TE OGH 1997/12/15 1Ob392/97x

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Veröffentlicht am 15.12.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef P*****, vertreten durch Dr.Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter M*****, vertreten durch Dr.Josef W.Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen S 38.630,70 sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18.August 1997, GZ 36 R 582/97y-17, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 11.Februar 1997, GZ 25 C 198/96k-11, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 11.2.1997 das auf Zahlung von S 38.630,70 sA gerichtete Klagebegehren ab. Diese Entscheidung wurde den Parteien am 18.2.1997 zugestellt.

Mit Beschluß vom 26.2.1997 wurde das Ersturteil amtswegig berichtigt, weil aufgrund eines technischen Fehlers bei der Herstellung der den Parteien zugestellten Urteilsausfertigungen jeweils die letzten zwei Textzeilen der Seiten 1 bis 4 der Urschrift des Urteils nicht abgedruckt worden waren. Dieser Berichtigungsbeschluß wurde den Parteien am 4.3.1997 zugestellt.

Das Berufungsgericht wies die am 26.3.1997 zur Post gegebene Berufung des Klägers als verspätet zurück und berichtigte das Urteil des Erstgerichts lediglich wegen eines Schreibfehlers. Es vertrat die Ansicht, trotz der mangelhaften Urteilsausfertigungen sei für die Parteien bzw deren Vertreter der wirkliche Inhalt der Entscheidung klar erkennbar gewesen. Die Auslassungen seien geringfügig und der Entscheidungswille aus den den Parteien übermittelten Entscheidungsgründen in der unberichtigten Urteilsfassung hinreichend erfaßbar gewesen. Die Zustellung der berichtigten Urteilsfassung habe an der Klarheit und Nachvollziehbarkeit der ursprünglichen Fassung nichts zu ändern vermocht. Demgemäß habe der Lauf der Berufungsfrist bereits mit der Zustellung der unberichtigten Urteilsausfertigung zu laufen begonnen.

Der Rekurs der klagenden Partei gegen diese Entscheidung ist berechtigt; die Rekursbeantwortung ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt im Fall einer Berichtigung die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Ausfertigung zu laufen, es sei denn, daß der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluß keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte (SZ 67/143; 1 Ob 7/93; MietSlg 45.695; 7 Ob 609/93; 6 Ob 528/90; 3 Ob 598/87; RZ 1983/5; JBl 1978, 100 uva). Die zuletzt genannte Einschränkung soll eine mißbräuchliche Verlängerung der Rechtsmittelfrist hintanhalten (7 Ob 609/93; 6 Ob 528/90; RZ 1983/5). Erlangen die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt, dann beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen (1 Ob 7/93 uva).

Im vorliegenden Fall fehlten auf vier Seiten der Urteilsausfertigungen jeweils die letzten zwei Zeilen des Textes, wobei es sich zum Teil um die Wiedergabe von Parteienvorbringen, teils um Tatsachenfeststellungen, aber auch zum Teil um Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung handelte. Für die Parteien war es nach Zustellung dieser verstümmelten Urteilsausfertigungen ungewiß, in welcher Richtung die Entscheidung des Erstgerichts berichtigt werden würde (vgl MietSlg 45.695; JBl 1978, 100). Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, daß der Rechtsmittelwerber auch ohne die Berichtigung den wirklichen (vollständigen) Inhalt der erstrichterlichen Entscheidung zweifelsfrei hätte erkennen können. Kombinationen aus dem Akteninhalt und auch aus dem Inhalt der Entscheidung muß eine Partei nicht anstellen, um dadurch zum richtigen Verständnis einer richterlichen Entscheidung zu gelangen. Es ist einer Partei auch nicht zuzumuten, bei einem derart unvollständigen Urteil Vermutungen dahin anzustellen, was das Erstgericht in den fehlenden Passagen ausgedrückt habe und ob allenfalls sogar wesentliche Tatsachenfeststellungen in diesen fehlenden Begründungsteilen enthalten seien. Eine derartige Rechtsansicht würde von den Parteien zum Teil hellseherische Fähigkeiten fordern; das wäre aber zweifellos der Rechtssicherheit äußerst abträglich. In einem Fall wie dem vorliegenden kann von einer mißbräuchlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist nicht gesprochen werden. Vielmehr wurde durch die Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung eine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt (9 ObA 16, 17/94; 3 Ob 598/87; SZ 54/103; JBl 1978, 100; Fasching, Lb2 Rz 1567, Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu § 419).Im vorliegenden Fall fehlten auf vier Seiten der Urteilsausfertigungen jeweils die letzten zwei Zeilen des Textes, wobei es sich zum Teil um die Wiedergabe von Parteienvorbringen, teils um Tatsachenfeststellungen, aber auch zum Teil um Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung handelte. Für die Parteien war es nach Zustellung dieser verstümmelten Urteilsausfertigungen ungewiß, in welcher Richtung die Entscheidung des Erstgerichts berichtigt werden würde vergleiche MietSlg 45.695; JBl 1978, 100). Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, daß der Rechtsmittelwerber auch ohne die Berichtigung den wirklichen (vollständigen) Inhalt der erstrichterlichen Entscheidung zweifelsfrei hätte erkennen können. Kombinationen aus dem Akteninhalt und auch aus dem Inhalt der Entscheidung muß eine Partei nicht anstellen, um dadurch zum richtigen Verständnis einer richterlichen Entscheidung zu gelangen. Es ist einer Partei auch nicht zuzumuten, bei einem derart unvollständigen Urteil Vermutungen dahin anzustellen, was das Erstgericht in den fehlenden Passagen ausgedrückt habe und ob allenfalls sogar wesentliche Tatsachenfeststellungen in diesen fehlenden Begründungsteilen enthalten seien. Eine derartige Rechtsansicht würde von den Parteien zum Teil hellseherische Fähigkeiten fordern; das wäre aber zweifellos der Rechtssicherheit äußerst abträglich. In einem Fall wie dem vorliegenden kann von einer mißbräuchlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist nicht gesprochen werden. Vielmehr wurde durch die Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung eine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt (9 ObA 16, 17/94; 3 Ob 598/87; SZ 54/103; JBl 1978, 100; Fasching, Lb2 Rz 1567, Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu Paragraph 419,).

Demnach erweist sich die Berufung des Klägers als rechtzeitig und wird das Berufungsgericht meritorisch über dieses Rechtsmittel zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf § 52 ZPO.Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf Paragraph 52, ZPO.

Die Rekursbeantwortung ist unzulässig, weil einer der im § 521a ZPO genannten Ausnahmsfälle nicht vorliegt. § 521a Abs 1 Z 3 ZPO ist auf die Zurückweisung einer Berufung aus formellen Gründen gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nicht anzuwenden (EFSlg 57.848; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 521a).Die Rekursbeantwortung ist unzulässig, weil einer der im Paragraph 521 a, ZPO genannten Ausnahmsfälle nicht vorliegt. Paragraph 521 a, Absatz eins, Ziffer 3, ZPO ist auf die Zurückweisung einer Berufung aus formellen Gründen gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO nicht anzuwenden (EFSlg 57.848; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu Paragraph 521 a,).

Anmerkung

E48641 01A03927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00392.97X.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19971215_OGH0002_0010OB00392_97X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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