TE OGH 1997/12/10 9Ob331/97k

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Veröffentlicht am 10.12.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Steinbauer, Dr.Spenling und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Claudia B*****, Studentin, ***** 2) Heinz I*****, technischer Angestellter, ***** und 3) Günther I*****, Beamter, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Gerhard Fink und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Josef T*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Klaus Messiner und Dr.Ute Messiner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung (Streitwert: S 50.000,--) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 6.Juni 1997, GZ 1 R 139/97d-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 4. März 1997, GZ 22 C 1923/95t-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** St.R***** mit dem Haus ***** in K*****, und zwar die Erstklägerin zu 1/4, der Zweit- und Drittkläger zu je 1/8 und der Beklagte zur Hälfte. Der Beklagte hat durch Jahre hindurch im Haus befindliche Wohnungen an Dritte vermietet. Die Kläger begehren - nach einer Klageeinschränkung -, den Beklagten für schuldig zu erkennen, jede entgeltliche oder unentgeltliche Einräumung der Benützung und den Abschluß von Mietverträgen betreffend die im zweiten Obergeschoß rechts vom Stiegenaufgang gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Mansardenzimmern, einem Vorraum, einem Bad, einer Kochnische oder anderer sich im Haus *****, EZ *****, GB ***** St.R***** bei K*****, befindlicher Wohnungen an dritte Personen ohne Zustimmung zumindest eines weiteren Miteigentümers dieser Liegenschaft bei sonstiger Zwangsfolge zu unterlassen.

Der Beklagte maße sich, obwohl nur Hälfteeigentümer und somit zum Abschluß solcher Verträge allein nicht berechtigt, seit Jahren an, ohne Zustimmung der Kläger Mietverträge mit Dritten abzuschließen und greife so in die Rechte der Miteigentümer ein, sodaß diese zur Erhebung einer Unterlassungsklage berechtigt seien.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß das Haus in den Fünfzigerjahren mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds aus einer Kriegsruine wieder errichtet worden sei. Der Beklagte habe seinerzeit eine schriftliche Vollmacht der Rechtsvorgänger der jetzigen Kläger zur Vornahme von Verwaltungshandlungen erhalten. Das von ihm wiedererrichtete Haus bestehe aus sechs Wohneinheiten, von denen nur eine vom Beklagten selbst und seiner Ehegattin benutzt werde, während die anderen Wohneinheiten aufgrund unbefristeter Mietverträge ständig vermietet seien. Es sei dem Beklagten nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig Hausverwaltervollmacht erteilt worden. Dem Beklagten sei der Aufenthalt der jetzigen Kläger bis zum Jahre 1992 ständig unbekannt geblieben. Eine genaue Anschrift habe er erst durch die Klageführung erlangt. Die Kläger hätten auch, seitdem sie eine Wohneinheit im Haus benützten, Betriebskosten und unter anderem die vom Beklagten in Rechnung gestellten Verwaltungskosten bezahlt. Eine Umbestellung in der Hausverwaltung hätten die Kläger weder begehrt noch beantragt. Vermietungen durch den Beklagten seien immer zu ortsüblichen Bedingungen im Rahmen der ordentlichen Verwaltung durchgeführt worden. Insbesondere sei seitens der Rechtsvorgänger der Kläger und der Kläger selbst der vom Beklagten über mehrere Jahrzehnte vorgenommenen Hausverwaltung oder der Vermietung von Wohnungen nie wiedersprochen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen: Die Kläger sind Rechtsnachfolger des im zweiten Weltkrieg verschollenen und für tot erklärten Halbbruders des Beklagten. Das auf der gegenständlichen Liegenschaft befindliche Haus wurde nach seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds errichtet. Dem seinerzeitigen Antrag auf Bewilligung dieser Mittel und grundbücherliche Sicherstellung wurde erst nach Einholung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung Folge gegeben, zumal die Mutter der Erstklägerin und ihre Brüder, nämlich der Zweit- und Drittkläger, damals noch minderjährig waren. Im Jänner 1954 erteilte die Großmutter der Erstklägerin bzw Mutter der Zweit- und Drittkläger als Vormund ihrer minderjährigen Kinder dem Beklagten Vollmacht, sie im Hinblick auf die Verwaltung der Mittel des Wiederaufbaufonds zu vertreten. Der Beklagte wurde zu keinem Zeitpunkt schriftlich mit der Übernahme der Hausverwaltung betraut. Seine Vertretungsbefugnis bezog sich lediglich auf den Zeitraum des Wiederaufbaus, der in der Zeit von 1953 bis 1957 stattfand und in dessen Zuge fünf Wohnungen und ein Geschäftslokal errichtet wurden. Nach der Fertigstellung nahm der Beklagte die Vermietung einzelner Wohneinheiten in diesem Haus vor, ohne zuvor das Einverständnis der weiteren Miteigentümer einzuholen. Ein ausdrücklicher mündlicher Auftrag von einem der anderen Miteigentümer an den Beklagten zur Durchführung von Verwaltungshandlungen wurde nicht erteilt. Eine im ersten Stock des Hauses gelegene Wohnung steht den Klägern erst seit dem Auszug der geschiedenen Ehegattin des Beklagten, dies ist der 1.4.1992, zur Verfügung. Bis dorthin verfügten die Kläger über keine Schlüssel zum Haus. Der einzige Mietvertrag, welcher vom Beklagten 1993 mit Zustimmung der Kläger abgeschlossen wurde, bezog sich auf das Geschäftslokal im Erdgeschoß. Hinsichtlich der anderen Mietverträge fragte der Beklagte die Kläger als Miteigentümer nicht um deren Einverständnis und ließ ihnen auch keine Gleichschrift von Mietverträgen zukommen. Nachdem die klagenden Parteien erst im Jahre 1992 Kenntnis von der Verwaltertätigkeit des Beklagten erlangt hatten, forderten sie ihn auf, von der Vornahme weiterer Verwaltungshandlungen Abstand zu nehmen und Vermietungen nur nach Zustimmung durch die Kläger durchzuführen.

Ausgehend von diesen Feststellungen vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, daß der Beklagte weder ausdrücklich noch schlüssig zum Verwalter bestellt worden und als bloßer Hälfteeigentümer daher auch nicht berechtigt gewesen sei, Mietverträge über Wohnungen mit Dritten abzuschließen. Dem Kläger komme zur Wahrung ihrer Rechte der geltend gemachte Unterlassunganspruch zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Zusammenhang mit der Feststellung, daß der Beklagte allein die Verwaltertätigkeiten entfaltet und Vermietungen vorgenommen habe, müsse der Schluß gezogen werden, daß der Beklagte neben seiner sonstigen Verwaltertätigkeit auch für die Rückzahlung der Fondsmittel aus eigenem gesorgt habe. Damit liege auf der Hand, daß den Rechtsvorgängern der Kläger und auch den Klägern bekannt gewesen sein mußte, daß sich der Beklagte jahrzehntelang um die Belange des Hauses gekümmert habe, weil es außer ihm eben niemanden gegeben habe, der sich auch nur im entferntesten mit der zwangslaufig notwendigen Hausverwaltung befaßt habe. Abgestellt auf den Horizont des Beklagten als Erklärungsempfänger könne es keinem Zweifel unterliegen, daß das objektive Verhalten der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger beim Beklagten den Eindruck hervorrufen mußte, daß eine schlüssige Willenserklärung dahin vorliege, daß der Beklagte die Verwaltung des Hauses durchführen solle. Der Beklagte könne sich somit auf eine schlüssig erteilte (§ 863 ABGB), aufrechte Verwaltervollmacht berufen, die ihn im Rahmen der ordentlichen Verwalter mit der Befugnis ausstatte, Mietverträge über im gemeinsamen Haus gelegene Wohnungen abzuschließen.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Zusammenhang mit der Feststellung, daß der Beklagte allein die Verwaltertätigkeiten entfaltet und Vermietungen vorgenommen habe, müsse der Schluß gezogen werden, daß der Beklagte neben seiner sonstigen Verwaltertätigkeit auch für die Rückzahlung der Fondsmittel aus eigenem gesorgt habe. Damit liege auf der Hand, daß den Rechtsvorgängern der Kläger und auch den Klägern bekannt gewesen sein mußte, daß sich der Beklagte jahrzehntelang um die Belange des Hauses gekümmert habe, weil es außer ihm eben niemanden gegeben habe, der sich auch nur im entferntesten mit der zwangslaufig notwendigen Hausverwaltung befaßt habe. Abgestellt auf den Horizont des Beklagten als Erklärungsempfänger könne es keinem Zweifel unterliegen, daß das objektive Verhalten der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger beim Beklagten den Eindruck hervorrufen mußte, daß eine schlüssige Willenserklärung dahin vorliege, daß der Beklagte die Verwaltung des Hauses durchführen solle. Der Beklagte könne sich somit auf eine schlüssig erteilte (Paragraph 863, ABGB), aufrechte Verwaltervollmacht berufen, die ihn im Rahmen der ordentlichen Verwalter mit der Befugnis ausstatte, Mietverträge über im gemeinsamen Haus gelegene Wohnungen abzuschließen.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an die Rechtsprechung des OGH gehalten habe und keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an die Rechtsprechung des OGH gehalten habe und keine Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zu lösen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsverfahren an einem erheblichen Verfahrensmangel leidet; sie ist im Umfang des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte hat sich im Verfahren erster Instanz zur Begründung einer ihm schlüssig erteilten Verwaltervollmacht nicht nur auf die Kenntnis der Kläger von Verwaltungshandlungen und Vermietungen durch ihn und das Fehlen eines Widerspruchs hiezu, sondern auch auf das Verhalten der Rechtsvorgänger der Kläger berufen. Hiezu trifft das Erstgericht noch keine ausreichenden Feststellungen, was vom Beklagten im Berufungsverfahren (AS 183) auch gerügt wurde. Die Feststellung, daß der Beklagte die Kläger nicht um deren Einverständnis gefragt habe und ihnen auch keine Gleichschrift der Mietverträge habe zukommen lassen, läßt offen, ob sie oder ihre Rechtsvorgänger, wie vom Beklagten eingewendet, dieses Vorgehen widerspruchslos zur Kenntnis genommen haben oder nicht. Die Annahme des Berufungsgerichtes (AS 209), der Beklagte habe für die Rückzahlung der Fondsmittel aus eigenem gesorgt, ermangelt ebenso einer Feststellungsgrundlage wie die, daß es den Rechtsvorgängern der Kläger und den Klägern bekannt sein mußte, daß sich der Beklagte jahrzehntelang um die Belange des Hauses gekümmert habe. Soweit das Berufungsgericht, ohne andere Feststellungen zu treffen und ohne eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung vorzunehmen, seiner rechtlichen Beurteilung einen rein hypothetischen Sachverhalt zugrundelegte, ist der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit gegeben (RIS-Justiz RS0043088). Dieser erhebliche Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen bedingt im Interesse der Rechtssicherheit die Annahme der außerordentlichen Revision durch den Obersten Gerichtshof. Der Verfahrensmangel ist auch entscheidungswesentlich, weil die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ohne die hypothetischen Ergänzungen des Berufungsgerichtes eine erschöpfende Beurteilung der Rechtssache nicht ermöglichen.

Bloßes Schweigen bedeutet nicht schlechthin Zustimmung, sondern nur dann, wenn der Stillschweigende nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder nach dem Gesetze hätte reden müssen (RIS-Justiz RS0016507). Um dies im vorliegenden Fall annehmen zu können, bedürfte es auch einer Prüfung des Verhaltens der Rechtsvorgänger der Kläger, insbesondere ob und welche Verwaltungstätigkeiten des Beklagten, wie Wohnungsvermietungen, ihnen zur Kenntnis gelangt sind und ob der Beklagte demnach aus einer Untätigkeit der Miteigentümer auf Zustimmung schließen durfte.

Da nicht nur das Urteil des Berufungsgerichtes am aufgezeigten Verfahrensmangel leidet, sondern es offenbar auch einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an diese zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).Da nicht nur das Urteil des Berufungsgerichtes am aufgezeigten Verfahrensmangel leidet, sondern es offenbar auch einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an diese zurückzuverweisen (Paragraph 510, Absatz eins, ZPO).

Für den Fall, daß sich nach Verfahrensergänzung herausstellen sollte, das sich der Beklagte auf eine Verwaltervollmacht nicht berufen kann, ist schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die bereits erfolgte Vermietung der zunächst strittigen Wohnung allein die Wiederholungsgefahr nicht ausschließt, zumal das Freiwerden anderer Wohnungen nicht auszuschließen ist und der Beklagte sich nach wie vor darauf beruft, Verwaltertätigkeiten alleine ausüben zu dürfen. Wiederholungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung nämlich schon dann anzunehmen, wenn der Gegner den Standpunkt vertritt, zu den beanstandeten Handlungen berechtigt zu sein (SZ 64/97).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E48558 09A03317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0090OB00331.97K.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19971210_OGH0002_0090OB00331_97K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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