TE OGH 1997/12/15 1Ob60/97y

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Veröffentlicht am 15.12.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S*****, vertreten durch Dr.Gerald Stenitzer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Josef S*****, und 2. Eva Maria S*****, beide ***** vertreten durch Dr.Erich Portschy, Rechtsanwalt in Feldbach, wegen Feststellung (Streitwert S 80.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 16.Dezember 1996, GZ 5 R 410/96t-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Feldbach vom 23.September 1996, GZ 2 C 1814/96w-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 12.272,83 (darin S 2.045,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte mit "Eigentumsfreiheitsklage" die Feststellung, daß zu Lasten einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft keine wie immer geartete Dienstbarkeit zugunsten eines im Eigentum der Beklagten befindlichen Grundstücks bestehe, wobei sie sich auf in einer Vermessungsurkunde dargestellte Grenzpunkte - die offensichtlich die von den Beklagten behauptete Dienstbarkeit betreffen - bezieht. Sie brachte vor, sie habe mit Klage vom 13.5.1996 (AZ 2 C 1222/96) die Feststellung des Umfangs einer Wegservitut und deren Einverleibung zugunsten der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft begehrt. Die Beklagten hätten in der von ihnen eingebrachten Widerklage vom 24.6.1996 (AZ 2 C 1614/96) den Umfang der von der Klägerin behaupteten Dienstbarkeit anerkannt und sich bereit erklärt, diese Dienstbarkeit einverleiben zu lassen. Sie hätten aber die Zustimmung zur Einverleibung von der Bedingung abhängig gemacht, daß die Klägerin ebenfalls eine (zugunsten der Beklagten bestehende) Dienstbarkeit, die das Grundstück der Klägerin betreffe, anerkenne und deren Einverleibung zustimme.

Die Beklagten wendeten Streitanhängigkeit ein. Die Parteien der Eigentumsfreiheitsklage und die der Widerklage seien ebenso wie der jeweils geltend gemachte Anspruch identisch.

Das Erstgericht wies die Klage zurück.

Es stellte fest, die Klägerin habe zu AZ 2 C 1222/96 des Bezirksgerichts Feldbach die Klage auf Feststellung des Umfangs und auf Einverleibung einer Wegeservitut gegen die Beklagten eingebracht. In dieser Klage habe sie begehrt, gegenüber den Beklagten festzustellen, daß die zugunsten der herrschenden Liegenschaft der Klägerin und zu Lasten der dienenden Liegenschaft der Beklagten bestehende Dienstbarkeit der Duldung des Gehens und Fahrens den im Klagebegehren näher dargestellten Umfang aufweise und daß die Beklagten der grundbücherlichen Einverleibung dieser Dienstbarkeit zu Lasten ihrer Liegenschaft und zugunsten der Liegenschaft der Klägerin zustimmen. Daraufhin hätten die Beklagten in ihrer Widerklage zu AZ 2 C 1614/96 des Bezirksgerichts Feldbach begehrt, die dort beklagte Klägerin sei schuldig, der grundbücherlichen Einverleibung der Dienstbarkeit des Duldens des Gehens und Fahrens zuzustimmen, weil der strittige Weg auch über das Grundstück der Klägerin verlaufe. Es liege Streitanhängigkeit vor, weil Gleichheit des Klagsanspruchs und des Rechtsgrunds gegeben sei; an der Nämlichkeit der Parteien sei nicht zu zweifeln. Der Anspruch werde in allen drei Verfahren jeweils aus denselben rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet. Es gehe jedesmal darum, ob der Weg nur auf der Liegenschaft der Beklagten oder auch über die Liegenschaft der Klägerin verlaufe.

Das Rekursgericht behob diese Entscheidung infolge Rekurses der Klägerin und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt S 50.000 übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bei den zu AZ 2 C 1222/96 und 2 C 1614/96 eingebrachten Klagen handle es sich jeweils um eine actio confessoria, während die hier zu behandelnde Eigentumsfreiheitsklage eine actio negatoria darstelle. In Ansehung von Servituten finde ein doppeltes Klagerecht statt. Man könne gegen den Eigentümer das Recht der Servitut behaupten, der Eigentümer seinerseits könne sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im Verhältnis der beiden Klagen bestehe mangels Identität der Ansprüche keine Streitanhängigkeit.

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die actio confessoria (AZ 2 C 1614/96) wie auch die actio negatoria (hier vorliegende Klage) sind im § 523 ABGB geregelt. Die bisherige Judikatur vertrat die Ansicht, daß im Verhältnis zwischen den beiden Klagen mangels Identität der Ansprüche keine Streitanhängigkeit bestehe,wenngleich jede erfolgreiche Klage im Sinne des § 523 ABGB (bei gleichbleibendem Sachverhalt) Rechtskraftwirkung unter den Parteien äußere (6 Ob 601/95 = NZ 1997, 153; SZ 23/225; Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 523). In der Judikatur wurde auch zum Ausdruck gebracht, daß die Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses nur dann begründet wäre, wenn die andere Partei - aufgrund bereits erfolgter Klagsstattgebung - über einen Exekutionstitel verfügte (vgl WBl 1995, 250; MietSlg 45.692). Streitanhängigkeit setze voraus, daß nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch die Gleichheit der Begehren und des geltend gemachten Rechtsgrunds vorlägen. Von einer Gleichheit der Ansprüche könne nur ausgegangen werden, wenn sich aus den vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren ergebe, daß beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel anstreben. Im Vordergrund stehe hiebei die Wesensgleichheit des materiellen Anspruchs (9 ObA 73, 74/95; 4 Ob 516/94; MietSlg 40.790; 3 Ob 501/85; EFSlg 41.688; SZ 54/59; vgl 6 Ob 648/78).Sowohl die actio confessoria (AZ 2 C 1614/96) wie auch die actio negatoria (hier vorliegende Klage) sind im Paragraph 523, ABGB geregelt. Die bisherige Judikatur vertrat die Ansicht, daß im Verhältnis zwischen den beiden Klagen mangels Identität der Ansprüche keine Streitanhängigkeit bestehe,wenngleich jede erfolgreiche Klage im Sinne des Paragraph 523, ABGB (bei gleichbleibendem Sachverhalt) Rechtskraftwirkung unter den Parteien äußere (6 Ob 601/95 = NZ 1997, 153; SZ 23/225; Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu Paragraph 523,). In der Judikatur wurde auch zum Ausdruck gebracht, daß die Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses nur dann begründet wäre, wenn die andere Partei - aufgrund bereits erfolgter Klagsstattgebung - über einen Exekutionstitel verfügte vergleiche WBl 1995, 250; MietSlg 45.692). Streitanhängigkeit setze voraus, daß nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch die Gleichheit der Begehren und des geltend gemachten Rechtsgrunds vorlägen. Von einer Gleichheit der Ansprüche könne nur ausgegangen werden, wenn sich aus den vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren ergebe, daß beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel anstreben. Im Vordergrund stehe hiebei die Wesensgleichheit des materiellen Anspruchs (9 ObA 73, 74/95; 4 Ob 516/94; MietSlg 40.790; 3 Ob 501/85; EFSlg 41.688; SZ 54/59; vergleiche 6 Ob 648/78).

Unbestrittenermaßen ist in den zu AZ 2 C 1614/96 und AZ 2 C 1814/96 anhängigen Rechtsstreiten die Identität der Parteien gegeben. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind aber auch die zur Begründung der jeweiligen Klagsansprüche vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen (Sachverhalt) identisch. So berufen sich die Beklagten in der von ihnen erhobenen Widerklage zu AZ 2 C 1614/96 darauf, daß die Klägerin vor etwa eineinhalb Jahren auf dem strittigen Servitutsweg Rosensträucher gesetzt und vor ca zwei Jahren auf einem Teil des Wegs einen Rasen angelegt habe. Die Beklagten hätten die Beeinträchtigung des ihnen zustehenden Servitutsrechts niemals anerkannt, sondern seien mit ihren Fahrzeugen und Geräten über den Rasen gefahren und hätten diesen "niedergefahren". In der hier vorliegenden Klage wird vorgebracht, daß der Weg zur Gänze auf dem Grundstück der Beklagten verlaufe und diese nicht berechtigt seien, den Rasenstreifen der Klägerin zu benutzen. Während also von den Beklagten behauptet wird, der Weg erstrecke sich auch auf den Rasen- und Rosenbereich, wird gerade dieses von der Klägerin bestritten. Beide Urteilsbegehren beziehen sich aber auch auf ganz bestimmte, in einer Vermessungsurkunde enthaltene Grenzpunkte, die den Verlauf des Servitutswegs kennzeichnen sollten. Zu entscheiden ist also tatsächlich über denselben Sachverhalt, weil beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel, nur mit umgekehrten Vorzeichen, anstreben. Da die Streitanhängigkeit die Vorläuferin der Einmaligkeitswirkung (ne bis in idem) der materiellen Rechtskraft ist und sich in ihren Auswirkungen mit dieser vollständig deckt (Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 7 zu § 233), wäre es widersinnig, die Führung zweier Rechtsstreite nebeneinander zuzulassen, bei denen das Begehren der zweiten Klage bei völlig identischem Sachverhalt das begriffliche Gegenteil des ersten Begehrens ist, wie vor allem das Begehren auf Feststellung einer bestimmten Servitut einerseits und das Begehren auf Feststellung des Nichtbestehens einer solchen Servitut andererseits (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1187). In diesem Fall stünde auch die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils über das eine Begehren dem anderen Klagebegehren entgegen. So wie das Gesetz den Parteien ein Rechtsschutzbedürfnis für einen neuen Prozeß über einen entschiedenen Anspruch versagt, billigt es ihnen auch kein Rechtsschutzbedürfnis an einem weiteren Prozeß über einen Anspruch zu, der bereits Gegenstand eines Rechtsstreits ist (Rechberger aaO). Die in der bisherigen Judikatur vertretenen Gründe für die Zulassung von actio confessoria und actio negatoria nebeneinander treten gegenüber der Forderung nach Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie völlig in den Hintergrund. In beiden Rechtsstreitigkeiten (über die Widerklage bzw dieses Verfahren) ist dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden, deren widersprechende Beantwortung diese Kriterien nicht gestatten. Durch Art 21 Abs 1 und Art 22 Abs 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.September 1988 (LGVÜ-BGBl 1996/448), haben die Grundsätze der Entscheidungsharmonie und Rechtssicherheit übrigens neue und überragende Bedeutung erlangt (vgl 1 Ob 2123/96d = JBl 1997, 368).Unbestrittenermaßen ist in den zu AZ 2 C 1614/96 und AZ 2 C 1814/96 anhängigen Rechtsstreiten die Identität der Parteien gegeben. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind aber auch die zur Begründung der jeweiligen Klagsansprüche vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen (Sachverhalt) identisch. So berufen sich die Beklagten in der von ihnen erhobenen Widerklage zu AZ 2 C 1614/96 darauf, daß die Klägerin vor etwa eineinhalb Jahren auf dem strittigen Servitutsweg Rosensträucher gesetzt und vor ca zwei Jahren auf einem Teil des Wegs einen Rasen angelegt habe. Die Beklagten hätten die Beeinträchtigung des ihnen zustehenden Servitutsrechts niemals anerkannt, sondern seien mit ihren Fahrzeugen und Geräten über den Rasen gefahren und hätten diesen "niedergefahren". In der hier vorliegenden Klage wird vorgebracht, daß der Weg zur Gänze auf dem Grundstück der Beklagten verlaufe und diese nicht berechtigt seien, den Rasenstreifen der Klägerin zu benutzen. Während also von den Beklagten behauptet wird, der Weg erstrecke sich auch auf den Rasen- und Rosenbereich, wird gerade dieses von der Klägerin bestritten. Beide Urteilsbegehren beziehen sich aber auch auf ganz bestimmte, in einer Vermessungsurkunde enthaltene Grenzpunkte, die den Verlauf des Servitutswegs kennzeichnen sollten. Zu entscheiden ist also tatsächlich über denselben Sachverhalt, weil beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel, nur mit umgekehrten Vorzeichen, anstreben. Da die Streitanhängigkeit die Vorläuferin der Einmaligkeitswirkung (ne bis in idem) der materiellen Rechtskraft ist und sich in ihren Auswirkungen mit dieser vollständig deckt (Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 7 zu Paragraph 233,), wäre es widersinnig, die Führung zweier Rechtsstreite nebeneinander zuzulassen, bei denen das Begehren der zweiten Klage bei völlig identischem Sachverhalt das begriffliche Gegenteil des ersten Begehrens ist, wie vor allem das Begehren auf Feststellung einer bestimmten Servitut einerseits und das Begehren auf Feststellung des Nichtbestehens einer solchen Servitut andererseits (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1187). In diesem Fall stünde auch die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils über das eine Begehren dem anderen Klagebegehren entgegen. So wie das Gesetz den Parteien ein Rechtsschutzbedürfnis für einen neuen Prozeß über einen entschiedenen Anspruch versagt, billigt es ihnen auch kein Rechtsschutzbedürfnis an einem weiteren Prozeß über einen Anspruch zu, der bereits Gegenstand eines Rechtsstreits ist (Rechberger aaO). Die in der bisherigen Judikatur vertretenen Gründe für die Zulassung von actio confessoria und actio negatoria nebeneinander treten gegenüber der Forderung nach Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie völlig in den Hintergrund. In beiden Rechtsstreitigkeiten (über die Widerklage bzw dieses Verfahren) ist dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden, deren widersprechende Beantwortung diese Kriterien nicht gestatten. Durch Artikel 21, Absatz eins und Artikel 22, Absatz 3, des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.September 1988 (LGVÜ-BGBl 1996/448), haben die Grundsätze der Entscheidungsharmonie und Rechtssicherheit übrigens neue und überragende Bedeutung erlangt vergleiche 1 Ob 2123/96d = JBl 1997, 368).

Dem Revisionsrekurs ist stattzugeben; die vom Erstgericht beschlossene Klagszurückweisung wegen Streitanhängigkeit ist wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E48635 01AA0607

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00060.97Y.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19971215_OGH0002_0010OB00060_97Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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