch nähmen und darüber hinaus die Möglichkeit besonderer Ermäßigungen für Kinder, Jugendliche und Senioren nutzten. Überdies sei im Geschäftsjahr 2001 noch "ein Schilling-Regelfahrpreis von 700,-- genehmigt gewesen", der einen Eurowert von 50,83 repräsentiert habe. Im Jahr 2002 habe sich die Sachlage dahin verändert, dass ab 1. Jänner neue Fahrpreise eingehoben würden, die Fahrplanstrecke der tatsächlichen Streckenlänge angepasst und ab November ein zweites Kurspaar eingerichtet worden sei. Im Jahr 2002 seien 18.545 Fahrgäste befördert und ein Gesamtumsatz von EUR 767.653,-- erzielt worden.

Die Annahme eines "Verlustpotentiales" von 50 % auf Grund des "Streckengleichlaufes" zwischen Wien und Sofia werde noch dadurch verstärkt, dass die von der mitbeteiligten Partei in Aussicht genommene Kursführung in der Relation Sofia - Wien (ab 12.00 Uhr, an 7.10 Uhr) fast zeitgleich zur Beschwerdeführerin (ab 13.00 Uhr, an 6.00 bzw 6.30 Uhr) verkehre. Aber auch der Fahrplan hinsichtlich der Strecke von Wien nach Sofia (ab 8.00 Uhr, an 5.10 Uhr) differiere von dem der Beschwerdeführerin (ab 15.00 Uhr, an 9.30 Uhr) nicht wirklich, weil sich die Zeitdifferenz bei der Abfahrt von sieben Stunden bei der Ankunft in Sofia als etwas mehr als vier Stunden reduziere. Dieser Stellungnahme war eine von der Beschwerdeführerin erstellte "Zusammenfassung der für die Beurteilung maßgeblichen Betriebsdaten auch in Form eines Vergleiches beider Geschäftsjahre" angeschlossen.

Die mitbeteiligte Partei entgegnete dem in ihrem Schriftsatz vom 16. Juni 2003 dahin, dass die von der Beschwerdeführerin angegebenen Vertriebskosten von mehr als 25 % unverhältnismäßig hoch seien und "Haltestellengebühren betriebswirtschaftlich nichts mit Vertriebskosten zu tun" hätten. Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Zahlen seien auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil unklar geblieben sei, wie viele Fahrgäste ermäßigte Karten bezogen hätten. Die von der mitbeteiligten Partei geplante Streckenführung berücksichtige Sofia nur als Zwischenhaltestelle und erschließe eine bevölkerungsreiche Region südöstlich von Sofia.

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession mit den Auflagen gemäß § 16 Abs 1 und 2 KflG:

"1. Fahrgäste dürfen nur von Österreich nach Bulgarien bzw. umgekehrt befördert werden.

2. Die Kraftfahrlinie ist ganzjährig mit 1 Kurspaar täglich zu betreiben (ab Wien und ab Kardjali in den Morgenstunden, jeweils zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr).

     3.        Die Kraftfahrlinie darf nur betrieben werden, wenn

für sämtliche Teilstrecken Konzessionen (Genehmigungen) durch die

zuständigen Konzessions-(Genehmigungs-)behörden erteilt wurden.

     4.        Ein Original der Konzessionsurkunde ist bei jeder

Linienfahrt im Bus mitzuführen und auf Verlangen hiezu berechtigter Kontrollorgane vorzuweisen."

Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung des Verfahrensganges samt Wiedergabe des Inhaltes der Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und der Gegenäußerungen der mitbeteiligten Partei und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen Folgendes aus: Die von der Beschwerdeführerin behauptete, ein Hindernis für die beantragte Konzessionserteilung darstellende Gefährdung der Verkehrsaufgaben der Beschwerdeführerin durch Hinzutreten der mitbeteiligten Partei als weiteren Anbieter liege dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmer in der Führung seiner Linie einschneidend beeinträchtigt wird, im Allgemeinen also dann, wenn er einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleide. Unter "Verkehrsbereich" sei jener Bereich im vollen Umfang zu verstehen, in welchem sich eine neue Linie auf eine konzessionierte Linie im Sinne einer einschneidenden Beeinträchtigung gefährdend auswirken könne.

Die belangte Behörde stellte der bestehenden Linie der Beschwerdeführerin von Wien nach Sofia (zwei Kurspaare täglich), nämlich

"ab Wien Wbf

15.00 Uhr

20.00 Uhr

an Wien Wbf

6.30 Uhr

 

15.30 Uhr

ab Wien Sbf

16.00 Uhr

21.00 Uhr

an Wien Sbf

6.15 Uhr

 

15.15 Uhr

 

 

 

an Wien- Erdberg

6.00 Uhr

 

15.00 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

an Sofia

9.30 Uhr

14.30 Uhr

ab Sofia

13.00 Uhr

 

22.00 Uhr"

die von der mitbeteiligten Partei beabsichtigte Linie (ein Kurspaar täglich) gegenüber:

"ab Wien Wbf

8.00 Uhr

an Wien Wbf

7.10 Uhr

 

 

 

 

an Sofia

5.10 Uhr

ab Sofia

12.00 Uhr

an Kardjali

9.40 Uhr

ab Kardjali

7.30 Uhr"

Sie führte dazu aus, die Beschwerdeführerin könne nur solche Fahrgast- bzw Einnahmenverluste geltend machen, die ein zusätzlicher Verkehr bedienen solle. Es müsse also von der Verbindung Wien - Sofia und retour ausgegangen werden. Dabei bestehe kein Zweifel, dass es sich geographisch gesehen um den Verkehrsbereich im Sinne des § 14 KflG der schon bestehenden Linie handle. Der Verkehrsbereich sei jedoch nicht ausschließlich geographisch, sondern auch zeitlich zu sehen. Die Abfahrtszeit (von Wien) des Kurses der mitbeteiligten Partei differiere um sieben Stunden von der Abfahrtszeit des ersten und zwölf Stunden von der Abfahrtszeit des zweiten Kurses der Beschwerdeführerin. Dieser Zeitabstand sei ausreichend und die Kursführung zeitlich gesehen nicht mehr dem Verkehrsbereich nach § 14 KflG zuzuordnen.

Die Abfahrtszeit (von Sofia) weise hinsichtlich des zweiten Kurses der Beschwerdeführerin einen Zeitunterschied von zehn Stunden auf, hinsichtlich des ersten Kurses nur von einer Stunde. Dieser Kurs liege also sowohl geographisch als auch zeitlich gesehen im Verkehrsbereich der bestehenden Linie. Ein "Bedienungsverbot" für diesen Kurs stelle aber keine wirtschaftliche und zweckmäßige Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses dar, weil von den Fahrgästen vorzugsweise Hin- und Rückfahrkarten in Anspruch genommen würden.

Zu berücksichtigen sei auch, dass selbst für den Fall, dass die mitbeteiligte Partei mit einem hohen Fahrgastpotential aus Sofia rechne, doch eine Bedienung der weiteren Haltestellen (Pazardjik, Plovdiv, Haskovo und Kardjali) erfolgen müsse. Kardjali liege 283 km bzw 4,5 Fahrstunden von Sofia entfernt im bulgarisch-türkischen Grenzgebiet. "Da die Einwohneranzahl dieser Städte ... durchaus hoch ist, kann dem Konzessionswerber Glauben geschenkt werden, dass auch hier ein großes Potential an Fahrgästen besteht, und eine wirtschaftliche Betriebsführung dieser Linie möglich ist, zumal diese Destinationen bis auf Plovdiv noch nicht durch Linienverkehre erschlossen sind".

Die Inanspruchnahme des neuen Angebots durch solche Fahrgäste, die "ausschließlich am Morgen von Wien abfahren wollen", führte zu einer Konkurrenzierung für die bestehende Linie der Beschwerdeführerin. Dazu stellte die belangte Behörde folgende Überlegungen an:

"Der von den Firmen A/K geschätzte Fahrgast- und Einnahmenverlust von 50 % erscheint der Konzessionsbehörde jedoch auf Grund obiger Ausführungen zu hoch. Dies deshalb, weil dann von 2 genehmigten Kurspaaren jeweils mindestens 25 % oder von einem Kurs etwa 50 % der Fahrgäste abwandern müssten. Wäre der Fahrgastwunsch nach einem Frühkurs ab Wien tatsächlich so groß, erhebt sich die Frage, weshalb die Firmen A und K nicht bereits längst ein ähnliches Kursangebot wie die Antragsteller gelegt haben.

Möglich ist, dass sich das Fahrgastaufkommen nach Sofia vorerst auf 3 Kurspaare aufteilen könnte, dies jedoch keine 50 %ige Einbuße für die Firmen A/K bedeuten würde. Unabhängig davon ist auch deshalb mit einem steigenden Fahrgastaufkommen zu rechnen, da auch für bulgarische Staatsbürger die Visapflicht aufgehoben wurde (vgl. Beförderungszahlen 2001/2002)."

Da der Ausschließungsgrund gemäß § 7 Abs 1 Z 4 lit b KflG nicht vorliege bzw "allfällige Verluste in einem Rahmen bleiben sollten, die ein Bedienungsverbot in der Relation Wien - Sofia ... nicht rechtfertigen würde", sei die beantragte Konzession zu erteilen gewesen.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens erwogen:

Gemäß § 1 Abs 1 des Kraftfahrliniengesetzes, BGBl Nr 203/1999 idF BGBl Nr 62/2003 (KflG), ist Kraftfahrlinienverkehr die regelmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durch Personenkraftverkehrsunternehmer in einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgesetzten Haltestellen aufgenommen und abgesetzt werden.

Gemäß § 1 Abs 3 KflG bedarf der innerstaatliche und grenzüberschreitende Kraftfahrlinienverkehr nach Abs 1 einer Konzession, der grenzüberschreitende Kraftfahrlinienverkehr nur mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder nur mit Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bedarf einer dieser gleichzuhaltenden Genehmigung.

Gemäß § 7 Abs 1 KflG ist die Erteilung der Konzession (unter anderem) davon abhängig, dass

"Z 3 die Art der Linienführung eine zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses gewährleistet und

Z 4 die Erteilung einer Konzession auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn

a) die Kraftfahrlinie auf Straßen durchgeführt werden soll, die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes für diesen Verkehr nicht eignen, oder

b) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§ 14 Abs 1 bis 3) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden geeignet ist, oder

c) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr einer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung des Verkehrs durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§ 14 Abs 4) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, vorgriffe, und eines von diesen die notwendige Verbesserung der Verkehrsbedienung innerhalb einer von der Konzessionsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist von höchstens 6 Monaten vornimmt."

Gemäß § 14 Abs 1 KflG erstreckt sich der Verkehrsbereich nach § 7 Abs 1 Z 4 lit b so weit, wie (sich) eine beantragte Kraftfahrlinie auf einen bereits konzessionierten öffentlichen Verkehr gefährdend auswirken kann.

Gemäß § 14 Abs 2 KflG liegt eine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen in der Führung seines öffentlichen Verkehrs einschneidend beeinträchtigt wird, dies ist dann der Fall, wenn es hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleidet.

Gemäß § 14 Abs 3 KflG hat ein Verkehrsunternehmen, das behauptet, durch die Erteilung einer neuen oder einer hinsichtlich der Streckenführung abzuändernden Konzession einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall zu erleiden, der Aufsichtsbehörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern, anhand derer diese in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung seiner Linie auswirken wird.

Die Beschwerdeführerin hat den Ausschließungsgrund nach § 7 Abs 1 Z 4 lit b KflG - nachhaltige Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben - geltend gemacht, was von der belangten Behörde verneint wurde; der behauptete Einnahmenverlust von 50 % erscheine zu hoch, möglich sei eine Aufteilung des Fahrgastaufkommens vorerst auf drei Kurspaare.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde dem Begriff "Verkehrsbereich" nach § 14 Abs 1 KflG auch eine zeitliche Komponente unterstellt habe. Im Hinblick auf die idente Streckenführung falle die von der mitbeteiligten Partei beantragte Linie zur Gänze in den Verkehrsbereich der Beschwerdeführerin.

Dem gegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass beim maßgeblichen Verkehrsbereich nicht nur die streckenspezifische, sondern auch eine zeitliche Komponente beachtlich ist (vgl das hg Erkenntnis vom 8. September 2004, Zl 2002/03/0242). Die Mitberücksichtigung der unterschiedlichen Abfahrtszeiten (Beschwerdeführerin: 15.00 bzw 20.00 Uhr ab Wien Westbahnhof; mitbeteiligte Partei: 8.00 Uhr ab Wien Westbahnhof) durch die belangte Behörde kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Davon ausgehend war von der belangten Behörde zur nachvollziehbaren Beurteilung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gefährdung der Erfüllung ihrer Verkehrsaufgaben zu prüfen, wie sich die beantragte neue Linie (Wien - Kardjali) unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Abfahrtszeiten und des unterschiedlichen Endpunktes auf die Betriebsführung der Linie der Beschwerdeführerin (Wien - Sofia) auswirken würde. Dazu wären Feststellungen erforderlich über die Höhe der für eine wirtschaftliche Betriebsführung der Linie Wien - Sofia notwendigen Einnahmen, die tatsächlichen Einnahmen aus der Beförderung der von Wien nach Sofia bzw retour reisenden Fahrgäste und den unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fahr- bzw Abfahrtszeiten sowie der Fahrgaststruktur zu erwartenden Einnahmenausfall der Beschwerdeführerin auf ihrer Linie Wien - Sofia.

Die belangte Behörde hat den von der Beschwerdeführerin geschätzten Fahrgast- und Einnahmenausfall von 50 % als zu hoch erachtet, weil ein solcher voraussetzen würde, dass "dann von 2 genehmigten Kurspaaren jeweils mindestens 25 % oder von einem Kurs etwa 50 % der Fahrgäste abwandern" (tatsächlich setzte ein insgesamt 50 %iger Ausfall aber einen Wechsel von jeweils mindestens 50 % von zwei bestehenden Kurspaaren bzw 100 % der Fahrgäste eines von zwei Kurspaaren (gleiche Verteilung auf die beiden Kurspaare angenommen) voraus!).

Die belangte Behörde hat zwar die von der Beschwerdeführerin genannten, aus dem Betrieb der Linie Wien - Sofia resultierenden Fahrgastzahlen und Umsätze festgestellt, nachvollziehbare Feststellungen über die Auswirkungen der Betriebsaufnahme der neuen Linie auf das bestehende Angebot der Beschwerdeführerin aber unterlassen: Aus der Formulierung "Möglich ist, dass sich das Fahrgastaufkommen nach Sofia vorerst auf drei Kurspaare aufteilen könnte, ..." wird nicht einmal klar, ob die belangte Behörde tatsächlich von diesem Szenario ausgegangen ist. Dass "allfällige Verluste in einem Rahmen bleiben sollten, die ein Bedienungsverbot in der Relation Wien - Sofia ... nicht rechtfertigen würde", ist ebenfalls zu unbestimmt, um das Vorliegen des geltend gemachten Ausschließungsgrundes beurteilen zu können.

Die belangte Behörde hat zwar Argumente aufgezeigt, die eine Erweiterung des Fahrgastvolumens bzw die Ansprache eines neuen Kundenkreises erwarten lassen, und dazu auf die "Morgenabfahrtszeit" der Linie der mitbeteiligten Partei, das unterschiedliche Endziel der beantragten Linie und die damit verbundene Erschließung eines weiteren Raumes (Haltestellen nach Sofia: Pazardjik, Plovdiv, Haskovo und Kardjali) sowie den Umstand, dass für bulgarische Staatsbürger die Visapflicht aufgehoben wurde, verwiesen. Ohne nähere Quantifizierung des Einflusses dieser Umstände kann eine nachvollziehbare Prüfung der maßgebenden Kriterien aber nicht erfolgen.

Dem angefochtenen Bescheid mangelt daher eine konkret nachvollziehbare Grundlage für die Auffassung, der Betrieb der beantragten Kraftfahrlinie der mitbeteiligten Partei sei nicht geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Beschwerdeführerin zu gefährden.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist demnach in relevantem Ausmaß mangelhaft und der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 12. September 2006

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003030282.X00

Im RIS seit

05.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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